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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Donatello.

und eine gleichzeitige Bronzestatue des heiligen Ludwig in Santa Croce sind
von so überraschender Formenreinheit, daß wir sie gern in diese Zeit bewußten
Antikisirens versetzen.

Schon 1442 erhielt Donatello einen Auftrag zur Ausführung eines Reiter¬
standbildes, und zwar für den siegreichen Eroberer von Neapel. Alfons von
Aragonien. In einem von Semper zuerst veröffentlichten Manuskript der
Magliabecchiana. das. zwischen den Jahren 1550 und 1364 entstanden, viele
Materialien zu Künstlerbiographien enthält, wird uns von diesem Auftrag be¬
richtet und zugleich die Vermutung hinzugefügt, daß der berühmte, im Museum
zu Neapel aufbewahrte Pferdekopf, der lange Zeit für antik galt, ein Fragment
dieses geplanten Reiterbildes sei. Sei dem. wie ihm wolle, zwei Jahre später
sehen wir jedenfalls Donatello mit einer ähnlichen Aufgabe für Padua betraut,
wo er im Auftrage der Erben des Condottiere Erasmo da Narni dessen An¬
denken in dem so oft gepriesenen Reiterbilde des "Gattamelata" verherrlichte.
Neuerdings hat man auf Mängel der Pferdeanatomie in diesem mächtigen Bild¬
werk hingewiesen und seine Bedeutung, die noch Pomponius Gauricus weit
über diejenige von Verocchios Colleoni-Standbild in Venedig stellte, bestreikn
wollen. Was aber niemand diesen beiden Reiterstatuen -- den ersten größern
seit der Errichtung des Marc Aurel auf dem Kapitol - abstreiten kann, ist
der wahrhaft monumentale Geist, in dem sie aufgefaßt und ausgeführt sind.
Bis auf Schlüters Denkmal des Großen Kurfürsten läßt sich ihnen kein Bild¬
werk vorher oder nachher in dieser Beziehung vergleichen. Welchen Ruhm
Donatello bei seinen Zeitgenossen durch diesen gewaltigen Bronzeguß errang,
erkennen wir daraus, daß man ihn in den nächsten Jahren von Modena aus
mit einem ähnlichen Auftrage ehrte, der indes nicht zur Ausführung kam, und
in Ferrara sein Gutachten über zwei Reiterbilder des Niccolo Baroncelli und
Antonio ti Cristofano einholte.

Seine Thätigkeit in Padua, die sich im ganzen auf die Jahre 1444 bis
1453 erstreckte, ist für die Entwicklung der oberitalienischen Plastik von unbe-
rechenbarem Einfluß gewesen. Seine Werkstatt füllte sich mit lernbegierigen
Schülern, und so sind den" auch die meisten Arbeiten jener Zeit unter der
Beihilfe jüngerer Kräfte entstanden. Namentlich bei den Arbeiten im Santo,
der Hauptkirche Paduas. lassen sich deutlich verschiedne Hände unterscheiden.
Der Schmuck des Hochaltars, mit dem man Donatello beauftragt hatte, ist
leider im siebzehnten Jahrhundert in seine einzelnen Teile zerlegt und durch den
Dom zerstreut worden. Nach dem Bericht eines Reisenden aus dem Anfange
des sechzehnten Jahrhunderts, dessen für die Kunstgeschichte Oberitaliens unschätz¬
bares Tagebuch zuerst von dem venezianischen Bibliothekar Morelli, neuestens
von Gustcwo Frizzoni herausgegeben wurde, haben wir uns den mächtigen
Freibau etwa so zu denken. daß auf einem mit Bronzereliefs geschmückten
Unterbau sich fünf Freistatuen von Heiligen erhoben. Die Reliefs, von ein-


Donatello.

und eine gleichzeitige Bronzestatue des heiligen Ludwig in Santa Croce sind
von so überraschender Formenreinheit, daß wir sie gern in diese Zeit bewußten
Antikisirens versetzen.

Schon 1442 erhielt Donatello einen Auftrag zur Ausführung eines Reiter¬
standbildes, und zwar für den siegreichen Eroberer von Neapel. Alfons von
Aragonien. In einem von Semper zuerst veröffentlichten Manuskript der
Magliabecchiana. das. zwischen den Jahren 1550 und 1364 entstanden, viele
Materialien zu Künstlerbiographien enthält, wird uns von diesem Auftrag be¬
richtet und zugleich die Vermutung hinzugefügt, daß der berühmte, im Museum
zu Neapel aufbewahrte Pferdekopf, der lange Zeit für antik galt, ein Fragment
dieses geplanten Reiterbildes sei. Sei dem. wie ihm wolle, zwei Jahre später
sehen wir jedenfalls Donatello mit einer ähnlichen Aufgabe für Padua betraut,
wo er im Auftrage der Erben des Condottiere Erasmo da Narni dessen An¬
denken in dem so oft gepriesenen Reiterbilde des „Gattamelata" verherrlichte.
Neuerdings hat man auf Mängel der Pferdeanatomie in diesem mächtigen Bild¬
werk hingewiesen und seine Bedeutung, die noch Pomponius Gauricus weit
über diejenige von Verocchios Colleoni-Standbild in Venedig stellte, bestreikn
wollen. Was aber niemand diesen beiden Reiterstatuen — den ersten größern
seit der Errichtung des Marc Aurel auf dem Kapitol - abstreiten kann, ist
der wahrhaft monumentale Geist, in dem sie aufgefaßt und ausgeführt sind.
Bis auf Schlüters Denkmal des Großen Kurfürsten läßt sich ihnen kein Bild¬
werk vorher oder nachher in dieser Beziehung vergleichen. Welchen Ruhm
Donatello bei seinen Zeitgenossen durch diesen gewaltigen Bronzeguß errang,
erkennen wir daraus, daß man ihn in den nächsten Jahren von Modena aus
mit einem ähnlichen Auftrage ehrte, der indes nicht zur Ausführung kam, und
in Ferrara sein Gutachten über zwei Reiterbilder des Niccolo Baroncelli und
Antonio ti Cristofano einholte.

