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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Line Fahrt in den Grient.

Wie sie der kostbaren äußeren Fassade entspricht, die Entbehrung der Freiheit
kann auch durch den Blick auf die blauen Fluten des Bosporus und der grünen
Berge Asiens nicht ersetzt werden, aber freilich nur demjenigen nicht, welcher
diese Entbehrung fühlt! An diesen Palast schließen sich in bunter Reihe tür¬
kische und griechische Dörfer, die Konaks der Paschas und die Villen der levcm-
tinischen Bankiers an, bis man sich in Therapia der internationalen Gesellschaft
des diplomatischen Korps nähert. Hier und in Bujukdere befinden sich die
Sommerresidenzen der Botschafter und Gesandten, hier herrscht ganz europäisches
Leben, und Hotels nach Art der Schweizerhöfe lassen vergessen, daß man am
Bosporus ist. Beide Dörfer lehnen sich an schön bewaldete Berge und bieten
durch mannichfaltige Spaziergänge zu Fuß, zu Pferd und zu Wagen, durch
Wasserfahrten auf Kalks und Barken abwechselnden Genuß. Mau muß gestehen,
daß diese Sommerpaläste, wenn sie auch größtenteils nur aus Holz gebaut sind,
dem Türken eine Anschauung von der Macht der hier vertretenen Nationen
gewähren müssen, und wer in dieser Hinsicht etwas schwerfällig von Begriffen
sein sollte, dem öffnet den Verstand ein Blick auf die Kriegsschiffe, von denen
jede Großmacht eines zur Verfügung ihrer Botschafter hält. Mächte, die keine
Flotten haben, müssen sich freilich auch ohne solchen Schutz behelfen, werden
aber über die Achsel angesehen und müssen es sich gefallen lassen, wenn man
z. B. das schwimmende Leuchtschiff scherzweise den Schweizer stationär nennt.
In Therapia wohnen die Botschafter von England, Frankreich und Italien,
und irre ich nicht, so versammelte sich hier auch die letzte Konferenz zur Lösung
der ägyptischen Frage. Seit 1880 hat auch die deutsche Botschaft durch die
Freigebigkeit des jetzigen Sultans den schönen und ausgedehnten Park von
Therapia zum Geschenk erhalten, aber auf demselben noch kein Gebäude errichtet,
sondern wohnt in Bujukdere, in der Nachbarschaft von Nußland und Griechen¬
land, in einem schön gelegenen Hause zur Miete. Wir kamen zwar noch vor
Untergang der Sonne in Bujukdere an und beeilten uns, hinauf auf die Anhöhe
zu gelangen, um den Scheidegruß der Sonne an das Schwarze Meer und an den
Bosporus gleichzeitig zu erHaschen. Allein für diesen Abend weigerten sie uns
diese Gunst, welche sonst allen Glücklichern unvergessen sein soll. Aber es blieb
auch ohne dies noch genug des landschaftlichen Schönen übrig, um so mehr,
als der Glanz des Mondes wieder gut machte, was uns seine mächtige Vor¬
gängerin verweigerte.

Als wir dann mit unsern dortigen Freunden in dem luftigen, mit türkischen
Polstern und Teppichen ausgestatteten Salon speisten, da tönte aus dem
deutschen Kriegsschiff das bekannte Signal der Abendwache und belehrte uns,
daß wir auch fern von der Heimat nicht fremd und schutzlos seien, sondern
daß der. mächtige Arm des Vaterlandes selbst am goldnen Horn zur Verteidigung
seiner Landeskinder bereit sei.

Es war uns diesen Abend aber noch ein Kunstgenuß vorbehalten. Etwa


Line Fahrt in den Grient.

Wie sie der kostbaren äußeren Fassade entspricht, die Entbehrung der Freiheit
kann auch durch den Blick auf die blauen Fluten des Bosporus und der grünen
Berge Asiens nicht ersetzt werden, aber freilich nur demjenigen nicht, welcher
diese Entbehrung fühlt! An diesen Palast schließen sich in bunter Reihe tür¬
kische und griechische Dörfer, die Konaks der Paschas und die Villen der levcm-
tinischen Bankiers an, bis man sich in Therapia der internationalen Gesellschaft
des diplomatischen Korps nähert. Hier und in Bujukdere befinden sich die
Sommerresidenzen der Botschafter und Gesandten, hier herrscht ganz europäisches
Leben, und Hotels nach Art der Schweizerhöfe lassen vergessen, daß man am
Bosporus ist. Beide Dörfer lehnen sich an schön bewaldete Berge und bieten
durch mannichfaltige Spaziergänge zu Fuß, zu Pferd und zu Wagen, durch
Wasserfahrten auf Kalks und Barken abwechselnden Genuß. Mau muß gestehen,
daß diese Sommerpaläste, wenn sie auch größtenteils nur aus Holz gebaut sind,
dem Türken eine Anschauung von der Macht der hier vertretenen Nationen
gewähren müssen, und wer in dieser Hinsicht etwas schwerfällig von Begriffen
sein sollte, dem öffnet den Verstand ein Blick auf die Kriegsschiffe, von denen
jede Großmacht eines zur Verfügung ihrer Botschafter hält. Mächte, die keine
Flotten haben, müssen sich freilich auch ohne solchen Schutz behelfen, werden
aber über die Achsel angesehen und müssen es sich gefallen lassen, wenn man
z. B. das schwimmende Leuchtschiff scherzweise den Schweizer stationär nennt.
In Therapia wohnen die Botschafter von England, Frankreich und Italien,
und irre ich nicht, so versammelte sich hier auch die letzte Konferenz zur Lösung
der ägyptischen Frage. Seit 1880 hat auch die deutsche Botschaft durch die
Freigebigkeit des jetzigen Sultans den schönen und ausgedehnten Park von
Therapia zum Geschenk erhalten, aber auf demselben noch kein Gebäude errichtet,
sondern wohnt in Bujukdere, in der Nachbarschaft von Nußland und Griechen¬
land, in einem schön gelegenen Hause zur Miete. Wir kamen zwar noch vor
Untergang der Sonne in Bujukdere an und beeilten uns, hinauf auf die Anhöhe
zu gelangen, um den Scheidegruß der Sonne an das Schwarze Meer und an den
Bosporus gleichzeitig zu erHaschen. Allein für diesen Abend weigerten sie uns
diese Gunst, welche sonst allen Glücklichern unvergessen sein soll. Aber es blieb
auch ohne dies noch genug des landschaftlichen Schönen übrig, um so mehr,
als der Glanz des Mondes wieder gut machte, was uns seine mächtige Vor¬
gängerin verweigerte.

