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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Ludwig Uhland mit die altfranzösische Poesie.

minder wichtigen auf, weil mir das wichtigere unbekannt war, und uoch dazu
fielen die Ferien der Bibliothek in die Zeit meines hiesigen Aufenthaltes. Man
muß sich durch die lieblichen?Mmux nicht abhalten lassen, bis zur eigentlichen
Heldenpoesie vorzudringen, die bald mir in einzelnen, aber mächtigen Kunden er¬
scheint, bald sich zum wahren Epos gebildet hat und nach verschiednen Volks¬
stämmen verfolgt werden muß. Ich habe eine Reihe normannischer Kunden
zusammengebracht und bin jetzt mit den fränkischen von Karl dem Großen, seinen
Pairs und seinen Geschlechtern, beschäftigt, die einen wahrhaft epischen Cyklus
bilden, den ich nimmer ermessen kann, da ich mir noch kurze Zeit hier bleibe.
Doch hoffe ich, daß meine Sammlung hinreichen werde, die Wichtigkeit der mittel¬
alterlichen Poesie einleuchtend zu machen und vielleicht andre zu vollständigern
Arbeiten anzuregen. Ich werde nach meiner Zurückkunft das Gesammelte zu
übersetzen und zu bearbeiten suchen, letzteres hauptsächlich nur durch Entkleidung
der Sage vom entstellenden Gewände."

In dieser Weise mit Arbeiten und Plänen beschäftigt, wozu man noch die
Stelle seines Tagebuches unterm 1. November 1810 und seines Briefes an
FouquL vom 29. Oktober 1810 vergleichen kann, verfloß ihm die Zeit rasch und
in der angenehmsten Weise. Einige Gedichte, wie "Die Königstochter," "Graf
Richard ohne Furcht" und die "Jagd von Winchester," entstanden in Paris selbst,
und zu andern trug er den Gedanken schon fertig im Kopfe. Sein Urlaub
ging am 26. Januar 1811 zu Ende, zu seinem Leidwesen, da er sehr viele Ar¬
beiten unvollendet lassen mußte. Am 14. Februar 1811 traf er wieder in
Tübingen ein, um fortan im engern Vaterlande zu bleiben.

Was brachte Uhland von Paris mit nach Hause? 1. Eine Anzahl von
Bruchstücken aus Handschriften, welche er selbst abgeschrieben hatte zur spätern
Benutzung und Verwertung. Das letztere war ihm nnr zum Teil gegönnt,
indem er Bruchstücke aus LlirM?: Ah Vilmo übersetzte; das übrige wurde von
andern dankbar benutzt, von I. Bekker, der I'loro ol Llanollöllors nach Uhlands
Abschrift 1840 herausgab und in seiner Ausgabe des Ficrabras den OirW als
Vis/us fast vollständig mitteilte, und von Ad. v. Keller, der 1839 den Ouill-Miris
ä'^riAlotörro übersetzte. 2. Den vollständigen Plan zu dem Aufsatze über das
altfranzösische Epos. 3. Eigene Übersetzungen und dichterische Bearbeitungen alt¬
französischer Stoffe.

Wir wollen zunächst den Aufsatz über das altfranzösische Epos betrachte"?
und dann sehen, wie Uhland auch fernerhin der neu begründeten Wissenschaft
treu blieb.

Nach der Rückkehr hatte Uhland zunächst keine Zeit, sich mit seinen geliebten
Schätzen All beschäftigen. Nur langsam arbeitete er an dem trefflichem "Ver¬
suche," wie er ihn nennt, den er mehrmals umschrieb. Als er endlich fertig
war, wußte er nicht, wohin damit. Endlich wurde er von Fouque in die
neubegründete Zeitschrift "Die Musen" aufgenommen, wo er im dritten Quar-


Ludwig Uhland mit die altfranzösische Poesie.

minder wichtigen auf, weil mir das wichtigere unbekannt war, und uoch dazu
fielen die Ferien der Bibliothek in die Zeit meines hiesigen Aufenthaltes. Man
muß sich durch die lieblichen?Mmux nicht abhalten lassen, bis zur eigentlichen
Heldenpoesie vorzudringen, die bald mir in einzelnen, aber mächtigen Kunden er¬
scheint, bald sich zum wahren Epos gebildet hat und nach verschiednen Volks¬
stämmen verfolgt werden muß. Ich habe eine Reihe normannischer Kunden
zusammengebracht und bin jetzt mit den fränkischen von Karl dem Großen, seinen
Pairs und seinen Geschlechtern, beschäftigt, die einen wahrhaft epischen Cyklus
bilden, den ich nimmer ermessen kann, da ich mir noch kurze Zeit hier bleibe.
Doch hoffe ich, daß meine Sammlung hinreichen werde, die Wichtigkeit der mittel¬
alterlichen Poesie einleuchtend zu machen und vielleicht andre zu vollständigern
Arbeiten anzuregen. Ich werde nach meiner Zurückkunft das Gesammelte zu
übersetzen und zu bearbeiten suchen, letzteres hauptsächlich nur durch Entkleidung
der Sage vom entstellenden Gewände."

In dieser Weise mit Arbeiten und Plänen beschäftigt, wozu man noch die
Stelle seines Tagebuches unterm 1. November 1810 und seines Briefes an
FouquL vom 29. Oktober 1810 vergleichen kann, verfloß ihm die Zeit rasch und
in der angenehmsten Weise. Einige Gedichte, wie „Die Königstochter," „Graf
Richard ohne Furcht" und die „Jagd von Winchester," entstanden in Paris selbst,
und zu andern trug er den Gedanken schon fertig im Kopfe. Sein Urlaub
ging am 26. Januar 1811 zu Ende, zu seinem Leidwesen, da er sehr viele Ar¬
beiten unvollendet lassen mußte. Am 14. Februar 1811 traf er wieder in
Tübingen ein, um fortan im engern Vaterlande zu bleiben.