Seine Thätigkeit in Padua, die sich im ganzen auf die Jahre 1444 bis
1453 erstreckte, ist für die Entwicklung der oberitalienischen Plastik von unbe-
rechenbarem Einfluß gewesen. Seine Werkstatt füllte sich mit lernbegierigen
Schülern, und so sind den» auch die meisten Arbeiten jener Zeit unter der
Beihilfe jüngerer Kräfte entstanden. Namentlich bei den Arbeiten im Santo,
der Hauptkirche Paduas. lassen sich deutlich verschiedne Hände unterscheiden.
Der Schmuck des Hochaltars, mit dem man Donatello beauftragt hatte, ist
leider im siebzehnten Jahrhundert in seine einzelnen Teile zerlegt und durch den
Dom zerstreut worden. Nach dem Bericht eines Reisenden aus dem Anfange
des sechzehnten Jahrhunderts, dessen für die Kunstgeschichte Oberitaliens unschätz¬
bares Tagebuch zuerst von dem venezianischen Bibliothekar Morelli, neuestens
von Gustcwo Frizzoni herausgegeben wurde, haben wir uns den mächtigen
Freibau etwa so zu denken. daß auf einem mit Bronzereliefs geschmückten
Unterbau sich fünf Freistatuen von Heiligen erhoben. Die Reliefs, von ein-


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[0135] Donatello. und eine gleichzeitige Bronzestatue des heiligen Ludwig in Santa Croce sind von so überraschender Formenreinheit, daß wir sie gern in diese Zeit bewußten Antikisirens versetzen. Schon 1442 erhielt Donatello einen Auftrag zur Ausführung eines Reiter¬ standbildes, und zwar für den siegreichen Eroberer von Neapel. Alfons von Aragonien. In einem von Semper zuerst veröffentlichten Manuskript der Magliabecchiana. das. zwischen den Jahren 1550 und 1364 entstanden, viele Materialien zu Künstlerbiographien enthält, wird uns von diesem Auftrag be¬ richtet und zugleich die Vermutung hinzugefügt, daß der berühmte, im Museum zu Neapel aufbewahrte Pferdekopf, der lange Zeit für antik galt, ein Fragment dieses geplanten Reiterbildes sei. Sei dem. wie ihm wolle, zwei Jahre später sehen wir jedenfalls Donatello mit einer ähnlichen Aufgabe für Padua betraut, wo er im Auftrage der Erben des Condottiere Erasmo da Narni dessen An¬ denken in dem so oft gepriesenen Reiterbilde des „Gattamelata" verherrlichte. Neuerdings hat man auf Mängel der Pferdeanatomie in diesem mächtigen Bild¬ werk hingewiesen und seine Bedeutung, die noch Pomponius Gauricus weit über diejenige von Verocchios Colleoni-Standbild in Venedig stellte, bestreikn wollen. Was aber niemand diesen beiden Reiterstatuen — den ersten größern seit der Errichtung des Marc Aurel auf dem Kapitol - abstreiten kann, ist der wahrhaft monumentale Geist, in dem sie aufgefaßt und ausgeführt sind. Bis auf Schlüters Denkmal des Großen Kurfürsten läßt sich ihnen kein Bild¬ werk vorher oder nachher in dieser Beziehung vergleichen. Welchen Ruhm Donatello bei seinen Zeitgenossen durch diesen gewaltigen Bronzeguß errang, erkennen wir daraus, daß man ihn in den nächsten Jahren von Modena aus mit einem ähnlichen Auftrage ehrte, der indes nicht zur Ausführung kam, und in Ferrara sein Gutachten über zwei Reiterbilder des Niccolo Baroncelli und Antonio ti Cristofano einholte. Seine Thätigkeit in Padua, die sich im ganzen auf die Jahre 1444 bis 1453 erstreckte, ist für die Entwicklung der oberitalienischen Plastik von unbe- rechenbarem Einfluß gewesen. Seine Werkstatt füllte sich mit lernbegierigen Schülern, und so sind den» auch die meisten Arbeiten jener Zeit unter der Beihilfe jüngerer Kräfte entstanden. Namentlich bei den Arbeiten im Santo, der Hauptkirche Paduas. lassen sich deutlich verschiedne Hände unterscheiden. Der Schmuck des Hochaltars, mit dem man Donatello beauftragt hatte, ist leider im siebzehnten Jahrhundert in seine einzelnen Teile zerlegt und durch den Dom zerstreut worden. Nach dem Bericht eines Reisenden aus dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts, dessen für die Kunstgeschichte Oberitaliens unschätz¬ bares Tagebuch zuerst von dem venezianischen Bibliothekar Morelli, neuestens von Gustcwo Frizzoni herausgegeben wurde, haben wir uns den mächtigen Freibau etwa so zu denken. daß auf einem mit Bronzereliefs geschmückten Unterbau sich fünf Freistatuen von Heiligen erhoben. Die Reliefs, von ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/135>, abgerufen am 17.09.2024.