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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Vom deutschen Buchhandel.

nicht in Verlegenheit kommen, er würde für seine Werke vielleicht nach dem
völligen Siege der Schleuderet noch höheres Honorar vom Verleger erhalten,
da dieser dann mehr zahlen könnte, weil er nur noch Werke drucken würde,
welche gekauft werden wie warme Semmeln. Ein Schriftsteller jedoch, der
sich erst einen Ruf gründen muß, auch der schon bewährte Gelehrte, welcher
ein streug wissenschaftliches "schweres" Werk, z> B, eine Einzeluntersuchung
über einen wichtigen wissenschaftlichen Gegenstand geschrieben hat, sie würden
dann vergeblich einen Verleger suchen. Für solche Werke müssen die Abnehmer
mühsam gesucht werden, und fehlen die Männer, welche allerorten im weiten
Reich die literarischen Bedürfnisse und Neigungen studiren und kennen, unver¬
drossen Werke vorlegen und zum Kaufe reizen, fehlt erst, wie es leider vielfach
schon eingetreten ist, die mit Fachkenntnis und Berufsfreude geleitete Provinzial-
bnchhcmdlnng, so kann thatsächlich kein Verleger mehr dieser zahlreichsten Klasse
von Schriftstellern seine Dienste anbieten, ohne in kurzer Zeit ein Vermögen
zuzusetzen. Thatsächlich herrscht dieser Zustand schon in den meisten außer¬
deutschen Länder, z. B. in England, Frankreich, Italien, wo der ganze Sortiments¬
buchhandel von Bedeutung sich in den Hauptstädten und wenigen Händen kon-
zentrirt. Die Verleger dieser Länder drucken mit wenigen Ausnahmen nur
"gangbare" Waare, und sie können kaum anders handeln. Der schriftstellerische
Anfänger, der Verfasser einer gelehrten Untersuchung muß froh sein, wenn er
für sein auf seine Kosten gedrucktes Werk eiuen Buchhändler findet, der sich
mit dem Vertriebe desselben abgiebt. Die Schriftsteller und Gelehrten hätten
daher alle Ursache, nicht bei Schlenderern zu kaufen, sondern den Provinzial-
buchhandel zu unterstützen. Wenn das bisher nicht oder nur in seltenen Fällen
geschehe": ist, wenn gerade diese Kreise vielfach hohen Rabatt als ihr Recht
gefordert haben, so ist das einerseits ans mangelhafter Kenntnis der Sach¬
lage und aus der Knappheit ihrer Geldmittel, sodann aber daraus zu er¬
klären, daß uur wenige Menschen die Gabe der Selbstüberwindung haben, da
mich nur kleine Opfer zu bringen, wo der Erfolg vom Verhalten der All¬
gemeinheit abhängt und dem Einzelnen überdies nicht handgreiflich vor Augen
tritt. Niemanden gelüstet es besser zu sein als andre, wenn es etwas kostet.

Aber nicht nur Schriftsteller und Verleger, auch das Publikum, die Ge¬
samtheit, hat ein hohes Interesse daran, daß ein über das ganze Land sich
ausbreitendes Netz leistungsfähiger, durchgebildeter Proviuzialsortimenter erhalten
bleibe, wie es durch die Aufrechterhaltung des buchhändlerischen Ladenpreises
erreicht werden soll. Das ganze Publikum läßt sich die oft mühsamen Dienste
des am Wohnsitz befindlichen Buchhändlers gern gefallen, kauft aber, wenn es
irgend geht, beim "billigen Manne" in Berlin oder Leipzig, oder sucht von dem
Provinzialsortimenter denselben hohen Rabatt, wie ihn der Schleuderer giebt,
zu erpressen. Der Sortimenter ist ihm im allgemeinen nur ein Mann, der
die Bücher um eiuen erheblichen Betrag verteuert; davon, daß der Zwischen-


Vom deutschen Buchhandel.

nicht in Verlegenheit kommen, er würde für seine Werke vielleicht nach dem
völligen Siege der Schleuderet noch höheres Honorar vom Verleger erhalten,
da dieser dann mehr zahlen könnte, weil er nur noch Werke drucken würde,
welche gekauft werden wie warme Semmeln. Ein Schriftsteller jedoch, der
sich erst einen Ruf gründen muß, auch der schon bewährte Gelehrte, welcher
ein streug wissenschaftliches „schweres" Werk, z> B, eine Einzeluntersuchung
über einen wichtigen wissenschaftlichen Gegenstand geschrieben hat, sie würden
dann vergeblich einen Verleger suchen. Für solche Werke müssen die Abnehmer
mühsam gesucht werden, und fehlen die Männer, welche allerorten im weiten
Reich die literarischen Bedürfnisse und Neigungen studiren und kennen, unver¬
drossen Werke vorlegen und zum Kaufe reizen, fehlt erst, wie es leider vielfach
schon eingetreten ist, die mit Fachkenntnis und Berufsfreude geleitete Provinzial-
bnchhcmdlnng, so kann thatsächlich kein Verleger mehr dieser zahlreichsten Klasse
von Schriftstellern seine Dienste anbieten, ohne in kurzer Zeit ein Vermögen
zuzusetzen. Thatsächlich herrscht dieser Zustand schon in den meisten außer¬
deutschen Länder, z. B. in England, Frankreich, Italien, wo der ganze Sortiments¬
buchhandel von Bedeutung sich in den Hauptstädten und wenigen Händen kon-
zentrirt. Die Verleger dieser Länder drucken mit wenigen Ausnahmen nur
„gangbare" Waare, und sie können kaum anders handeln. Der schriftstellerische
Anfänger, der Verfasser einer gelehrten Untersuchung muß froh sein, wenn er
für sein auf seine Kosten gedrucktes Werk eiuen Buchhändler findet, der sich
mit dem Vertriebe desselben abgiebt. Die Schriftsteller und Gelehrten hätten
daher alle Ursache, nicht bei Schlenderern zu kaufen, sondern den Provinzial-
buchhandel zu unterstützen. Wenn das bisher nicht oder nur in seltenen Fällen
geschehe«: ist, wenn gerade diese Kreise vielfach hohen Rabatt als ihr Recht
gefordert haben, so ist das einerseits ans mangelhafter Kenntnis der Sach¬
lage und aus der Knappheit ihrer Geldmittel, sodann aber daraus zu er¬
klären, daß uur wenige Menschen die Gabe der Selbstüberwindung haben, da
mich nur kleine Opfer zu bringen, wo der Erfolg vom Verhalten der All¬
gemeinheit abhängt und dem Einzelnen überdies nicht handgreiflich vor Augen
tritt. Niemanden gelüstet es besser zu sein als andre, wenn es etwas kostet.

