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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Donatello.

Recht hervor, welche Schwierigkeiten dies rilisvo sti^oviAto namentlich in Bezug
auf die Zeichnung biete, und rühmt Donatellos Meisterschaft darin. Wie hoch
dieser selbst die zeichnerische Vorbildung für den Bildhauer schätzte, geht aus
einer Anekdote hervor, die uns Pomponius Gauriens erzählt: er pflegte zu
seinen Schülern zu sagen, mit einem Worte wolle er ihnen die ganze Bild¬
hauerkunst beibringen: "Zeichnet! I" Wahrheit ist dies der gesamten Skulptur
Gipfel und Grundlage."*)

Gleichzeitig mit diesen Reliefs schuf er, ebenfalls für den Palast der Medici,
einen David aus Bronze, den wir jetzt im Nationalmuseum aufsuchen müssen.
Zwei Typen verdanken ihm namentlich ihre für lange Zeit giltige Feststellung:
der jugendliche David und der gleichfalls als halbreifer Knabe dargestellte
Johannes der Täufer. Dreimal stellte er den ersteren, weit öfter noch den
Johannesknaben dar. An diesen jugendlichen Gestalten studirte er namentlich
die Durchbildung der nackten Körperformen, die in ihrer Magerkeit und noch
unfertigen Entwicklung ihni unerschöpflich neue Aufgaben boten. Gerade in
dem genannten Bronze-David aus der Og-sa Nsäioi sowie an einem Marmor-
David im Besitz der Familie Martelli lassen sich diese durch die Anschauung
der Antike gereiften Studien beobachten. Nicht nur in Bezug auf die Formen,
sondern anch im Gegenstande nehmen wir diese Anregung durch die Antike in
einem wohl um die gleiche Zeit geschaffenen Bronzemerk des Bargello wahr, das
durch seine phantastische Vermengung verschiedner mythologischen Vorstellungen dem
heutige" Archäologen unwillkürlich ein Kopfschütteln abnötigt. Der sogenannte
kleine Cupido -- er wird auch Merkur genannt -- hat nämlich zu seinen
rechtmäßigen Attributen noch ein Schwänzchen im Rücken, Flügelschnhe an den
Füßen und die bizarre Gemandung eines Attys. In dem Streben, recht viel
antike Gelehrsamkeit anzubringen, ist dieses abenteuerliche, aber in seinem naiven
Ausdruck überaus liebenswürdige Mischgebilde entstanden. Fast möchte mau
einen Besuch des berühmten Archäologen Ciriaeo ti Pizzicvlli, den dieser bei
seiner Durchreise durch Florenz (1437) dem Atelier Donatellos abstattete, mit
diesem Psendo-Cupido in Verbindung bringen, wenn nicht Vasaris böses Beispiel
vor solchem gewagten Pragmatisiren warnte.

Auch die umfangreichen Arbeiten, die Donatello in den folgenden Jahren
für die Sakristei von Sau Lorenzo, dein durch die Stiftungen der Medici so
reich ausgestatteten Prachtbau seines Freundes Brunelleschi, herstellte, verraten,
daß die Einflüsse der antiken Kunst ununterbrochen lebendig blieben. Nicht
nur daß unter den Apostel- und Märtyrergcstalten, mit denen er die Bronze¬
thüren des Sakristeiraumes schmückte, sich die Figur des bärtigen Dionysos
kopirt findet, die schon einen Niccolo Pisano zur Wiederholung gereizt hatte,
auch die Stuckfiguren und Reliefs, besonders aber die Büste des Kirchenheiligen



") Übersetzung von Brvckhnus, S. 129.
Donatello.

Recht hervor, welche Schwierigkeiten dies rilisvo sti^oviAto namentlich in Bezug
auf die Zeichnung biete, und rühmt Donatellos Meisterschaft darin. Wie hoch
dieser selbst die zeichnerische Vorbildung für den Bildhauer schätzte, geht aus
einer Anekdote hervor, die uns Pomponius Gauriens erzählt: er pflegte zu
seinen Schülern zu sagen, mit einem Worte wolle er ihnen die ganze Bild¬
hauerkunst beibringen: „Zeichnet! I» Wahrheit ist dies der gesamten Skulptur
Gipfel und Grundlage."*)

Gleichzeitig mit diesen Reliefs schuf er, ebenfalls für den Palast der Medici,
einen David aus Bronze, den wir jetzt im Nationalmuseum aufsuchen müssen.
Zwei Typen verdanken ihm namentlich ihre für lange Zeit giltige Feststellung:
der jugendliche David und der gleichfalls als halbreifer Knabe dargestellte
Johannes der Täufer. Dreimal stellte er den ersteren, weit öfter noch den
Johannesknaben dar. An diesen jugendlichen Gestalten studirte er namentlich
die Durchbildung der nackten Körperformen, die in ihrer Magerkeit und noch
unfertigen Entwicklung ihni unerschöpflich neue Aufgaben boten. Gerade in
dem genannten Bronze-David aus der Og-sa Nsäioi sowie an einem Marmor-
David im Besitz der Familie Martelli lassen sich diese durch die Anschauung
der Antike gereiften Studien beobachten. Nicht nur in Bezug auf die Formen,
sondern anch im Gegenstande nehmen wir diese Anregung durch die Antike in
einem wohl um die gleiche Zeit geschaffenen Bronzemerk des Bargello wahr, das
durch seine phantastische Vermengung verschiedner mythologischen Vorstellungen dem
heutige» Archäologen unwillkürlich ein Kopfschütteln abnötigt. Der sogenannte
kleine Cupido — er wird auch Merkur genannt — hat nämlich zu seinen
rechtmäßigen Attributen noch ein Schwänzchen im Rücken, Flügelschnhe an den
Füßen und die bizarre Gemandung eines Attys. In dem Streben, recht viel
antike Gelehrsamkeit anzubringen, ist dieses abenteuerliche, aber in seinem naiven
Ausdruck überaus liebenswürdige Mischgebilde entstanden. Fast möchte mau
einen Besuch des berühmten Archäologen Ciriaeo ti Pizzicvlli, den dieser bei
seiner Durchreise durch Florenz (1437) dem Atelier Donatellos abstattete, mit
diesem Psendo-Cupido in Verbindung bringen, wenn nicht Vasaris böses Beispiel
vor solchem gewagten Pragmatisiren warnte.

