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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Das Geheimmittelwesen,

vom Fabrikanten und Erfinder nicht preisgegeben wird, während sie anderseits,
fromm betrügend, Morphiumsüchtigen statt des Morphiums reines Wasser ver¬
schreiben oder der hysterischen Frau eine Operation Vorsichten, dle an ihr me
vorgenommen worden ist. Sollte nicht auch da? Ähnlichkeit uut "Gehenn¬
mitteln" haben?

^^.^.,Aber auch in andrer Art ähnelt das Geheimmittelwescn dem Lottemsp'el
Hat irgend jemand, sei es ein Fachmann oder ein Laie, das Gluck, ein Mittet
gegen irgend eine Krankheit zu finden - Erfindungen sind nicht stets von
zünftigen Fachleuten gemacht worden -. soll es ihm verwehrt sein, sein großes
Loos zu heben? Soll er die nach seiner Meinung vortrefflichen Eigenschaften
seines Mittels der leidenden Menschheit vorenthalte", soll anderseits den Zei¬
tungen verwehrt werden, ihrer Aufgabe, das Publikum zu belehren, nachzu-
kommen und angemessene Empfehlungen zu bringe"? Der Patentinhaber laßt
sich sein Patent'bezahlen, um die auf seine Erfindung verwandte Mühe, seine
Arbeit, seine Kosten aufzuwiege". Soll der Entdecker eines Mittels zur Er¬
haltung der Gesundheit mit anderen Maß gemessen werden? Ist er ein Be¬
trüger, wenn sein Mittel nicht hilft, während der ebenfalls fehlbare Arzt pn-
vilcgirt ist?

Auf Grund aller dieser Erwägungen kommen wir zu folgenden Schlüssen :
Wie sich das Publikum wählen kann, in welcher Art es behandelt werden will
s" sollte ihm folgerichtigerweise mich gestattet werden, demjenigen Arzneimittel
sui Vertrauen zuzuwenden, welches ihm auf Grund eignen Studiums oder
auf den Rat eines Gewährsmannes hin zweckentsprechend scheint. Vor Schade"
a" Leben und Gesundheit kann es bewahrt werde" dadurch, daß der Vertrieb
aller.Heilmittel dem staatlich privilegirten. sachverständigen Arzneimittelhändlcr,
dem Apotheker, verbleibt, welcher nach wie vor durch das Gesetz seine Richtschnur
erhält und ständig kontrolirt wird. Ferner sollte die Anfertigung von Heil¬
mitteln ebenso wie ihr Vertrieb im großen, nachdem ihr Wesen von einer
Hauptstelle (dem Gesnndheitsamt) gebilligt, beziehentlich patentirt worden :se.
twMg frei gegeben, auch die Preisstelluug dem Ermessen des Verfertigers über¬
lassen werden.

Auf diese Art hätten nur die heikle Klippe des garnicht mehr richtig zu
definirenden Geheimmittels umschifft und hätten mir ein Heil- oder ein Patent¬
mittel. Wie der Staat nirgends durch das Patent für die Güte desselben ein¬
tritt, so sollte er auch bei einer Arznei nur feststellen, daß sie den bestehenden
Vorschriften (ausgcuomnien denen des Preises) nicht zuwiderläuft, sollte den
Erfinder vor Nachahmung schützen und dafür eine Patentgebühr (oder eine
Steuer) erheben und ihm, wie gesagt, gestatten, den Preis auf Grund seiner
Berechnung festzusetzen. Dasselbe Recht wird jedem Erfinder, und sicher nicht
Zum Schaden der Volkswohlfahrt, eingeräumt, und im allgemeinen auch jetzt
schon beim Heilmittclvertrieb beobachtet. Vascliu. Ichthyol, Lanolin, Antivynu ?e.


Das Geheimmittelwesen,

vom Fabrikanten und Erfinder nicht preisgegeben wird, während sie anderseits,
fromm betrügend, Morphiumsüchtigen statt des Morphiums reines Wasser ver¬
schreiben oder der hysterischen Frau eine Operation Vorsichten, dle an ihr me
vorgenommen worden ist. Sollte nicht auch da? Ähnlichkeit uut „Gehenn¬
mitteln" haben?

^^.^.,Aber auch in andrer Art ähnelt das Geheimmittelwescn dem Lottemsp'el
Hat irgend jemand, sei es ein Fachmann oder ein Laie, das Gluck, ein Mittet
gegen irgend eine Krankheit zu finden - Erfindungen sind nicht stets von
zünftigen Fachleuten gemacht worden -. soll es ihm verwehrt sein, sein großes
Loos zu heben? Soll er die nach seiner Meinung vortrefflichen Eigenschaften
seines Mittels der leidenden Menschheit vorenthalte», soll anderseits den Zei¬
tungen verwehrt werden, ihrer Aufgabe, das Publikum zu belehren, nachzu-
kommen und angemessene Empfehlungen zu bringe»? Der Patentinhaber laßt
sich sein Patent'bezahlen, um die auf seine Erfindung verwandte Mühe, seine
Arbeit, seine Kosten aufzuwiege». Soll der Entdecker eines Mittels zur Er¬
haltung der Gesundheit mit anderen Maß gemessen werden? Ist er ein Be¬
trüger, wenn sein Mittel nicht hilft, während der ebenfalls fehlbare Arzt pn-
vilcgirt ist?

