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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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vom deutschen Buchhandel.

gewährten Rabatt in vielen Fällen übertrifft, kommt den deutschen Bücherkäufern
zu Gute, und diese sind daher nicht berechtigt, von einer Erhöhung der Preise
durch den Zwischenhandel zu sprechen.

Und welche Annehmlichkeiten und Dienstleistungen genießt dabei das
Publikum von diesem Zwischenhandel! In jeder bessern Buchhandlung -- und
nach Unterdrückung der Schleudern wird sich eine solche selbst in einer kleinern
Stadt halten können -- kann es alle neuern Erscheinungen, ja vielfach auch
ältere kostenlos einsehen und sich so von dem Werte oder Unwerte eines Buches
überzeugen. Sind die verlangten Werke nicht vorrätig, so läßt sie der
Buchhändler kommen und schickt sie dem Besteller ins Haus, oft mit der sichern
Aussicht, nicht einen Pfennig daran zu verdienen. Allerdings hört man auch
Klagen über Belästigung dnrch unverlangte Ansichtsendungen, hört solche Sen¬
dungen als veraltete Einrichtungen bezeichnen. Gewiß können die Ansichts¬
sendungen zuweilen zur Plage werden, wenn man z. B. ein Werk von drei
Buchhändlern zugleich zugesandt erhält oder mit einer Flut von Literatur über¬
schüttet wird, für die man wenig oder kein Interesse hat. Zuweilen mag daran
das Ungeschick oder der Betriebswetteifer der Buchhändler Schuld sein, meist
liegt es aber ganz in der Hand des betreffenden Kunden, hier abzuhelfen, indem
er ein- für allemal angiebt, von wem und ans welchen Gebieten er fernerhin
Zusendungen zu erhalten wünscht. Ein tüchtiger Sortimeuter wird dann in
der Lage sein, meist das Nichtige zu treffen, er verfolgt die Neigungen und
Bedürfnisse seiner ständigen Kunden. Jedenfalls sind Mißgriffe hier viel ärger¬
licher für die Buchhändler als für die Käufer. In der Regel wünschen daher
denn auch die letzteren die Ansichtssendungen, ja für den Gelehrten sind sie
beinahe unentbehrlich. Wie manches Werk, dessen Titel den Inhalt nur mangel¬
haft andeutet oder andeuten kann, würde dem Kunden unbekannt bleiben, aber
wie manches auch würde er, verlockt durch den Titel, den Namen oder eine
rühmende Anzeige, kaufen, das er jetzt vorher einsehen, prüfen und in seiner
Wertlosigkeit erkennen kann. So kommt die Einrichtung der Ansichtssendung
besonders der bessern Literatur zu Gute, ja ohne sie und ohne die sonstige auf¬
merksame Thätigkeit des Provinzialsortimenters könnten viele Werke, welche auf
einen kleinen Leserkreis berechnet sind, überhaupt nicht abgesetzt und somit nicht
gedruckt werden.

Freilich kann man nun mit Recht sagen: es wird viel zu viel gedruckt,
zahllose Bücher sind Druck und Papier nicht wert. Dieser Vorwurf trifft aber
nur die Eitelkeit der Schriftsteller und den Mangel an Kritik auf Seiten der
Verleger und der Literaturblätter; hier sind die Mächte, welche diesen Übelstand
in erster Linie zu beseitigen berufen sind. Gewiß würde auch manches schlechte,
überflüssige Buch nicht gedruckt werden, wenn man die Absatzquellen verstopfte,
aber das Mittel wäre doch zu gründlich und würde auch manches Werk treffen,
dessen Herausgabe für die Wissenschaft, und am letzten Ende meist auch für die


vom deutschen Buchhandel.

gewährten Rabatt in vielen Fällen übertrifft, kommt den deutschen Bücherkäufern
zu Gute, und diese sind daher nicht berechtigt, von einer Erhöhung der Preise
durch den Zwischenhandel zu sprechen.

Und welche Annehmlichkeiten und Dienstleistungen genießt dabei das
Publikum von diesem Zwischenhandel! In jeder bessern Buchhandlung — und
nach Unterdrückung der Schleudern wird sich eine solche selbst in einer kleinern
Stadt halten können — kann es alle neuern Erscheinungen, ja vielfach auch
ältere kostenlos einsehen und sich so von dem Werte oder Unwerte eines Buches
überzeugen. Sind die verlangten Werke nicht vorrätig, so läßt sie der
Buchhändler kommen und schickt sie dem Besteller ins Haus, oft mit der sichern
Aussicht, nicht einen Pfennig daran zu verdienen. Allerdings hört man auch
Klagen über Belästigung dnrch unverlangte Ansichtsendungen, hört solche Sen¬
dungen als veraltete Einrichtungen bezeichnen. Gewiß können die Ansichts¬
sendungen zuweilen zur Plage werden, wenn man z. B. ein Werk von drei
Buchhändlern zugleich zugesandt erhält oder mit einer Flut von Literatur über¬
schüttet wird, für die man wenig oder kein Interesse hat. Zuweilen mag daran
das Ungeschick oder der Betriebswetteifer der Buchhändler Schuld sein, meist
liegt es aber ganz in der Hand des betreffenden Kunden, hier abzuhelfen, indem
er ein- für allemal angiebt, von wem und ans welchen Gebieten er fernerhin
Zusendungen zu erhalten wünscht. Ein tüchtiger Sortimeuter wird dann in
der Lage sein, meist das Nichtige zu treffen, er verfolgt die Neigungen und
Bedürfnisse seiner ständigen Kunden. Jedenfalls sind Mißgriffe hier viel ärger¬
licher für die Buchhändler als für die Käufer. In der Regel wünschen daher
denn auch die letzteren die Ansichtssendungen, ja für den Gelehrten sind sie
beinahe unentbehrlich. Wie manches Werk, dessen Titel den Inhalt nur mangel¬
haft andeutet oder andeuten kann, würde dem Kunden unbekannt bleiben, aber
wie manches auch würde er, verlockt durch den Titel, den Namen oder eine
rühmende Anzeige, kaufen, das er jetzt vorher einsehen, prüfen und in seiner
Wertlosigkeit erkennen kann. So kommt die Einrichtung der Ansichtssendung
besonders der bessern Literatur zu Gute, ja ohne sie und ohne die sonstige auf¬
merksame Thätigkeit des Provinzialsortimenters könnten viele Werke, welche auf
einen kleinen Leserkreis berechnet sind, überhaupt nicht abgesetzt und somit nicht
gedruckt werden.

