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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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kleinere Mitteilungen.

Die Bestellung der Pfarräcker mußte altem Herkommen gemäß die Bauern¬
schaft unentgeltlich besorgen. Man nannte dies Spanndienste leisten. Das zur
Pfarrei gehörige Acker- und Wiesenland war nicht unbedeutend. Ein Geist¬
licher, welcher sein gesamtes Feld selbst ertragsfähig hätte bebauen wollen,
würde mehr Landmann als Pastor gewesen sein. Da sich eine gewissenhafte
Amtsführung mit allzu dielen wirtschaftlichen Beschäftigungen schlecht vertragen
hätte, verpachtete der Vater gegen mäßigen Preis etwa zwei Drittel des eben
zugehörigen Landes an sogenannte "Gärtner," wie man die kleinern Landbesitzer
nannte, die sich den sehr ablehnenden, auf ihren alten Besitz stolzen Bauern
nicht gleichstellen konnten. Durch diese Verminderung des zu bewirtschaftenden
Landes konnten im Laufe des Jahres nicht alle Bauern zu den ihnen obliegenden
Spanndiensten herangezogen werden. Von diesen ward dann gelegentlich eme
Gefälligkeit verlangt, die gewöhnlich in dem Gesuche bestand, ein paar gute
Pferde zu einer Spazierfahrt, sei's zu Wagen, sei's zu Schlitten, herzugeben.
Zu diesem schon oft erprobten Auskunftsmittel nahm der Vater auch jetzt seine
Zuflucht. Einer der bedeutendsten Bauern, der noch dazu wißbegierig war und
nichts dagegen hatte, ohne irgend welche Baarcmsgabe ein Stück Welt zu sehen,
spannte gern zwei seiner wohlgenährten Braunen vor. obwohl die unaufschieb¬
bare Reise mitten in die Ernte viel. Den Wagen freilich mußte der Vater
schaffen, und da blieb denn nichts übrig, als unsre gefährliche Staatskarosse
mit den weifenden Rädern und andern kleinen Gebrechen notdürftig von Schmied,
Stellmacher und Sattler ausbessern zu lassen. Das geschah, und wohlgemut
traten wir die Badereise nach Böhmen an.

Wider Erwarten erreichte"! wir Teplitz am Abend des zweiten Reisetages
ohne den geringsten Unfall, und stiegen zunächst in einem Gasthofe ab, den wir
am nächsten Tage bereits mit einer sehr bescheidenen Mietwohnung vertauschten.
Diese lag am Ringe bei einem Bäcker, ein nicht zu unterschätzendes Glück für
uns. wie sich sehr bald zeigen sollte. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.

Nochmals der Sprachverein. Zu den Gegnerstimmen, die sich gegen den
deutschen Sprachverein erhoben haben, gesellt sich in dem neuesten Hefte der Preu¬
ßischen Jahrbücher auch H. Delbrück -- wieder einer aus Universitätskreisen. Es
ist das nicht zu verwundern. Diejenigen beiden Kreise, denen die Bewegung,
welche im Sprachverein zum Ausdruck kommt, am unbequemsten ist, sind die Kreise
der Tagespresse und der Universitätsgelehrsamkeit. Beide haben bisher ungestört
in Fremdwörtern geschwelgt und werden nun plötzlich aus dieser Schwelgerei auf¬
gestört und darauf aufmerksam gemacht, daß nur der kleinste Teil der Fremd¬
wörter, die ihnen bisher so glatt aus Mund und Feder gelaufen sind, -- natürlich


kleinere Mitteilungen.

Die Bestellung der Pfarräcker mußte altem Herkommen gemäß die Bauern¬
schaft unentgeltlich besorgen. Man nannte dies Spanndienste leisten. Das zur
Pfarrei gehörige Acker- und Wiesenland war nicht unbedeutend. Ein Geist¬
licher, welcher sein gesamtes Feld selbst ertragsfähig hätte bebauen wollen,
würde mehr Landmann als Pastor gewesen sein. Da sich eine gewissenhafte
Amtsführung mit allzu dielen wirtschaftlichen Beschäftigungen schlecht vertragen
hätte, verpachtete der Vater gegen mäßigen Preis etwa zwei Drittel des eben
zugehörigen Landes an sogenannte „Gärtner," wie man die kleinern Landbesitzer
nannte, die sich den sehr ablehnenden, auf ihren alten Besitz stolzen Bauern
nicht gleichstellen konnten. Durch diese Verminderung des zu bewirtschaftenden
Landes konnten im Laufe des Jahres nicht alle Bauern zu den ihnen obliegenden
Spanndiensten herangezogen werden. Von diesen ward dann gelegentlich eme
Gefälligkeit verlangt, die gewöhnlich in dem Gesuche bestand, ein paar gute
Pferde zu einer Spazierfahrt, sei's zu Wagen, sei's zu Schlitten, herzugeben.
Zu diesem schon oft erprobten Auskunftsmittel nahm der Vater auch jetzt seine
Zuflucht. Einer der bedeutendsten Bauern, der noch dazu wißbegierig war und
nichts dagegen hatte, ohne irgend welche Baarcmsgabe ein Stück Welt zu sehen,
spannte gern zwei seiner wohlgenährten Braunen vor. obwohl die unaufschieb¬
bare Reise mitten in die Ernte viel. Den Wagen freilich mußte der Vater
schaffen, und da blieb denn nichts übrig, als unsre gefährliche Staatskarosse
mit den weifenden Rädern und andern kleinen Gebrechen notdürftig von Schmied,
Stellmacher und Sattler ausbessern zu lassen. Das geschah, und wohlgemut
traten wir die Badereise nach Böhmen an.