Auf Grund aller dieser Erwägungen kommen wir zu folgenden Schlüssen :
Wie sich das Publikum wählen kann, in welcher Art es behandelt werden will
s" sollte ihm folgerichtigerweise mich gestattet werden, demjenigen Arzneimittel
sui Vertrauen zuzuwenden, welches ihm auf Grund eignen Studiums oder
auf den Rat eines Gewährsmannes hin zweckentsprechend scheint. Vor Schade»
a» Leben und Gesundheit kann es bewahrt werde» dadurch, daß der Vertrieb
aller.Heilmittel dem staatlich privilegirten. sachverständigen Arzneimittelhändlcr,
dem Apotheker, verbleibt, welcher nach wie vor durch das Gesetz seine Richtschnur
erhält und ständig kontrolirt wird. Ferner sollte die Anfertigung von Heil¬
mitteln ebenso wie ihr Vertrieb im großen, nachdem ihr Wesen von einer
Hauptstelle (dem Gesnndheitsamt) gebilligt, beziehentlich patentirt worden :se.
twMg frei gegeben, auch die Preisstelluug dem Ermessen des Verfertigers über¬
lassen werden.

Auf diese Art hätten nur die heikle Klippe des garnicht mehr richtig zu
definirenden Geheimmittels umschifft und hätten mir ein Heil- oder ein Patent¬
mittel. Wie der Staat nirgends durch das Patent für die Güte desselben ein¬
tritt, so sollte er auch bei einer Arznei nur feststellen, daß sie den bestehenden
Vorschriften (ausgcuomnien denen des Preises) nicht zuwiderläuft, sollte den
Erfinder vor Nachahmung schützen und dafür eine Patentgebühr (oder eine
Steuer) erheben und ihm, wie gesagt, gestatten, den Preis auf Grund seiner
Berechnung festzusetzen. Dasselbe Recht wird jedem Erfinder, und sicher nicht
Zum Schaden der Volkswohlfahrt, eingeräumt, und im allgemeinen auch jetzt
schon beim Heilmittclvertrieb beobachtet. Vascliu. Ichthyol, Lanolin, Antivynu ?e.


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[0277] Das Geheimmittelwesen, vom Fabrikanten und Erfinder nicht preisgegeben wird, während sie anderseits, fromm betrügend, Morphiumsüchtigen statt des Morphiums reines Wasser ver¬ schreiben oder der hysterischen Frau eine Operation Vorsichten, dle an ihr me vorgenommen worden ist. Sollte nicht auch da? Ähnlichkeit uut „Gehenn¬ mitteln" haben? ^^.^.,Aber auch in andrer Art ähnelt das Geheimmittelwescn dem Lottemsp'el Hat irgend jemand, sei es ein Fachmann oder ein Laie, das Gluck, ein Mittet gegen irgend eine Krankheit zu finden - Erfindungen sind nicht stets von zünftigen Fachleuten gemacht worden -. soll es ihm verwehrt sein, sein großes Loos zu heben? Soll er die nach seiner Meinung vortrefflichen Eigenschaften seines Mittels der leidenden Menschheit vorenthalte», soll anderseits den Zei¬ tungen verwehrt werden, ihrer Aufgabe, das Publikum zu belehren, nachzu- kommen und angemessene Empfehlungen zu bringe»? Der Patentinhaber laßt sich sein Patent'bezahlen, um die auf seine Erfindung verwandte Mühe, seine Arbeit, seine Kosten aufzuwiege». Soll der Entdecker eines Mittels zur Er¬ haltung der Gesundheit mit anderen Maß gemessen werden? Ist er ein Be¬ trüger, wenn sein Mittel nicht hilft, während der ebenfalls fehlbare Arzt pn- vilcgirt ist? Auf Grund aller dieser Erwägungen kommen wir zu folgenden Schlüssen : Wie sich das Publikum wählen kann, in welcher Art es behandelt werden will s" sollte ihm folgerichtigerweise mich gestattet werden, demjenigen Arzneimittel sui Vertrauen zuzuwenden, welches ihm auf Grund eignen Studiums oder auf den Rat eines Gewährsmannes hin zweckentsprechend scheint. Vor Schade» a» Leben und Gesundheit kann es bewahrt werde» dadurch, daß der Vertrieb aller.Heilmittel dem staatlich privilegirten. sachverständigen Arzneimittelhändlcr, dem Apotheker, verbleibt, welcher nach wie vor durch das Gesetz seine Richtschnur erhält und ständig kontrolirt wird. Ferner sollte die Anfertigung von Heil¬ mitteln ebenso wie ihr Vertrieb im großen, nachdem ihr Wesen von einer Hauptstelle (dem Gesnndheitsamt) gebilligt, beziehentlich patentirt worden :se. twMg frei gegeben, auch die Preisstelluug dem Ermessen des Verfertigers über¬ lassen werden. Auf diese Art hätten nur die heikle Klippe des garnicht mehr richtig zu definirenden Geheimmittels umschifft und hätten mir ein Heil- oder ein Patent¬ mittel. Wie der Staat nirgends durch das Patent für die Güte desselben ein¬ tritt, so sollte er auch bei einer Arznei nur feststellen, daß sie den bestehenden Vorschriften (ausgcuomnien denen des Preises) nicht zuwiderläuft, sollte den Erfinder vor Nachahmung schützen und dafür eine Patentgebühr (oder eine Steuer) erheben und ihm, wie gesagt, gestatten, den Preis auf Grund seiner Berechnung festzusetzen. Dasselbe Recht wird jedem Erfinder, und sicher nicht Zum Schaden der Volkswohlfahrt, eingeräumt, und im allgemeinen auch jetzt schon beim Heilmittclvertrieb beobachtet. Vascliu. Ichthyol, Lanolin, Antivynu ?e.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/277>, abgerufen am 17.09.2024.