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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Donatello.

zelncn Pilastern mit musizirenden Engeln getrennt, schildern in dramatisch be¬
lebter Darstellung vier Begebenheiten aus der Legende des heiligen Antonius,
während an der Rückseite sich ein größeres Stuckrelief mit der Grablegung
Christi befand. Diese Darstellung bietet interessante Vergleichspunkte mit dem
obenerwähnten Tabernakelrelief desselben Gegenstandes, das Schmarsow in
Rom wiederentdeckt hat, und einer kleinen Bronzewiederholung in der Ambraser
Sammlung zu Wien. In die Paduaner Zeit fällt auch eine Brouzebüste des
Berliner Museums, die Schmarsow mit dem Reiterbilde des Alfons von Arci-
gonien in Verbindung bringen will, während ein Vergleich des Kopfes mit den
Medaillonporträts des Königs von der Hand eines Pisanello und andrer ita¬
lienischer Medailleure die Unhaltbarkeit dieser Hypothese offenbart.

In Oberitalien, das Donatello von Padua aus durchstreifte, haben sich
mannichfache Spuren seines Aufenthaltes erhalten; so in Venedig eine Täufer¬
statue in Holz, welche auffällig an die durch ihren abschreckenden Realismus
bekannte Holzskulptur der Maria Magdalena im Florentiner Bciptisterium er¬
innert, in Faeuza eine Marmorbüste des jugendlichen Johannes, die ihre Taufe
allerdings wahrscheinlich ihrem ursprünglichen Besitzer Sabba da Castiglione
(geb. 1485) verdankt, während sie durch ihre Glätte und Eleganz den Donatello-
forscher mißtrauisch macht, und ebenda auch noch einen in Holz geschnitzten
Hieronymus. Auch in Mantua und Bologna sah man Werke von Dvnatellvs
Hand. Freilich ist bei den in Oberitalien befindlichen donatelleslen Schöpfungen
der Zweifel schon darum berechtigt, weil wir wissen, daß gerade die Paduaner
Schüler des Meisters sich seine Art völlig aneigneten, sodaß ihre Arbeite,?
nach Vasaris Urteil oft von denen ihres Lehrers nicht zu unterscheiden sind.

Stilistisch steht den Werken dieser Periode auch die berühmte und oft ge¬
schmähte Brvnzegrnppe der Judith und des Holofernes, die 1506 von der
Piazza dei Signori in die Loggia dei Lcmzi übergeführt wurde, nahe. Wenn
man im Auge behält, daß dieses meisterhaft gegossene Werk ursprünglich den
plastischen Schmuck eines Springbrunnens für die Og-sg, Nsclioi bildete, so ver¬
liert der Vorwurf, den man dem Künstler namentlich wegen der gezwungenen
und unschönen Haltung des trunkenen Holofernes zu machen pflegt, einen
Teil seiner Berechtigung. Denkt man sich nämlich die Wasserstrahlen in weitem
Bogen aus der Basis hervorbrechend, so erhält der ganze Aufbau ideell dadurch
eine Erweiterung nach unten, welche viel von der Sprödigkeit der Komposition
mildert.

In den letzten Jahren seines Lebens, in denen er von den Medici reiche
Unterstützung genoß, war der Meister rastlos thätig. Er arbeitete Verschiedenes
für Siena, und namentlich begann er die beiden Kanzeln für S. Lorenzo in
seiner Vaterstadt, deren Ausführung und Vollendung er allerdings seinem
Schüler Bertoldo, dem nachmals berühmten Lehrer Michel Angelos, überlassen
mußte, als am 15. Dezember des Jahres 1466 der Tod sein reiches Leben


Donatello.

zelncn Pilastern mit musizirenden Engeln getrennt, schildern in dramatisch be¬
lebter Darstellung vier Begebenheiten aus der Legende des heiligen Antonius,
während an der Rückseite sich ein größeres Stuckrelief mit der Grablegung
Christi befand. Diese Darstellung bietet interessante Vergleichspunkte mit dem
obenerwähnten Tabernakelrelief desselben Gegenstandes, das Schmarsow in
Rom wiederentdeckt hat, und einer kleinen Bronzewiederholung in der Ambraser
Sammlung zu Wien. In die Paduaner Zeit fällt auch eine Brouzebüste des
Berliner Museums, die Schmarsow mit dem Reiterbilde des Alfons von Arci-
gonien in Verbindung bringen will, während ein Vergleich des Kopfes mit den
Medaillonporträts des Königs von der Hand eines Pisanello und andrer ita¬
lienischer Medailleure die Unhaltbarkeit dieser Hypothese offenbart.

In Oberitalien, das Donatello von Padua aus durchstreifte, haben sich
mannichfache Spuren seines Aufenthaltes erhalten; so in Venedig eine Täufer¬
statue in Holz, welche auffällig an die durch ihren abschreckenden Realismus
bekannte Holzskulptur der Maria Magdalena im Florentiner Bciptisterium er¬
innert, in Faeuza eine Marmorbüste des jugendlichen Johannes, die ihre Taufe
allerdings wahrscheinlich ihrem ursprünglichen Besitzer Sabba da Castiglione
(geb. 1485) verdankt, während sie durch ihre Glätte und Eleganz den Donatello-
forscher mißtrauisch macht, und ebenda auch noch einen in Holz geschnitzten
Hieronymus. Auch in Mantua und Bologna sah man Werke von Dvnatellvs
Hand. Freilich ist bei den in Oberitalien befindlichen donatelleslen Schöpfungen
der Zweifel schon darum berechtigt, weil wir wissen, daß gerade die Paduaner
Schüler des Meisters sich seine Art völlig aneigneten, sodaß ihre Arbeite,?
nach Vasaris Urteil oft von denen ihres Lehrers nicht zu unterscheiden sind.