Als wir dann mit unsern dortigen Freunden in dem luftigen, mit türkischen
Polstern und Teppichen ausgestatteten Salon speisten, da tönte aus dem
deutschen Kriegsschiff das bekannte Signal der Abendwache und belehrte uns,
daß wir auch fern von der Heimat nicht fremd und schutzlos seien, sondern
daß der. mächtige Arm des Vaterlandes selbst am goldnen Horn zur Verteidigung
seiner Landeskinder bereit sei.

Es war uns diesen Abend aber noch ein Kunstgenuß vorbehalten. Etwa


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[0357] Line Fahrt in den Grient. Wie sie der kostbaren äußeren Fassade entspricht, die Entbehrung der Freiheit kann auch durch den Blick auf die blauen Fluten des Bosporus und der grünen Berge Asiens nicht ersetzt werden, aber freilich nur demjenigen nicht, welcher diese Entbehrung fühlt! An diesen Palast schließen sich in bunter Reihe tür¬ kische und griechische Dörfer, die Konaks der Paschas und die Villen der levcm- tinischen Bankiers an, bis man sich in Therapia der internationalen Gesellschaft des diplomatischen Korps nähert. Hier und in Bujukdere befinden sich die Sommerresidenzen der Botschafter und Gesandten, hier herrscht ganz europäisches Leben, und Hotels nach Art der Schweizerhöfe lassen vergessen, daß man am Bosporus ist. Beide Dörfer lehnen sich an schön bewaldete Berge und bieten durch mannichfaltige Spaziergänge zu Fuß, zu Pferd und zu Wagen, durch Wasserfahrten auf Kalks und Barken abwechselnden Genuß. Mau muß gestehen, daß diese Sommerpaläste, wenn sie auch größtenteils nur aus Holz gebaut sind, dem Türken eine Anschauung von der Macht der hier vertretenen Nationen gewähren müssen, und wer in dieser Hinsicht etwas schwerfällig von Begriffen sein sollte, dem öffnet den Verstand ein Blick auf die Kriegsschiffe, von denen jede Großmacht eines zur Verfügung ihrer Botschafter hält. Mächte, die keine Flotten haben, müssen sich freilich auch ohne solchen Schutz behelfen, werden aber über die Achsel angesehen und müssen es sich gefallen lassen, wenn man z. B. das schwimmende Leuchtschiff scherzweise den Schweizer stationär nennt. In Therapia wohnen die Botschafter von England, Frankreich und Italien, und irre ich nicht, so versammelte sich hier auch die letzte Konferenz zur Lösung der ägyptischen Frage. Seit 1880 hat auch die deutsche Botschaft durch die Freigebigkeit des jetzigen Sultans den schönen und ausgedehnten Park von Therapia zum Geschenk erhalten, aber auf demselben noch kein Gebäude errichtet, sondern wohnt in Bujukdere, in der Nachbarschaft von Nußland und Griechen¬ land, in einem schön gelegenen Hause zur Miete. Wir kamen zwar noch vor Untergang der Sonne in Bujukdere an und beeilten uns, hinauf auf die Anhöhe zu gelangen, um den Scheidegruß der Sonne an das Schwarze Meer und an den Bosporus gleichzeitig zu erHaschen. Allein für diesen Abend weigerten sie uns diese Gunst, welche sonst allen Glücklichern unvergessen sein soll. Aber es blieb auch ohne dies noch genug des landschaftlichen Schönen übrig, um so mehr, als der Glanz des Mondes wieder gut machte, was uns seine mächtige Vor¬ gängerin verweigerte. Als wir dann mit unsern dortigen Freunden in dem luftigen, mit türkischen Polstern und Teppichen ausgestatteten Salon speisten, da tönte aus dem deutschen Kriegsschiff das bekannte Signal der Abendwache und belehrte uns, daß wir auch fern von der Heimat nicht fremd und schutzlos seien, sondern daß der. mächtige Arm des Vaterlandes selbst am goldnen Horn zur Verteidigung seiner Landeskinder bereit sei. Es war uns diesen Abend aber noch ein Kunstgenuß vorbehalten. Etwa

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/357>, abgerufen am 24.08.2024.