Was brachte Uhland von Paris mit nach Hause? 1. Eine Anzahl von
Bruchstücken aus Handschriften, welche er selbst abgeschrieben hatte zur spätern
Benutzung und Verwertung. Das letztere war ihm nnr zum Teil gegönnt,
indem er Bruchstücke aus LlirM?: Ah Vilmo übersetzte; das übrige wurde von
andern dankbar benutzt, von I. Bekker, der I'loro ol Llanollöllors nach Uhlands
Abschrift 1840 herausgab und in seiner Ausgabe des Ficrabras den OirW als
Vis/us fast vollständig mitteilte, und von Ad. v. Keller, der 1839 den Ouill-Miris
ä'^riAlotörro übersetzte. 2. Den vollständigen Plan zu dem Aufsatze über das
altfranzösische Epos. 3. Eigene Übersetzungen und dichterische Bearbeitungen alt¬
französischer Stoffe.

Wir wollen zunächst den Aufsatz über das altfranzösische Epos betrachte«?
und dann sehen, wie Uhland auch fernerhin der neu begründeten Wissenschaft
treu blieb.

Nach der Rückkehr hatte Uhland zunächst keine Zeit, sich mit seinen geliebten
Schätzen All beschäftigen. Nur langsam arbeitete er an dem trefflichem „Ver¬
suche," wie er ihn nennt, den er mehrmals umschrieb. Als er endlich fertig
war, wußte er nicht, wohin damit. Endlich wurde er von Fouque in die
neubegründete Zeitschrift „Die Musen" aufgenommen, wo er im dritten Quar-


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[0218] Ludwig Uhland mit die altfranzösische Poesie. minder wichtigen auf, weil mir das wichtigere unbekannt war, und uoch dazu fielen die Ferien der Bibliothek in die Zeit meines hiesigen Aufenthaltes. Man muß sich durch die lieblichen?Mmux nicht abhalten lassen, bis zur eigentlichen Heldenpoesie vorzudringen, die bald mir in einzelnen, aber mächtigen Kunden er¬ scheint, bald sich zum wahren Epos gebildet hat und nach verschiednen Volks¬ stämmen verfolgt werden muß. Ich habe eine Reihe normannischer Kunden zusammengebracht und bin jetzt mit den fränkischen von Karl dem Großen, seinen Pairs und seinen Geschlechtern, beschäftigt, die einen wahrhaft epischen Cyklus bilden, den ich nimmer ermessen kann, da ich mir noch kurze Zeit hier bleibe. Doch hoffe ich, daß meine Sammlung hinreichen werde, die Wichtigkeit der mittel¬ alterlichen Poesie einleuchtend zu machen und vielleicht andre zu vollständigern Arbeiten anzuregen. Ich werde nach meiner Zurückkunft das Gesammelte zu übersetzen und zu bearbeiten suchen, letzteres hauptsächlich nur durch Entkleidung der Sage vom entstellenden Gewände." In dieser Weise mit Arbeiten und Plänen beschäftigt, wozu man noch die Stelle seines Tagebuches unterm 1. November 1810 und seines Briefes an FouquL vom 29. Oktober 1810 vergleichen kann, verfloß ihm die Zeit rasch und in der angenehmsten Weise. Einige Gedichte, wie „Die Königstochter," „Graf Richard ohne Furcht" und die „Jagd von Winchester," entstanden in Paris selbst, und zu andern trug er den Gedanken schon fertig im Kopfe. Sein Urlaub ging am 26. Januar 1811 zu Ende, zu seinem Leidwesen, da er sehr viele Ar¬ beiten unvollendet lassen mußte. Am 14. Februar 1811 traf er wieder in Tübingen ein, um fortan im engern Vaterlande zu bleiben. Was brachte Uhland von Paris mit nach Hause? 1. Eine Anzahl von Bruchstücken aus Handschriften, welche er selbst abgeschrieben hatte zur spätern Benutzung und Verwertung. Das letztere war ihm nnr zum Teil gegönnt, indem er Bruchstücke aus LlirM?: Ah Vilmo übersetzte; das übrige wurde von andern dankbar benutzt, von I. Bekker, der I'loro ol Llanollöllors nach Uhlands Abschrift 1840 herausgab und in seiner Ausgabe des Ficrabras den OirW als Vis/us fast vollständig mitteilte, und von Ad. v. Keller, der 1839 den Ouill-Miris ä'^riAlotörro übersetzte. 2. Den vollständigen Plan zu dem Aufsatze über das altfranzösische Epos. 3. Eigene Übersetzungen und dichterische Bearbeitungen alt¬ französischer Stoffe. Wir wollen zunächst den Aufsatz über das altfranzösische Epos betrachte«? und dann sehen, wie Uhland auch fernerhin der neu begründeten Wissenschaft treu blieb. Nach der Rückkehr hatte Uhland zunächst keine Zeit, sich mit seinen geliebten Schätzen All beschäftigen. Nur langsam arbeitete er an dem trefflichem „Ver¬ suche," wie er ihn nennt, den er mehrmals umschrieb. Als er endlich fertig war, wußte er nicht, wohin damit. Endlich wurde er von Fouque in die neubegründete Zeitschrift „Die Musen" aufgenommen, wo er im dritten Quar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/218>, abgerufen am 17.09.2024.