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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Der Rheinbund.

wurde in den sogenannten Nezeptionsakten ihr Kontingent besonders zugeteilt.
Durch Art. 37 übernahm Baiern noch besondre Kriegsleistuugen. Im Jahre
1811 wurde die Streitmacht, die der Rheinbund für die Kriege seines Protektors
zu stellen hatte, auf 119180 Mann berechnet. Das Geld zur Unterhaltung
dieser Truppen mußte beschafft werden, es mochte gehen, wie es wollte, dafür
sorgte der Protektor schon. Woher die einzelnen Staaten es nahmen, das
war ihre Sache, wie überhaupt auch in allen andern Angelegenheiten die Bundes¬
fürsten thun und lassen konnten, was Willkür und Lanne ihnen eingab. Daher
faßt denn auch ein Spottvers der damaligen Zeit, der zwar auf poetischen Wert
nicht viel Anspruch hat, aber kurz und wahr ist, das gesamte Staatsrecht des
Rheinbundes in folgenden zwei Zeilen zusammen:


Gebt Geld und Soldaten, wie ihr sollt,
Thut übrigens zu Hause, was ihr wollt.

Man sieht, dieses Staatsrecht war höchst einfach, klar und faßlich. Mit
"Reich und Kaiserprunk" war es gründlich zu Ende. Zwar machte Napoleon
auch Ansprüche darauf, der Trüger der alten Krone Karls des Großen zu sein,
den er gern als: Mirs trof 8ud1imo xrvävoössöur g. l'siuxirö bezeichnete; zwar
führte sein Sohn ebenso gut den Titel Roi as Roms, wie im alten Reiche
der erwählte Nachfolger des Kaisers Römischer König hieß. Aber jene Ansprüche
auf die occidentalische Kaiserwürde wurden in ganz andrer Weise begründet;
mit dem Rheinbunde hatten sie nichts zu thun.

Ebenso war auch mit allen Einrichtungen, Behörden, Gerichten u. s. w. des
heiligen Reiches ziemlich gründlich tabula, rasa, gemacht, sodaß kaum noch eine Spur
davon zu finden war. Einige alte Schulden aus dem letzten Reichskriege waren
allerdings übrig geblieben und beschäftigten später noch den deutschen Bundestag.
Alles, was sonst für das Reich charakteristisch gewesen war, war in die Rumpel¬
kammer geworfen worden, und bei dem mangelnden geschichtlichen Sinne des da¬
maligen Geschlechts gab es überhaupt nur wenige, welche es für der Mühe wert
hielten, sich damit bekannt zu machen. An den alten Reichstag erinnerte höchstens
die Einteilung des Bundestages in die beiden Kollegien, das der Könige und das
der Fürsten. Der Knrerzkanzler sollte die beiden Ämter des vormaligen kaiser¬
lichen Prinzipalkommissarius und des Direktorialgesandten in sich vereinigen,
Von irgend welcher thatsächlichen Bedeutung war das jedoch nicht. Aber trotzdem
daß eigentlich alles fehlte, was sonst das Wesen eines Bundesstaates ausmacht,
trotz dieser großen Einfachheit, vielleicht auch gerade wegen ihr, arbeitete die
Maschine vorzüglich. Der Protektor, der "große Alliirte," erreichte ohne Mühe
von seinen schwächeren Verbündeten alles, während die vormaligen Kaiser, trotz
des altüberlieferten Nimbus, der ihr Haupt und ihre Krone umstrahlte, eigentlich
nie etwas erreichten.

Es lohnt der Mühe, dieser eigentümlichen und auffallenden Erscheinung
einige Worte zu widmen und sich die Frage vorzulegen, wie es möglich war,


Der Rheinbund.

wurde in den sogenannten Nezeptionsakten ihr Kontingent besonders zugeteilt.
Durch Art. 37 übernahm Baiern noch besondre Kriegsleistuugen. Im Jahre
1811 wurde die Streitmacht, die der Rheinbund für die Kriege seines Protektors
zu stellen hatte, auf 119180 Mann berechnet. Das Geld zur Unterhaltung
dieser Truppen mußte beschafft werden, es mochte gehen, wie es wollte, dafür
sorgte der Protektor schon. Woher die einzelnen Staaten es nahmen, das
war ihre Sache, wie überhaupt auch in allen andern Angelegenheiten die Bundes¬
fürsten thun und lassen konnten, was Willkür und Lanne ihnen eingab. Daher
faßt denn auch ein Spottvers der damaligen Zeit, der zwar auf poetischen Wert
nicht viel Anspruch hat, aber kurz und wahr ist, das gesamte Staatsrecht des
Rheinbundes in folgenden zwei Zeilen zusammen:


Gebt Geld und Soldaten, wie ihr sollt,
Thut übrigens zu Hause, was ihr wollt.

Man sieht, dieses Staatsrecht war höchst einfach, klar und faßlich. Mit
„Reich und Kaiserprunk" war es gründlich zu Ende. Zwar machte Napoleon
auch Ansprüche darauf, der Trüger der alten Krone Karls des Großen zu sein,
den er gern als: Mirs trof 8ud1imo xrvävoössöur g. l'siuxirö bezeichnete; zwar
führte sein Sohn ebenso gut den Titel Roi as Roms, wie im alten Reiche
der erwählte Nachfolger des Kaisers Römischer König hieß. Aber jene Ansprüche
auf die occidentalische Kaiserwürde wurden in ganz andrer Weise begründet;
mit dem Rheinbunde hatten sie nichts zu thun.