Wider Erwarten erreichte»! wir Teplitz am Abend des zweiten Reisetages
ohne den geringsten Unfall, und stiegen zunächst in einem Gasthofe ab, den wir
am nächsten Tage bereits mit einer sehr bescheidenen Mietwohnung vertauschten.
Diese lag am Ringe bei einem Bäcker, ein nicht zu unterschätzendes Glück für
uns. wie sich sehr bald zeigen sollte. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.

Nochmals der Sprachverein. Zu den Gegnerstimmen, die sich gegen den
deutschen Sprachverein erhoben haben, gesellt sich in dem neuesten Hefte der Preu¬
ßischen Jahrbücher auch H. Delbrück — wieder einer aus Universitätskreisen. Es
ist das nicht zu verwundern. Diejenigen beiden Kreise, denen die Bewegung,
welche im Sprachverein zum Ausdruck kommt, am unbequemsten ist, sind die Kreise
der Tagespresse und der Universitätsgelehrsamkeit. Beide haben bisher ungestört
in Fremdwörtern geschwelgt und werden nun plötzlich aus dieser Schwelgerei auf¬
gestört und darauf aufmerksam gemacht, daß nur der kleinste Teil der Fremd¬
wörter, die ihnen bisher so glatt aus Mund und Feder gelaufen sind, — natürlich


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[0103] kleinere Mitteilungen. Die Bestellung der Pfarräcker mußte altem Herkommen gemäß die Bauern¬ schaft unentgeltlich besorgen. Man nannte dies Spanndienste leisten. Das zur Pfarrei gehörige Acker- und Wiesenland war nicht unbedeutend. Ein Geist¬ licher, welcher sein gesamtes Feld selbst ertragsfähig hätte bebauen wollen, würde mehr Landmann als Pastor gewesen sein. Da sich eine gewissenhafte Amtsführung mit allzu dielen wirtschaftlichen Beschäftigungen schlecht vertragen hätte, verpachtete der Vater gegen mäßigen Preis etwa zwei Drittel des eben zugehörigen Landes an sogenannte „Gärtner," wie man die kleinern Landbesitzer nannte, die sich den sehr ablehnenden, auf ihren alten Besitz stolzen Bauern nicht gleichstellen konnten. Durch diese Verminderung des zu bewirtschaftenden Landes konnten im Laufe des Jahres nicht alle Bauern zu den ihnen obliegenden Spanndiensten herangezogen werden. Von diesen ward dann gelegentlich eme Gefälligkeit verlangt, die gewöhnlich in dem Gesuche bestand, ein paar gute Pferde zu einer Spazierfahrt, sei's zu Wagen, sei's zu Schlitten, herzugeben. Zu diesem schon oft erprobten Auskunftsmittel nahm der Vater auch jetzt seine Zuflucht. Einer der bedeutendsten Bauern, der noch dazu wißbegierig war und nichts dagegen hatte, ohne irgend welche Baarcmsgabe ein Stück Welt zu sehen, spannte gern zwei seiner wohlgenährten Braunen vor. obwohl die unaufschieb¬ bare Reise mitten in die Ernte viel. Den Wagen freilich mußte der Vater schaffen, und da blieb denn nichts übrig, als unsre gefährliche Staatskarosse mit den weifenden Rädern und andern kleinen Gebrechen notdürftig von Schmied, Stellmacher und Sattler ausbessern zu lassen. Das geschah, und wohlgemut traten wir die Badereise nach Böhmen an. Wider Erwarten erreichte»! wir Teplitz am Abend des zweiten Reisetages ohne den geringsten Unfall, und stiegen zunächst in einem Gasthofe ab, den wir am nächsten Tage bereits mit einer sehr bescheidenen Mietwohnung vertauschten. Diese lag am Ringe bei einem Bäcker, ein nicht zu unterschätzendes Glück für uns. wie sich sehr bald zeigen sollte. (Fortsetzung folgt.) Kleinere Mitteilungen. Nochmals der Sprachverein. Zu den Gegnerstimmen, die sich gegen den deutschen Sprachverein erhoben haben, gesellt sich in dem neuesten Hefte der Preu¬ ßischen Jahrbücher auch H. Delbrück — wieder einer aus Universitätskreisen. Es ist das nicht zu verwundern. Diejenigen beiden Kreise, denen die Bewegung, welche im Sprachverein zum Ausdruck kommt, am unbequemsten ist, sind die Kreise der Tagespresse und der Universitätsgelehrsamkeit. Beide haben bisher ungestört in Fremdwörtern geschwelgt und werden nun plötzlich aus dieser Schwelgerei auf¬ gestört und darauf aufmerksam gemacht, daß nur der kleinste Teil der Fremd¬ wörter, die ihnen bisher so glatt aus Mund und Feder gelaufen sind, — natürlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/103>, abgerufen am 17.09.2024.