Auch die umfangreichen Arbeiten, die Donatello in den folgenden Jahren
für die Sakristei von Sau Lorenzo, dein durch die Stiftungen der Medici so
reich ausgestatteten Prachtbau seines Freundes Brunelleschi, herstellte, verraten,
daß die Einflüsse der antiken Kunst ununterbrochen lebendig blieben. Nicht
nur daß unter den Apostel- und Märtyrergcstalten, mit denen er die Bronze¬
thüren des Sakristeiraumes schmückte, sich die Figur des bärtigen Dionysos
kopirt findet, die schon einen Niccolo Pisano zur Wiederholung gereizt hatte,
auch die Stuckfiguren und Reliefs, besonders aber die Büste des Kirchenheiligen



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[0134] Donatello. Recht hervor, welche Schwierigkeiten dies rilisvo sti^oviAto namentlich in Bezug auf die Zeichnung biete, und rühmt Donatellos Meisterschaft darin. Wie hoch dieser selbst die zeichnerische Vorbildung für den Bildhauer schätzte, geht aus einer Anekdote hervor, die uns Pomponius Gauriens erzählt: er pflegte zu seinen Schülern zu sagen, mit einem Worte wolle er ihnen die ganze Bild¬ hauerkunst beibringen: „Zeichnet! I» Wahrheit ist dies der gesamten Skulptur Gipfel und Grundlage."*) Gleichzeitig mit diesen Reliefs schuf er, ebenfalls für den Palast der Medici, einen David aus Bronze, den wir jetzt im Nationalmuseum aufsuchen müssen. Zwei Typen verdanken ihm namentlich ihre für lange Zeit giltige Feststellung: der jugendliche David und der gleichfalls als halbreifer Knabe dargestellte Johannes der Täufer. Dreimal stellte er den ersteren, weit öfter noch den Johannesknaben dar. An diesen jugendlichen Gestalten studirte er namentlich die Durchbildung der nackten Körperformen, die in ihrer Magerkeit und noch unfertigen Entwicklung ihni unerschöpflich neue Aufgaben boten. Gerade in dem genannten Bronze-David aus der Og-sa Nsäioi sowie an einem Marmor- David im Besitz der Familie Martelli lassen sich diese durch die Anschauung der Antike gereiften Studien beobachten. Nicht nur in Bezug auf die Formen, sondern anch im Gegenstande nehmen wir diese Anregung durch die Antike in einem wohl um die gleiche Zeit geschaffenen Bronzemerk des Bargello wahr, das durch seine phantastische Vermengung verschiedner mythologischen Vorstellungen dem heutige» Archäologen unwillkürlich ein Kopfschütteln abnötigt. Der sogenannte kleine Cupido — er wird auch Merkur genannt — hat nämlich zu seinen rechtmäßigen Attributen noch ein Schwänzchen im Rücken, Flügelschnhe an den Füßen und die bizarre Gemandung eines Attys. In dem Streben, recht viel antike Gelehrsamkeit anzubringen, ist dieses abenteuerliche, aber in seinem naiven Ausdruck überaus liebenswürdige Mischgebilde entstanden. Fast möchte mau einen Besuch des berühmten Archäologen Ciriaeo ti Pizzicvlli, den dieser bei seiner Durchreise durch Florenz (1437) dem Atelier Donatellos abstattete, mit diesem Psendo-Cupido in Verbindung bringen, wenn nicht Vasaris böses Beispiel vor solchem gewagten Pragmatisiren warnte. Auch die umfangreichen Arbeiten, die Donatello in den folgenden Jahren für die Sakristei von Sau Lorenzo, dein durch die Stiftungen der Medici so reich ausgestatteten Prachtbau seines Freundes Brunelleschi, herstellte, verraten, daß die Einflüsse der antiken Kunst ununterbrochen lebendig blieben. Nicht nur daß unter den Apostel- und Märtyrergcstalten, mit denen er die Bronze¬ thüren des Sakristeiraumes schmückte, sich die Figur des bärtigen Dionysos kopirt findet, die schon einen Niccolo Pisano zur Wiederholung gereizt hatte, auch die Stuckfiguren und Reliefs, besonders aber die Büste des Kirchenheiligen ") Übersetzung von Brvckhnus, S. 129.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/134>, abgerufen am 17.09.2024.