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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie.

t"le des ersten Jahrganges erschien. Da die Zeitschrift in jenen so bewegten
Zeiten nicht blühen konnte, so wurde sie bald in Makulatur umgewandelt, sodaß
jene Originaldrncke höchst selten geworden sind. Jetzt ist der Aufsatz im vierten
Bande der "Schriften" man abgedruckt.

Wir besitzen noch ein Blatt von des Dichters Hand, worauf er sich wahr¬
scheinlich die Disposition aufgezeichnet hatte. Er giebt darauf folgende Einteilung:
..Die zwei Hauptbrauchen der altfranzösischen Poesie sind: ^) Der epische Ge¬
sang; L) die Erzählung, Epischer Nationalgcsaug: Konstitmrung des¬
selben: ") nach Stoff und Umfang. /?) nach Geist der Darstellung, 7) 'was
Form und Vortrag; d) Geschichte desselben; 0) Sonderung desselben von andern
sich zum Epischen neigenden Gedichtkrcisen. dem normannischen und bretonischen
L-Die Erzählung. Schlnßbemcrkung: Überwiegen des germanischen Elementes
un epischen Gesänge, des gM '

^."^An diese Dispositionhat sich Uhland streng gehalten. Die erste Haupt-
""terscheidnng war von ihm zuerst richtig erkannt worden, denn früher hatte
um, die portes und ?Mmux. den Roman ac 1" Ross und die abenteuerlichen
Erzählungen von der Tafelrunde in einen Topf geworfen. Uhland gab mer,
die scharfe Unterscheidung zwischen gesungenen volksi.iäßigen Epen, d-e meist ans
geschichtlicher Grundlage beruhen, und zwischeu gesprochenen Erzähl.engen von
größerm oder kleinerm Umfange, geschöpft aus der w.llknrlichsten Phantasie,
-N-mal aber aus den heimischen Sagen der britischen Ureinwohner. Schon
ist dann seine Meinung. daß für erstere wohl germanischer Einfluß annehmen
sei. während in letztern der echte gallische Geist sich bewahrheite. Daß er
hierbei die normannischen, lothringischen u. s. w. "Lokalgesten." d,e wir M
°is kongeniale Epik zu betrachten gelehrt werden, ebenfalls streng absondern
WM, dürfen wir ihm. der zu genauen und vollständigen Studien keine Gelegen¬
heit hatte, nicht zum Vorwurfe machen.

^Uhland charakterisirt nun den Umfang ^ taro
weinen Umrissen und dann den Zusammenhang derselben- . Der "leere nu
Heldengeist, icht so riesenhaft, wie in mehreren deutschen Heldenliedern zu-
weilen schon def^anterie^zu eneigt und mit gebildetem niederern versetzt,
°ber voll heroischer Freudigkeit; religiöser Nimbus; die durchgeheude C a-
rakteristik der bedeutendsten Helden: Karls ruhige, zuweilen starre, mehr e t
"is selbstthätige Größe, des'Herzog Naimes von Baiern bedächtiges Alter und
weiser Rat. der achMeische Roland und seine innige Wasfenbru erschaf in t
Olivier. Gauelons Falschheit und Tücke; endlich der Helden gemeinsamer Nu er-
gang und das vorahnende Hindeute" darauf in den meisten Gedichten vuae
noch die frühern Abenteuer darstellen; in Hinsicht ans das Äußere ber d
Meichfönuigkeit des Stils und besti.mente epische Verhärten." Sodann besprich
" die Handschriften, welche er selbst eingesehen hatte. Besondre Vorliebe zeig
" für den (^r. Ah Vitmo und für die Haimonskinder. und dieses Urteil ist


Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie.

t«le des ersten Jahrganges erschien. Da die Zeitschrift in jenen so bewegten
Zeiten nicht blühen konnte, so wurde sie bald in Makulatur umgewandelt, sodaß
jene Originaldrncke höchst selten geworden sind. Jetzt ist der Aufsatz im vierten
Bande der „Schriften" man abgedruckt.

Wir besitzen noch ein Blatt von des Dichters Hand, worauf er sich wahr¬
scheinlich die Disposition aufgezeichnet hatte. Er giebt darauf folgende Einteilung:
..Die zwei Hauptbrauchen der altfranzösischen Poesie sind: ^) Der epische Ge¬
sang; L) die Erzählung, Epischer Nationalgcsaug: Konstitmrung des¬
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Form und Vortrag; d) Geschichte desselben; 0) Sonderung desselben von andern
sich zum Epischen neigenden Gedichtkrcisen. dem normannischen und bretonischen
L-Die Erzählung. Schlnßbemcrkung: Überwiegen des germanischen Elementes
un epischen Gesänge, des gM '

^.„^An diese Dispositionhat sich Uhland streng gehalten. Die erste Haupt-
""terscheidnng war von ihm zuerst richtig erkannt worden, denn früher hatte
um, die portes und ?Mmux. den Roman ac 1» Ross und die abenteuerlichen
Erzählungen von der Tafelrunde in einen Topf geworfen. Uhland gab mer,
die scharfe Unterscheidung zwischen gesungenen volksi.iäßigen Epen, d-e meist ans
geschichtlicher Grundlage beruhen, und zwischeu gesprochenen Erzähl.engen von
größerm oder kleinerm Umfange, geschöpft aus der w.llknrlichsten Phantasie,
-N-mal aber aus den heimischen Sagen der britischen Ureinwohner. Schon
ist dann seine Meinung. daß für erstere wohl germanischer Einfluß annehmen
sei. während in letztern der echte gallische Geist sich bewahrheite. Daß er
hierbei die normannischen, lothringischen u. s. w. „Lokalgesten." d,e wir M
°is kongeniale Epik zu betrachten gelehrt werden, ebenfalls streng absondern
WM, dürfen wir ihm. der zu genauen und vollständigen Studien keine Gelegen¬
heit hatte, nicht zum Vorwurfe machen.