Aber nicht nur Schriftsteller und Verleger, auch das Publikum, die Ge¬
samtheit, hat ein hohes Interesse daran, daß ein über das ganze Land sich
ausbreitendes Netz leistungsfähiger, durchgebildeter Proviuzialsortimenter erhalten
bleibe, wie es durch die Aufrechterhaltung des buchhändlerischen Ladenpreises
erreicht werden soll. Das ganze Publikum läßt sich die oft mühsamen Dienste
des am Wohnsitz befindlichen Buchhändlers gern gefallen, kauft aber, wenn es
irgend geht, beim „billigen Manne" in Berlin oder Leipzig, oder sucht von dem
Provinzialsortimenter denselben hohen Rabatt, wie ihn der Schleuderer giebt,
zu erpressen. Der Sortimenter ist ihm im allgemeinen nur ein Mann, der
die Bücher um eiuen erheblichen Betrag verteuert; davon, daß der Zwischen-


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[0483] Vom deutschen Buchhandel. nicht in Verlegenheit kommen, er würde für seine Werke vielleicht nach dem völligen Siege der Schleuderet noch höheres Honorar vom Verleger erhalten, da dieser dann mehr zahlen könnte, weil er nur noch Werke drucken würde, welche gekauft werden wie warme Semmeln. Ein Schriftsteller jedoch, der sich erst einen Ruf gründen muß, auch der schon bewährte Gelehrte, welcher ein streug wissenschaftliches „schweres" Werk, z> B, eine Einzeluntersuchung über einen wichtigen wissenschaftlichen Gegenstand geschrieben hat, sie würden dann vergeblich einen Verleger suchen. Für solche Werke müssen die Abnehmer mühsam gesucht werden, und fehlen die Männer, welche allerorten im weiten Reich die literarischen Bedürfnisse und Neigungen studiren und kennen, unver¬ drossen Werke vorlegen und zum Kaufe reizen, fehlt erst, wie es leider vielfach schon eingetreten ist, die mit Fachkenntnis und Berufsfreude geleitete Provinzial- bnchhcmdlnng, so kann thatsächlich kein Verleger mehr dieser zahlreichsten Klasse von Schriftstellern seine Dienste anbieten, ohne in kurzer Zeit ein Vermögen zuzusetzen. Thatsächlich herrscht dieser Zustand schon in den meisten außer¬ deutschen Länder, z. B. in England, Frankreich, Italien, wo der ganze Sortiments¬ buchhandel von Bedeutung sich in den Hauptstädten und wenigen Händen kon- zentrirt. Die Verleger dieser Länder drucken mit wenigen Ausnahmen nur „gangbare" Waare, und sie können kaum anders handeln. Der schriftstellerische Anfänger, der Verfasser einer gelehrten Untersuchung muß froh sein, wenn er für sein auf seine Kosten gedrucktes Werk eiuen Buchhändler findet, der sich mit dem Vertriebe desselben abgiebt. Die Schriftsteller und Gelehrten hätten daher alle Ursache, nicht bei Schlenderern zu kaufen, sondern den Provinzial- buchhandel zu unterstützen. Wenn das bisher nicht oder nur in seltenen Fällen geschehe«: ist, wenn gerade diese Kreise vielfach hohen Rabatt als ihr Recht gefordert haben, so ist das einerseits ans mangelhafter Kenntnis der Sach¬ lage und aus der Knappheit ihrer Geldmittel, sodann aber daraus zu er¬ klären, daß uur wenige Menschen die Gabe der Selbstüberwindung haben, da mich nur kleine Opfer zu bringen, wo der Erfolg vom Verhalten der All¬ gemeinheit abhängt und dem Einzelnen überdies nicht handgreiflich vor Augen tritt. Niemanden gelüstet es besser zu sein als andre, wenn es etwas kostet. Aber nicht nur Schriftsteller und Verleger, auch das Publikum, die Ge¬ samtheit, hat ein hohes Interesse daran, daß ein über das ganze Land sich ausbreitendes Netz leistungsfähiger, durchgebildeter Proviuzialsortimenter erhalten bleibe, wie es durch die Aufrechterhaltung des buchhändlerischen Ladenpreises erreicht werden soll. Das ganze Publikum läßt sich die oft mühsamen Dienste des am Wohnsitz befindlichen Buchhändlers gern gefallen, kauft aber, wenn es irgend geht, beim „billigen Manne" in Berlin oder Leipzig, oder sucht von dem Provinzialsortimenter denselben hohen Rabatt, wie ihn der Schleuderer giebt, zu erpressen. Der Sortimenter ist ihm im allgemeinen nur ein Mann, der die Bücher um eiuen erheblichen Betrag verteuert; davon, daß der Zwischen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/483>, abgerufen am 22.07.2024.