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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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vom deutschen Buchhandel.

Handel, wie er im Provinzialsortiment vorhanden ist, notwendiger und nützlicher
ist, als in irgend einem andern Geschäftszweige, ahnt es wenig.

Hier ist ein Vergleich mit den Zuständen im Auslande lehrreich. England
besitzt keinen leistungsfähigen Provinzialbuchhandel, ja der englische Sortiments¬
buchhandel in der Hauptstadt London ist höchst mangelhaft. Eine glänzende
Ausnahme machen nur die großen, meist von Deutschen geleiteten und im
allgemeinen nach deutscher Art betriebenen Sortimente, sie sind aber in erster
Linie dem Vertriebe ausländischer (deutscher, französischer u. s. w.) Bücher ge¬
widmet. Der englische Sortimenter ist ein Krämer, der nur Bücher, welche
wie Zucker, Kaffee u. s. w. zu den täglichen Bedürfnissen der großen Masse
gehören, verkauft. Diese kauft er in großen Partien mit sehr hohem Rabatt
ein, und verkauft sie mit mäßigem Gewinn. Andre Waare führt er einfach nicht,
und will ein Kunde ein vielleicht vor einigen Jahren erschienenes, weniger be¬
kanntes Buch bestellen, so erhält er regelmäßig zur Autwort: liavs not Zol
it, ist nicht vorrätig. Die Mühe der Besorgung nimmt sich der Buchhändler
nur in seltenen Fällen, ja er wird selten überhaupt geneigt oder imstande sein,
den Verleger zu ermitteln. Selbst von dem letzteren ist aber ein älteres Verlags¬
werk nicht mehr zu bekommen, da es im allgemeinen Sitte ist, einige Jahre
nach Erscheinen eines Werkes den Restvorrat billig an einen Antiquar loszu¬
schlagen. Diese Sitte ist zum großen Teil auch eine Folge davon, daß sich der
englische Sortimentsbuchhandel, so weit er überhaupt besteht, nur um neue "ku¬
rante" Ware kümmert. Wie würde etwas ähnliches unsern deutschen Lesern ge¬
fallen?

Die Mangelhaftigkeit des englischen Sortimentsbuchhandels zwingt ferner
den englischen Verleger, wahre Unsummen Geldes für Anzeigen in Zeitschriften,
für Reklamen u. dergl. auszugeben, da er keine Möglichkeit sieht, seine Bücher
auf andre Weise bekannt zu macheu. Diese Kosten, welche sich oft auf ein
Viertel und mehr der Gesamtherstellungskosten eines Buches belaufen, muß der
Verleger selbstverständlich auf den Preis des Buches schlagen. Es giebt ja
eine Reihe von Büchern, die ein sehr großes Publikum haben, und für deren
Vertrieb Inserate außerordentlich förderlich sind. Bei wissenschaftlichen Werken
aber und bei zahllosen andern Arten von Büchern stehen die für Inserate auszu¬
gebenden Summen in gar keinem Verhältnis zu dem dadurch erreichten Absatz.
Ja bei vielen Werken ist mit Anzeigen überhaupt kein Absatz zu erzielen. Das
Publikum übersieht die Anzeige, mißtraut der Empfehlung des Verlegers, oder
die Anzeige kommt gar nicht in die geeigneten Hände u. s. w.

Dagegen stehen dem deutschen Verleger viel billigere Kräfte zum Vertrieb
seiner Werke in den weit verzweigten, wohlgeschulten Sortimentsbuchhandel
zur Verfügung, er braucht nicht annähernd so große Beträge, wie der aus¬
ländische Verleger, für Bücheranzeigen auszugeben. Diese Ersparnis an Ver¬
triebskosten, welche den dem Sortimentcr in Deutschland und auch im Auslande


vom deutschen Buchhandel.

Handel, wie er im Provinzialsortiment vorhanden ist, notwendiger und nützlicher
ist, als in irgend einem andern Geschäftszweige, ahnt es wenig.

Hier ist ein Vergleich mit den Zuständen im Auslande lehrreich. England
besitzt keinen leistungsfähigen Provinzialbuchhandel, ja der englische Sortiments¬
buchhandel in der Hauptstadt London ist höchst mangelhaft. Eine glänzende
Ausnahme machen nur die großen, meist von Deutschen geleiteten und im
allgemeinen nach deutscher Art betriebenen Sortimente, sie sind aber in erster
Linie dem Vertriebe ausländischer (deutscher, französischer u. s. w.) Bücher ge¬
widmet. Der englische Sortimenter ist ein Krämer, der nur Bücher, welche
wie Zucker, Kaffee u. s. w. zu den täglichen Bedürfnissen der großen Masse
gehören, verkauft. Diese kauft er in großen Partien mit sehr hohem Rabatt
ein, und verkauft sie mit mäßigem Gewinn. Andre Waare führt er einfach nicht,
und will ein Kunde ein vielleicht vor einigen Jahren erschienenes, weniger be¬
kanntes Buch bestellen, so erhält er regelmäßig zur Autwort: liavs not Zol
it, ist nicht vorrätig. Die Mühe der Besorgung nimmt sich der Buchhändler
nur in seltenen Fällen, ja er wird selten überhaupt geneigt oder imstande sein,
den Verleger zu ermitteln. Selbst von dem letzteren ist aber ein älteres Verlags¬
werk nicht mehr zu bekommen, da es im allgemeinen Sitte ist, einige Jahre
nach Erscheinen eines Werkes den Restvorrat billig an einen Antiquar loszu¬
schlagen. Diese Sitte ist zum großen Teil auch eine Folge davon, daß sich der
englische Sortimentsbuchhandel, so weit er überhaupt besteht, nur um neue „ku¬
rante" Ware kümmert. Wie würde etwas ähnliches unsern deutschen Lesern ge¬
fallen?