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weinen Umrissen und dann den Zusammenhang derselben- . Der »leere nu
Heldengeist, icht so riesenhaft, wie in mehreren deutschen Heldenliedern zu-
weilen schon def^anterie^zu eneigt und mit gebildetem niederern versetzt,
°ber voll heroischer Freudigkeit; religiöser Nimbus; die durchgeheude C a-
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"is selbstthätige Größe, des'Herzog Naimes von Baiern bedächtiges Alter und
weiser Rat. der achMeische Roland und seine innige Wasfenbru erschaf in t
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gang und das vorahnende Hindeute» darauf in den meisten Gedichten vuae
noch die frühern Abenteuer darstellen; in Hinsicht ans das Äußere ber d
Meichfönuigkeit des Stils und besti.mente epische Verhärten." Sodann besprich
" die Handschriften, welche er selbst eingesehen hatte. Besondre Vorliebe zeig
" für den (^r. Ah Vitmo und für die Haimonskinder. und dieses Urteil ist


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[0219] Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie. t«le des ersten Jahrganges erschien. Da die Zeitschrift in jenen so bewegten Zeiten nicht blühen konnte, so wurde sie bald in Makulatur umgewandelt, sodaß jene Originaldrncke höchst selten geworden sind. Jetzt ist der Aufsatz im vierten Bande der „Schriften" man abgedruckt. Wir besitzen noch ein Blatt von des Dichters Hand, worauf er sich wahr¬ scheinlich die Disposition aufgezeichnet hatte. Er giebt darauf folgende Einteilung: ..Die zwei Hauptbrauchen der altfranzösischen Poesie sind: ^) Der epische Ge¬ sang; L) die Erzählung, Epischer Nationalgcsaug: Konstitmrung des¬ selben: «) nach Stoff und Umfang. /?) nach Geist der Darstellung, 7) 'was Form und Vortrag; d) Geschichte desselben; 0) Sonderung desselben von andern sich zum Epischen neigenden Gedichtkrcisen. dem normannischen und bretonischen L-Die Erzählung. Schlnßbemcrkung: Überwiegen des germanischen Elementes un epischen Gesänge, des gM ' ^.„^An diese Dispositionhat sich Uhland streng gehalten. Die erste Haupt- ""terscheidnng war von ihm zuerst richtig erkannt worden, denn früher hatte um, die portes und ?Mmux. den Roman ac 1» Ross und die abenteuerlichen Erzählungen von der Tafelrunde in einen Topf geworfen. Uhland gab mer, die scharfe Unterscheidung zwischen gesungenen volksi.iäßigen Epen, d-e meist ans geschichtlicher Grundlage beruhen, und zwischeu gesprochenen Erzähl.engen von größerm oder kleinerm Umfange, geschöpft aus der w.llknrlichsten Phantasie, -N-mal aber aus den heimischen Sagen der britischen Ureinwohner. Schon ist dann seine Meinung. daß für erstere wohl germanischer Einfluß annehmen sei. während in letztern der echte gallische Geist sich bewahrheite. Daß er hierbei die normannischen, lothringischen u. s. w. „Lokalgesten." d,e wir M °is kongeniale Epik zu betrachten gelehrt werden, ebenfalls streng absondern WM, dürfen wir ihm. der zu genauen und vollständigen Studien keine Gelegen¬ heit hatte, nicht zum Vorwurfe machen. ^Uhland charakterisirt nun den Umfang ^ taro weinen Umrissen und dann den Zusammenhang derselben- . Der »leere nu Heldengeist, icht so riesenhaft, wie in mehreren deutschen Heldenliedern zu- weilen schon def^anterie^zu eneigt und mit gebildetem niederern versetzt, °ber voll heroischer Freudigkeit; religiöser Nimbus; die durchgeheude C a- rakteristik der bedeutendsten Helden: Karls ruhige, zuweilen starre, mehr e t "is selbstthätige Größe, des'Herzog Naimes von Baiern bedächtiges Alter und weiser Rat. der achMeische Roland und seine innige Wasfenbru erschaf in t Olivier. Gauelons Falschheit und Tücke; endlich der Helden gemeinsamer Nu er- gang und das vorahnende Hindeute» darauf in den meisten Gedichten vuae noch die frühern Abenteuer darstellen; in Hinsicht ans das Äußere ber d Meichfönuigkeit des Stils und besti.mente epische Verhärten." Sodann besprich " die Handschriften, welche er selbst eingesehen hatte. Besondre Vorliebe zeig " für den (^r. Ah Vitmo und für die Haimonskinder. und dieses Urteil ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/219>, abgerufen am 17.09.2024.