Stilistisch steht den Werken dieser Periode auch die berühmte und oft ge¬
schmähte Brvnzegrnppe der Judith und des Holofernes, die 1506 von der
Piazza dei Signori in die Loggia dei Lcmzi übergeführt wurde, nahe. Wenn
man im Auge behält, daß dieses meisterhaft gegossene Werk ursprünglich den
plastischen Schmuck eines Springbrunnens für die Og-sg, Nsclioi bildete, so ver¬
liert der Vorwurf, den man dem Künstler namentlich wegen der gezwungenen
und unschönen Haltung des trunkenen Holofernes zu machen pflegt, einen
Teil seiner Berechtigung. Denkt man sich nämlich die Wasserstrahlen in weitem
Bogen aus der Basis hervorbrechend, so erhält der ganze Aufbau ideell dadurch
eine Erweiterung nach unten, welche viel von der Sprödigkeit der Komposition
mildert.

In den letzten Jahren seines Lebens, in denen er von den Medici reiche
Unterstützung genoß, war der Meister rastlos thätig. Er arbeitete Verschiedenes
für Siena, und namentlich begann er die beiden Kanzeln für S. Lorenzo in
seiner Vaterstadt, deren Ausführung und Vollendung er allerdings seinem
Schüler Bertoldo, dem nachmals berühmten Lehrer Michel Angelos, überlassen
mußte, als am 15. Dezember des Jahres 1466 der Tod sein reiches Leben


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[0136] Donatello. zelncn Pilastern mit musizirenden Engeln getrennt, schildern in dramatisch be¬ lebter Darstellung vier Begebenheiten aus der Legende des heiligen Antonius, während an der Rückseite sich ein größeres Stuckrelief mit der Grablegung Christi befand. Diese Darstellung bietet interessante Vergleichspunkte mit dem obenerwähnten Tabernakelrelief desselben Gegenstandes, das Schmarsow in Rom wiederentdeckt hat, und einer kleinen Bronzewiederholung in der Ambraser Sammlung zu Wien. In die Paduaner Zeit fällt auch eine Brouzebüste des Berliner Museums, die Schmarsow mit dem Reiterbilde des Alfons von Arci- gonien in Verbindung bringen will, während ein Vergleich des Kopfes mit den Medaillonporträts des Königs von der Hand eines Pisanello und andrer ita¬ lienischer Medailleure die Unhaltbarkeit dieser Hypothese offenbart. In Oberitalien, das Donatello von Padua aus durchstreifte, haben sich mannichfache Spuren seines Aufenthaltes erhalten; so in Venedig eine Täufer¬ statue in Holz, welche auffällig an die durch ihren abschreckenden Realismus bekannte Holzskulptur der Maria Magdalena im Florentiner Bciptisterium er¬ innert, in Faeuza eine Marmorbüste des jugendlichen Johannes, die ihre Taufe allerdings wahrscheinlich ihrem ursprünglichen Besitzer Sabba da Castiglione (geb. 1485) verdankt, während sie durch ihre Glätte und Eleganz den Donatello- forscher mißtrauisch macht, und ebenda auch noch einen in Holz geschnitzten Hieronymus. Auch in Mantua und Bologna sah man Werke von Dvnatellvs Hand. Freilich ist bei den in Oberitalien befindlichen donatelleslen Schöpfungen der Zweifel schon darum berechtigt, weil wir wissen, daß gerade die Paduaner Schüler des Meisters sich seine Art völlig aneigneten, sodaß ihre Arbeite,? nach Vasaris Urteil oft von denen ihres Lehrers nicht zu unterscheiden sind. Stilistisch steht den Werken dieser Periode auch die berühmte und oft ge¬ schmähte Brvnzegrnppe der Judith und des Holofernes, die 1506 von der Piazza dei Signori in die Loggia dei Lcmzi übergeführt wurde, nahe. Wenn man im Auge behält, daß dieses meisterhaft gegossene Werk ursprünglich den plastischen Schmuck eines Springbrunnens für die Og-sg, Nsclioi bildete, so ver¬ liert der Vorwurf, den man dem Künstler namentlich wegen der gezwungenen und unschönen Haltung des trunkenen Holofernes zu machen pflegt, einen Teil seiner Berechtigung. Denkt man sich nämlich die Wasserstrahlen in weitem Bogen aus der Basis hervorbrechend, so erhält der ganze Aufbau ideell dadurch eine Erweiterung nach unten, welche viel von der Sprödigkeit der Komposition mildert. In den letzten Jahren seines Lebens, in denen er von den Medici reiche Unterstützung genoß, war der Meister rastlos thätig. Er arbeitete Verschiedenes für Siena, und namentlich begann er die beiden Kanzeln für S. Lorenzo in seiner Vaterstadt, deren Ausführung und Vollendung er allerdings seinem Schüler Bertoldo, dem nachmals berühmten Lehrer Michel Angelos, überlassen mußte, als am 15. Dezember des Jahres 1466 der Tod sein reiches Leben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/136>, abgerufen am 17.09.2024.