Ebenso war auch mit allen Einrichtungen, Behörden, Gerichten u. s. w. des
heiligen Reiches ziemlich gründlich tabula, rasa, gemacht, sodaß kaum noch eine Spur
davon zu finden war. Einige alte Schulden aus dem letzten Reichskriege waren
allerdings übrig geblieben und beschäftigten später noch den deutschen Bundestag.
Alles, was sonst für das Reich charakteristisch gewesen war, war in die Rumpel¬
kammer geworfen worden, und bei dem mangelnden geschichtlichen Sinne des da¬
maligen Geschlechts gab es überhaupt nur wenige, welche es für der Mühe wert
hielten, sich damit bekannt zu machen. An den alten Reichstag erinnerte höchstens
die Einteilung des Bundestages in die beiden Kollegien, das der Könige und das
der Fürsten. Der Knrerzkanzler sollte die beiden Ämter des vormaligen kaiser¬
lichen Prinzipalkommissarius und des Direktorialgesandten in sich vereinigen,
Von irgend welcher thatsächlichen Bedeutung war das jedoch nicht. Aber trotzdem
daß eigentlich alles fehlte, was sonst das Wesen eines Bundesstaates ausmacht,
trotz dieser großen Einfachheit, vielleicht auch gerade wegen ihr, arbeitete die
Maschine vorzüglich. Der Protektor, der „große Alliirte," erreichte ohne Mühe
von seinen schwächeren Verbündeten alles, während die vormaligen Kaiser, trotz
des altüberlieferten Nimbus, der ihr Haupt und ihre Krone umstrahlte, eigentlich
nie etwas erreichten.

Es lohnt der Mühe, dieser eigentümlichen und auffallenden Erscheinung
einige Worte zu widmen und sich die Frage vorzulegen, wie es möglich war,


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[0631] Der Rheinbund. wurde in den sogenannten Nezeptionsakten ihr Kontingent besonders zugeteilt. Durch Art. 37 übernahm Baiern noch besondre Kriegsleistuugen. Im Jahre 1811 wurde die Streitmacht, die der Rheinbund für die Kriege seines Protektors zu stellen hatte, auf 119180 Mann berechnet. Das Geld zur Unterhaltung dieser Truppen mußte beschafft werden, es mochte gehen, wie es wollte, dafür sorgte der Protektor schon. Woher die einzelnen Staaten es nahmen, das war ihre Sache, wie überhaupt auch in allen andern Angelegenheiten die Bundes¬ fürsten thun und lassen konnten, was Willkür und Lanne ihnen eingab. Daher faßt denn auch ein Spottvers der damaligen Zeit, der zwar auf poetischen Wert nicht viel Anspruch hat, aber kurz und wahr ist, das gesamte Staatsrecht des Rheinbundes in folgenden zwei Zeilen zusammen: Gebt Geld und Soldaten, wie ihr sollt, Thut übrigens zu Hause, was ihr wollt. Man sieht, dieses Staatsrecht war höchst einfach, klar und faßlich. Mit „Reich und Kaiserprunk" war es gründlich zu Ende. Zwar machte Napoleon auch Ansprüche darauf, der Trüger der alten Krone Karls des Großen zu sein, den er gern als: Mirs trof 8ud1imo xrvävoössöur g. l'siuxirö bezeichnete; zwar führte sein Sohn ebenso gut den Titel Roi as Roms, wie im alten Reiche der erwählte Nachfolger des Kaisers Römischer König hieß. Aber jene Ansprüche auf die occidentalische Kaiserwürde wurden in ganz andrer Weise begründet; mit dem Rheinbunde hatten sie nichts zu thun. Ebenso war auch mit allen Einrichtungen, Behörden, Gerichten u. s. w. des heiligen Reiches ziemlich gründlich tabula, rasa, gemacht, sodaß kaum noch eine Spur davon zu finden war. Einige alte Schulden aus dem letzten Reichskriege waren allerdings übrig geblieben und beschäftigten später noch den deutschen Bundestag. Alles, was sonst für das Reich charakteristisch gewesen war, war in die Rumpel¬ kammer geworfen worden, und bei dem mangelnden geschichtlichen Sinne des da¬ maligen Geschlechts gab es überhaupt nur wenige, welche es für der Mühe wert hielten, sich damit bekannt zu machen. An den alten Reichstag erinnerte höchstens die Einteilung des Bundestages in die beiden Kollegien, das der Könige und das der Fürsten. Der Knrerzkanzler sollte die beiden Ämter des vormaligen kaiser¬ lichen Prinzipalkommissarius und des Direktorialgesandten in sich vereinigen, Von irgend welcher thatsächlichen Bedeutung war das jedoch nicht. Aber trotzdem daß eigentlich alles fehlte, was sonst das Wesen eines Bundesstaates ausmacht, trotz dieser großen Einfachheit, vielleicht auch gerade wegen ihr, arbeitete die Maschine vorzüglich. Der Protektor, der „große Alliirte," erreichte ohne Mühe von seinen schwächeren Verbündeten alles, während die vormaligen Kaiser, trotz des altüberlieferten Nimbus, der ihr Haupt und ihre Krone umstrahlte, eigentlich nie etwas erreichten. Es lohnt der Mühe, dieser eigentümlichen und auffallenden Erscheinung einige Worte zu widmen und sich die Frage vorzulegen, wie es möglich war,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/631>, abgerufen am 23.07.2024.