Die Mangelhaftigkeit des englischen Sortimentsbuchhandels zwingt ferner
den englischen Verleger, wahre Unsummen Geldes für Anzeigen in Zeitschriften,
für Reklamen u. dergl. auszugeben, da er keine Möglichkeit sieht, seine Bücher
auf andre Weise bekannt zu macheu. Diese Kosten, welche sich oft auf ein
Viertel und mehr der Gesamtherstellungskosten eines Buches belaufen, muß der
Verleger selbstverständlich auf den Preis des Buches schlagen. Es giebt ja
eine Reihe von Büchern, die ein sehr großes Publikum haben, und für deren
Vertrieb Inserate außerordentlich förderlich sind. Bei wissenschaftlichen Werken
aber und bei zahllosen andern Arten von Büchern stehen die für Inserate auszu¬
gebenden Summen in gar keinem Verhältnis zu dem dadurch erreichten Absatz.
Ja bei vielen Werken ist mit Anzeigen überhaupt kein Absatz zu erzielen. Das
Publikum übersieht die Anzeige, mißtraut der Empfehlung des Verlegers, oder
die Anzeige kommt gar nicht in die geeigneten Hände u. s. w.

Dagegen stehen dem deutschen Verleger viel billigere Kräfte zum Vertrieb
seiner Werke in den weit verzweigten, wohlgeschulten Sortimentsbuchhandel
zur Verfügung, er braucht nicht annähernd so große Beträge, wie der aus¬
ländische Verleger, für Bücheranzeigen auszugeben. Diese Ersparnis an Ver¬
triebskosten, welche den dem Sortimentcr in Deutschland und auch im Auslande


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[0484] vom deutschen Buchhandel. Handel, wie er im Provinzialsortiment vorhanden ist, notwendiger und nützlicher ist, als in irgend einem andern Geschäftszweige, ahnt es wenig. Hier ist ein Vergleich mit den Zuständen im Auslande lehrreich. England besitzt keinen leistungsfähigen Provinzialbuchhandel, ja der englische Sortiments¬ buchhandel in der Hauptstadt London ist höchst mangelhaft. Eine glänzende Ausnahme machen nur die großen, meist von Deutschen geleiteten und im allgemeinen nach deutscher Art betriebenen Sortimente, sie sind aber in erster Linie dem Vertriebe ausländischer (deutscher, französischer u. s. w.) Bücher ge¬ widmet. Der englische Sortimenter ist ein Krämer, der nur Bücher, welche wie Zucker, Kaffee u. s. w. zu den täglichen Bedürfnissen der großen Masse gehören, verkauft. Diese kauft er in großen Partien mit sehr hohem Rabatt ein, und verkauft sie mit mäßigem Gewinn. Andre Waare führt er einfach nicht, und will ein Kunde ein vielleicht vor einigen Jahren erschienenes, weniger be¬ kanntes Buch bestellen, so erhält er regelmäßig zur Autwort: liavs not Zol it, ist nicht vorrätig. Die Mühe der Besorgung nimmt sich der Buchhändler nur in seltenen Fällen, ja er wird selten überhaupt geneigt oder imstande sein, den Verleger zu ermitteln. Selbst von dem letzteren ist aber ein älteres Verlags¬ werk nicht mehr zu bekommen, da es im allgemeinen Sitte ist, einige Jahre nach Erscheinen eines Werkes den Restvorrat billig an einen Antiquar loszu¬ schlagen. Diese Sitte ist zum großen Teil auch eine Folge davon, daß sich der englische Sortimentsbuchhandel, so weit er überhaupt besteht, nur um neue „ku¬ rante" Ware kümmert. Wie würde etwas ähnliches unsern deutschen Lesern ge¬ fallen? Die Mangelhaftigkeit des englischen Sortimentsbuchhandels zwingt ferner den englischen Verleger, wahre Unsummen Geldes für Anzeigen in Zeitschriften, für Reklamen u. dergl. auszugeben, da er keine Möglichkeit sieht, seine Bücher auf andre Weise bekannt zu macheu. Diese Kosten, welche sich oft auf ein Viertel und mehr der Gesamtherstellungskosten eines Buches belaufen, muß der Verleger selbstverständlich auf den Preis des Buches schlagen. Es giebt ja eine Reihe von Büchern, die ein sehr großes Publikum haben, und für deren Vertrieb Inserate außerordentlich förderlich sind. Bei wissenschaftlichen Werken aber und bei zahllosen andern Arten von Büchern stehen die für Inserate auszu¬ gebenden Summen in gar keinem Verhältnis zu dem dadurch erreichten Absatz. Ja bei vielen Werken ist mit Anzeigen überhaupt kein Absatz zu erzielen. Das Publikum übersieht die Anzeige, mißtraut der Empfehlung des Verlegers, oder die Anzeige kommt gar nicht in die geeigneten Hände u. s. w. Dagegen stehen dem deutschen Verleger viel billigere Kräfte zum Vertrieb seiner Werke in den weit verzweigten, wohlgeschulten Sortimentsbuchhandel zur Verfügung, er braucht nicht annähernd so große Beträge, wie der aus¬ ländische Verleger, für Bücheranzeigen auszugeben. Diese Ersparnis an Ver¬ triebskosten, welche den dem Sortimentcr in Deutschland und auch im Auslande

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/484>, abgerufen am 22.07.2024.