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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Nach der Entscheidung in Paris,

Dauer der Präsidentschaftskrisis, durch welche gewisse Kandidaturen schon vor
der Wahl abgenutzt wurden -- alles das hat viel zum Siege eiues Konkurrenten
beigetragen, der umso weniger Haß und Eifersucht erweckte, je tiefer er im Hinter¬
gründe stand." Die NexuMaus Vrg.nhg.ise begrüßte den Erwählten des Kon¬
gresses mit folgenden Worten: "Sadi Carnot ist ebensowenig der Präsident der
radikalen Linken (die ihn in Anspruch genommen hatte, weil sie bei dem Wahlakte
einmütig für ihn ins Zeug gegangen war) als der republikanischen Union oder
der republikanischen Linken; er ist der Wächter der republikanischen Verfassung,
und nach den schrecklichen Sturmläufen, welche die Exekutivgewalt in den letzten
Wochen auszuhalten hatte, kann ein Republikaner, der dieses Namens würdig
ist, keine andern Gedanken und keine andre Sorge habe, als die erste Beamten-
stellnng im Staate wieder zu befestigen." Clemenceau zündete in seiner düstres
den Radikalen und damit sich selbst ein Weihrauchopser an, indem er sich ver¬
nehmen ließ: "Der Boden ist rein gefegt von den Unternehmungen und Ränken
einer Handvoll von Leuten mit persönlichen Interessen. Wollten doch die Re¬
publikaner fortan die Notwendigkeit begreifen, sich in gemeinsamer Anstrengung
zu Reformen zu einigen. Wenigstens die Radikalen haben ihre Schuldigkeit
gethan. Sie haben zweimal den Interessen des Landes mit vollkommener Nicht¬
beachtung ihrer persönlichen Interessen gedient." Im Dithyrambenstil verherr¬
licht der Rgxpöl, wie es dem Organe des Hauses Viktor Hugos geziemt,
die Wahl Camoes folgendermaßen: "Sie bedeutet Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit,
Unbestechlichkeit. Sie bedeutet auch Frieden. Sobald sie bekannt wurde, ver¬
breitete sich über Paris Ruhe. Die Aufregung, welche der unerhörte Scherz
seines Vorgängers gegenüber dem Parlamente und dem Lande am Tage vorher
hervorgerufen hatte, der Scherz, daß der Präsident ersteren ein Stelldichein
vorschlug, um ihm zu sagen, daß er ihm nichts zu sagen habe, hörte
plötzlich auf, und die Welt that einen tiefen Seufzer der Erleichterung. Das
Ergebnis der endgiltigen Abstimmung wurde mit dem unermeßlichen Rufe: Es
lebe die Republik! bewillkommnet. Diese von allen Republikanern und von den
Republikanern allein getroffene Wahl wird nicht nur die lebendige, die fort¬
lebende Republik, sondern die genehme, die gesunder gewordene, die gestärkte
Republik sein." Die I^nec-ruf jubelt nicht so und freut sich mit Vorbehalt
und etwas säuerlicher Miene, indem sie bemerkt: "Gewiß hätten wir für die
Präsidentschaft unsers Gemeinwesens einen Mann von größerer Vekanntheit
vorgezogen und einen solchen, welcher der radikalen Partei näher stünde. Mit
tiefem Bedauern haben wir die Kandidatur Floquet verschwinden sehen. Aber
Herr Carnot kann gerade wegen seiner neutralen Natur ein ganz annehmbarer
Präsident sein. Nach Grevy, der zuviel regierte ^wirklich? wir meinten zu
wenige und zu oft ans der ihm von der Verfassung zugewiesenen Rolle heraus¬
trat, thut es not, daß im Elysöe -- da die Verfassung nun einmal einen Präsi¬
denten verlangt -- ein Mann sitzt, welcher sich an seiner Stelle zu halten, in


Nach der Entscheidung in Paris,

Dauer der Präsidentschaftskrisis, durch welche gewisse Kandidaturen schon vor
der Wahl abgenutzt wurden — alles das hat viel zum Siege eiues Konkurrenten
beigetragen, der umso weniger Haß und Eifersucht erweckte, je tiefer er im Hinter¬
gründe stand." Die NexuMaus Vrg.nhg.ise begrüßte den Erwählten des Kon¬
gresses mit folgenden Worten: „Sadi Carnot ist ebensowenig der Präsident der
radikalen Linken (die ihn in Anspruch genommen hatte, weil sie bei dem Wahlakte
einmütig für ihn ins Zeug gegangen war) als der republikanischen Union oder
der republikanischen Linken; er ist der Wächter der republikanischen Verfassung,
und nach den schrecklichen Sturmläufen, welche die Exekutivgewalt in den letzten
Wochen auszuhalten hatte, kann ein Republikaner, der dieses Namens würdig
ist, keine andern Gedanken und keine andre Sorge habe, als die erste Beamten-
stellnng im Staate wieder zu befestigen." Clemenceau zündete in seiner düstres
den Radikalen und damit sich selbst ein Weihrauchopser an, indem er sich ver¬
nehmen ließ: „Der Boden ist rein gefegt von den Unternehmungen und Ränken
einer Handvoll von Leuten mit persönlichen Interessen. Wollten doch die Re¬
publikaner fortan die Notwendigkeit begreifen, sich in gemeinsamer Anstrengung
zu Reformen zu einigen. Wenigstens die Radikalen haben ihre Schuldigkeit
gethan. Sie haben zweimal den Interessen des Landes mit vollkommener Nicht¬
beachtung ihrer persönlichen Interessen gedient." Im Dithyrambenstil verherr¬
licht der Rgxpöl, wie es dem Organe des Hauses Viktor Hugos geziemt,
die Wahl Camoes folgendermaßen: „Sie bedeutet Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit,
Unbestechlichkeit. Sie bedeutet auch Frieden. Sobald sie bekannt wurde, ver¬
breitete sich über Paris Ruhe. Die Aufregung, welche der unerhörte Scherz
seines Vorgängers gegenüber dem Parlamente und dem Lande am Tage vorher
hervorgerufen hatte, der Scherz, daß der Präsident ersteren ein Stelldichein
vorschlug, um ihm zu sagen, daß er ihm nichts zu sagen habe, hörte
plötzlich auf, und die Welt that einen tiefen Seufzer der Erleichterung. Das
Ergebnis der endgiltigen Abstimmung wurde mit dem unermeßlichen Rufe: Es
lebe die Republik! bewillkommnet. Diese von allen Republikanern und von den
Republikanern allein getroffene Wahl wird nicht nur die lebendige, die fort¬
lebende Republik, sondern die genehme, die gesunder gewordene, die gestärkte
Republik sein." Die I^nec-ruf jubelt nicht so und freut sich mit Vorbehalt
und etwas säuerlicher Miene, indem sie bemerkt: „Gewiß hätten wir für die
Präsidentschaft unsers Gemeinwesens einen Mann von größerer Vekanntheit
vorgezogen und einen solchen, welcher der radikalen Partei näher stünde. Mit
tiefem Bedauern haben wir die Kandidatur Floquet verschwinden sehen. Aber
Herr Carnot kann gerade wegen seiner neutralen Natur ein ganz annehmbarer
Präsident sein. Nach Grevy, der zuviel regierte ^wirklich? wir meinten zu
wenige und zu oft ans der ihm von der Verfassung zugewiesenen Rolle heraus¬
trat, thut es not, daß im Elysöe — da die Verfassung nun einmal einen Präsi¬
denten verlangt — ein Mann sitzt, welcher sich an seiner Stelle zu halten, in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/576>, abgerufen am 22.07.2024.