Freilich kann man nun mit Recht sagen: es wird viel zu viel gedruckt,
zahllose Bücher sind Druck und Papier nicht wert. Dieser Vorwurf trifft aber
nur die Eitelkeit der Schriftsteller und den Mangel an Kritik auf Seiten der
Verleger und der Literaturblätter; hier sind die Mächte, welche diesen Übelstand
in erster Linie zu beseitigen berufen sind. Gewiß würde auch manches schlechte,
überflüssige Buch nicht gedruckt werden, wenn man die Absatzquellen verstopfte,
aber das Mittel wäre doch zu gründlich und würde auch manches Werk treffen,
dessen Herausgabe für die Wissenschaft, und am letzten Ende meist auch für die


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[0485] vom deutschen Buchhandel. gewährten Rabatt in vielen Fällen übertrifft, kommt den deutschen Bücherkäufern zu Gute, und diese sind daher nicht berechtigt, von einer Erhöhung der Preise durch den Zwischenhandel zu sprechen. Und welche Annehmlichkeiten und Dienstleistungen genießt dabei das Publikum von diesem Zwischenhandel! In jeder bessern Buchhandlung — und nach Unterdrückung der Schleudern wird sich eine solche selbst in einer kleinern Stadt halten können — kann es alle neuern Erscheinungen, ja vielfach auch ältere kostenlos einsehen und sich so von dem Werte oder Unwerte eines Buches überzeugen. Sind die verlangten Werke nicht vorrätig, so läßt sie der Buchhändler kommen und schickt sie dem Besteller ins Haus, oft mit der sichern Aussicht, nicht einen Pfennig daran zu verdienen. Allerdings hört man auch Klagen über Belästigung dnrch unverlangte Ansichtsendungen, hört solche Sen¬ dungen als veraltete Einrichtungen bezeichnen. Gewiß können die Ansichts¬ sendungen zuweilen zur Plage werden, wenn man z. B. ein Werk von drei Buchhändlern zugleich zugesandt erhält oder mit einer Flut von Literatur über¬ schüttet wird, für die man wenig oder kein Interesse hat. Zuweilen mag daran das Ungeschick oder der Betriebswetteifer der Buchhändler Schuld sein, meist liegt es aber ganz in der Hand des betreffenden Kunden, hier abzuhelfen, indem er ein- für allemal angiebt, von wem und ans welchen Gebieten er fernerhin Zusendungen zu erhalten wünscht. Ein tüchtiger Sortimeuter wird dann in der Lage sein, meist das Nichtige zu treffen, er verfolgt die Neigungen und Bedürfnisse seiner ständigen Kunden. Jedenfalls sind Mißgriffe hier viel ärger¬ licher für die Buchhändler als für die Käufer. In der Regel wünschen daher denn auch die letzteren die Ansichtssendungen, ja für den Gelehrten sind sie beinahe unentbehrlich. Wie manches Werk, dessen Titel den Inhalt nur mangel¬ haft andeutet oder andeuten kann, würde dem Kunden unbekannt bleiben, aber wie manches auch würde er, verlockt durch den Titel, den Namen oder eine rühmende Anzeige, kaufen, das er jetzt vorher einsehen, prüfen und in seiner Wertlosigkeit erkennen kann. So kommt die Einrichtung der Ansichtssendung besonders der bessern Literatur zu Gute, ja ohne sie und ohne die sonstige auf¬ merksame Thätigkeit des Provinzialsortimenters könnten viele Werke, welche auf einen kleinen Leserkreis berechnet sind, überhaupt nicht abgesetzt und somit nicht gedruckt werden. Freilich kann man nun mit Recht sagen: es wird viel zu viel gedruckt, zahllose Bücher sind Druck und Papier nicht wert. Dieser Vorwurf trifft aber nur die Eitelkeit der Schriftsteller und den Mangel an Kritik auf Seiten der Verleger und der Literaturblätter; hier sind die Mächte, welche diesen Übelstand in erster Linie zu beseitigen berufen sind. Gewiß würde auch manches schlechte, überflüssige Buch nicht gedruckt werden, wenn man die Absatzquellen verstopfte, aber das Mittel wäre doch zu gründlich und würde auch manches Werk treffen, dessen Herausgabe für die Wissenschaft, und am letzten Ende meist auch für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/485>, abgerufen am 20.06.2024.