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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Aarl Friedrich Bahrdt.

handle ebenso schändlich, wie diejenigen handelten, welche sie ehedem den Pro¬
testanten verweigerten. Mit dem Edikt werde die Epoche Friedrich Wilhelms,
dessen Thron "Geisterseher und Heuchler" umlagerten, geradezu geschändet, weil
dadurch der "alte Mist, der so lange die Welt angestunken, von neuem privi-
legirt" werde. Auch ein paar ziemlich ungeschickt gebaute Volksszenen führt
der Verfasser vor, um auch Stimmen des gemeinen Mannes über das Edikt
zu verzeichnen. Während Meister Bügeleisen es als die Hauptperle in der
preußischen Krone bewundert, fährt Meister Kamin auf: "Eine schöne Perle!
nun sollen wir gemeinen Leute mit aller Gewalt wieder dumm werden." Und
ein andrer: "Das wird eine schöne Religion im Lande werden, die uns die
Prediger auf Befehl und bei Strafe der Kassation lehren müssen." Ausdrücklich
stehe im Edikt, die Prediger möchten in ihrem Herzen glauben, was sie wollten,
sie sollten nur öffentlich nach der Norm lehren. "Bei Gott! da brauchte der
König nur Maschinen mit Priesterröckcn machen zu lassen, die nach der Nvrmn
schwatzen könnten, wie die Maschinen, die nach der Norma Schach spielen, so
brauchten wir keine Priester mehr zu besolden."

Diese maßlosen persönlichen Verunglimpfungen mußten in Berlin böses
Blut machen, und Wollmar war nicht der Mann, der in solchen Dingen mit
sich spaßen ließ. Hatte doch der König erst unlängst eine Kritik des Ediktes,
die einen Hamburger, I)r. Würtzer, zum Verfasser hatte, höchst ungnädig auf¬
genommen und verlangt, daß "an der unverschämten Verwegenheit und dem
Mutwillen, mit welchem dieser Mensch solcher unbefugten Kritik eines Landes¬
gesetzes sich anmaßt, ein Exempel statuirt werde." Über den Verfasser des Lust¬
spiels war man nicht lange im Zweifel, und so erging schon am 2. April 1789
an den Großkanzler von Carmer die königliche Kabinetsordre: "Da der be¬
rüchtigte I)r. Bahrdt zu Halle nicht aufhöre, allerlei ungebührliche Schriften
wider das Christentum und vornehmlich unanständige Sachen gegen das Neli-
gionsedikt drucken zu lassen, dabei aber geheime Korrespondenzen sichren solle,
ergehe der Allerhöchste Befehl, sich sogleich desselben Person und Papiere zu
versichern, die strengste fiskalische Untersuchung anzustellen und nach Befinden
der Sache darin rechtlich erkennen zu lassen." Jene geheime und verdächtige
Korrespondenz bezog sich auf Bahrdts Bestrebungen für die deutsche Union, eine
Art maurerischen Geheimbundes der Aufklärer, welcher nach dem Programm "Fa¬
natismus und Despotismus" zu bekämpfen bestimmt war. Bahrdt wurde am
7. April verhaftet und nach langwierigen Untersuchungen zu zwei Jahren
Festungsarrest und in die Kosten verurteilt. Ein Jahr wurde ihm durch könig¬
liche Gnade erlassen. Am Abend des 5. November 1789 traf er in Magdeburg
ein, um hier seine Strafe zu verbüßen. Sowohl der Gouverneur, der General
von Kalckstein, als auch der Platzmajor, der Hauptmann von Sander, kamen
ihm mit großem Wohlwollen entgegen; Magdeburger Bürger hatten ihm sein
Zimmer in der Zitadelle eingerichtet; er hatte eigne Bedienung und eigne Küche.


Aarl Friedrich Bahrdt.

handle ebenso schändlich, wie diejenigen handelten, welche sie ehedem den Pro¬
testanten verweigerten. Mit dem Edikt werde die Epoche Friedrich Wilhelms,
dessen Thron „Geisterseher und Heuchler" umlagerten, geradezu geschändet, weil
dadurch der „alte Mist, der so lange die Welt angestunken, von neuem privi-
legirt" werde. Auch ein paar ziemlich ungeschickt gebaute Volksszenen führt
der Verfasser vor, um auch Stimmen des gemeinen Mannes über das Edikt
zu verzeichnen. Während Meister Bügeleisen es als die Hauptperle in der
preußischen Krone bewundert, fährt Meister Kamin auf: „Eine schöne Perle!
nun sollen wir gemeinen Leute mit aller Gewalt wieder dumm werden." Und
ein andrer: „Das wird eine schöne Religion im Lande werden, die uns die
Prediger auf Befehl und bei Strafe der Kassation lehren müssen." Ausdrücklich
stehe im Edikt, die Prediger möchten in ihrem Herzen glauben, was sie wollten,
sie sollten nur öffentlich nach der Norm lehren. „Bei Gott! da brauchte der
König nur Maschinen mit Priesterröckcn machen zu lassen, die nach der Nvrmn
schwatzen könnten, wie die Maschinen, die nach der Norma Schach spielen, so
brauchten wir keine Priester mehr zu besolden."

Diese maßlosen persönlichen Verunglimpfungen mußten in Berlin böses
Blut machen, und Wollmar war nicht der Mann, der in solchen Dingen mit
sich spaßen ließ. Hatte doch der König erst unlängst eine Kritik des Ediktes,
die einen Hamburger, I)r. Würtzer, zum Verfasser hatte, höchst ungnädig auf¬
genommen und verlangt, daß „an der unverschämten Verwegenheit und dem
Mutwillen, mit welchem dieser Mensch solcher unbefugten Kritik eines Landes¬
gesetzes sich anmaßt, ein Exempel statuirt werde." Über den Verfasser des Lust¬
spiels war man nicht lange im Zweifel, und so erging schon am 2. April 1789
an den Großkanzler von Carmer die königliche Kabinetsordre: „Da der be¬
rüchtigte I)r. Bahrdt zu Halle nicht aufhöre, allerlei ungebührliche Schriften
wider das Christentum und vornehmlich unanständige Sachen gegen das Neli-
gionsedikt drucken zu lassen, dabei aber geheime Korrespondenzen sichren solle,
ergehe der Allerhöchste Befehl, sich sogleich desselben Person und Papiere zu
versichern, die strengste fiskalische Untersuchung anzustellen und nach Befinden
der Sache darin rechtlich erkennen zu lassen." Jene geheime und verdächtige
Korrespondenz bezog sich auf Bahrdts Bestrebungen für die deutsche Union, eine
Art maurerischen Geheimbundes der Aufklärer, welcher nach dem Programm „Fa¬
natismus und Despotismus" zu bekämpfen bestimmt war. Bahrdt wurde am
7. April verhaftet und nach langwierigen Untersuchungen zu zwei Jahren
Festungsarrest und in die Kosten verurteilt. Ein Jahr wurde ihm durch könig¬
liche Gnade erlassen. Am Abend des 5. November 1789 traf er in Magdeburg
ein, um hier seine Strafe zu verbüßen. Sowohl der Gouverneur, der General
von Kalckstein, als auch der Platzmajor, der Hauptmann von Sander, kamen
ihm mit großem Wohlwollen entgegen; Magdeburger Bürger hatten ihm sein
Zimmer in der Zitadelle eingerichtet; er hatte eigne Bedienung und eigne Küche.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/86>, abgerufen am 01.07.2024.