Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssession.

nicht, haben sehr rasch ihre drohende Stellung aufzugeben für ratsam gehalten,
eine Sache, die recht deutlich zeigt, welch schädliches Beginnen die freisinnig-
klerikalen Bestrebungen, die in der Verwerfung des Septennats gipfelten, gewesen
sind. Es giebt ja im Deutschfreisinn eine Anzahl Persönlichkeiten, die nicht
wissen, was sie damit thun, daß sie die Gefolgschaft Richters bilden und von
denen das Wort gilt: Sie, vos mein vobis vsllörlr tortis vvvs. Aber das hilft
dem Vaterlande nichts. Ihre Partei war das zersetzende Element im deutschen
Reiche; ihre Kunst bestand dann, alles, was staatsfeindlich war und ist, um
sich zu schaaren. Glücklicherweise haben wir Männer an der Spitze, die sich
durch doktrinäre Spitzfindigkeiten so wenig mürbe machen lassen, wie durch je¬
suitische Bosheit. Mit ihnen zu wirken hat der neue Reichstag als seine
Pflicht erkannt, die ihm vom deutschen Volte auferlegt war. Der Dank, den der
Kaiser der scheidenden Versammlung am Schlüsse der ersten Session für erfolg¬
reiche Thätigkeit aussprechen ließ, war wohlverdient. Möge solches Zusammen¬
wirken von Reichstag und Neichsrcgierung auch fernerhin bleiben! Dann wird
der Stern Deutschlands leuchten, auch wenn das Unwetter kommt.

Werfen wir nun noch einen kurzen Blick auf die Zwischenzeit. In dieser
Wurde von der freisinnigen Presse alles zur Anklage gegen die Regierung benutzt,
was Staub aufwirbeln konnte. So der Fall Hinze. Herr Hinze war durch
ehrengerichtlichen Spruch zum Verlust der Uniform und seines militärischen
Charakters verurteilt worden. Er war ein durch dieses Urteil hart getroffener
Acaiin, ohne Frage. Aber der Freisinn stellte ihn als ein Opfer politischer
Verfolgung hin, und das war er nicht. Seine fast gewerbsmäßige Agitation,
sein Appell an die studirende Jugend zum Zusammengehen mit den sozial-
demokratischen Bestrebungen, sein nicht ofsiziermäßigcs Verhalten in dem Jockcl-
schen Falle mußte es doch auch für andre als militärische Kreise sehr fraglich
^scheinen lassen, ob dies alles das Verbleiben des Herrn Hinze im Offizierstandc
"och länger ermöglichte. Das Urteil der militärischen Kreise ging dahin, daß er
von Glück zu sagen habe, daß ihn sein Schicksal erst jetzt erreiche. Aber mag
"em sein, wie ihm wolle, das, wogegen man sich mit allem Ernste erklären muß,
daß auch in diesem Falle die freisinnige Presse sich nicht ans eine sachliche
Kritik der Entscheidung beschränkte, sondern die Unparteilichkeit des Gerichts in
8wge zog. Die freisinnige Presse befolgte hier dieselbe Methode, die sie gegen
das Reichsgericht befolgt hatte, als es gegen Munckel entschied.

Gegen Bismarcks großes Werk der Sozialreform wurde von der Partei,
d^e schlechterdings nichts Vonseiten des Staats, d. h. überhaupt nichts Zuver¬
lässiges und nachhaltiges für die Arbeiter thun will, wie schon früher, so jetzt,
sichs um den wichtigsten Teil handelte, um die Alters- und Jnvaliden-
öesetzgelmng, auf die thörichste Weise gehetzt. Es verlautete, daß die Grundzüge
^zu bereits im Reichsamt des Innern fertig seien. Die Grundlage für die
Altersversicherung sollte ein niedrigster Rentensatz von 120 Mark sein; zum


Grenzboten IV. 1887. 39
Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssession.

nicht, haben sehr rasch ihre drohende Stellung aufzugeben für ratsam gehalten,
eine Sache, die recht deutlich zeigt, welch schädliches Beginnen die freisinnig-
klerikalen Bestrebungen, die in der Verwerfung des Septennats gipfelten, gewesen
sind. Es giebt ja im Deutschfreisinn eine Anzahl Persönlichkeiten, die nicht
wissen, was sie damit thun, daß sie die Gefolgschaft Richters bilden und von
denen das Wort gilt: Sie, vos mein vobis vsllörlr tortis vvvs. Aber das hilft
dem Vaterlande nichts. Ihre Partei war das zersetzende Element im deutschen
Reiche; ihre Kunst bestand dann, alles, was staatsfeindlich war und ist, um
sich zu schaaren. Glücklicherweise haben wir Männer an der Spitze, die sich
durch doktrinäre Spitzfindigkeiten so wenig mürbe machen lassen, wie durch je¬
suitische Bosheit. Mit ihnen zu wirken hat der neue Reichstag als seine
Pflicht erkannt, die ihm vom deutschen Volte auferlegt war. Der Dank, den der
Kaiser der scheidenden Versammlung am Schlüsse der ersten Session für erfolg¬
reiche Thätigkeit aussprechen ließ, war wohlverdient. Möge solches Zusammen¬
wirken von Reichstag und Neichsrcgierung auch fernerhin bleiben! Dann wird
der Stern Deutschlands leuchten, auch wenn das Unwetter kommt.

Werfen wir nun noch einen kurzen Blick auf die Zwischenzeit. In dieser
Wurde von der freisinnigen Presse alles zur Anklage gegen die Regierung benutzt,
was Staub aufwirbeln konnte. So der Fall Hinze. Herr Hinze war durch
ehrengerichtlichen Spruch zum Verlust der Uniform und seines militärischen
Charakters verurteilt worden. Er war ein durch dieses Urteil hart getroffener
Acaiin, ohne Frage. Aber der Freisinn stellte ihn als ein Opfer politischer
Verfolgung hin, und das war er nicht. Seine fast gewerbsmäßige Agitation,
sein Appell an die studirende Jugend zum Zusammengehen mit den sozial-
demokratischen Bestrebungen, sein nicht ofsiziermäßigcs Verhalten in dem Jockcl-
schen Falle mußte es doch auch für andre als militärische Kreise sehr fraglich
^scheinen lassen, ob dies alles das Verbleiben des Herrn Hinze im Offizierstandc
"och länger ermöglichte. Das Urteil der militärischen Kreise ging dahin, daß er
von Glück zu sagen habe, daß ihn sein Schicksal erst jetzt erreiche. Aber mag
"em sein, wie ihm wolle, das, wogegen man sich mit allem Ernste erklären muß,
daß auch in diesem Falle die freisinnige Presse sich nicht ans eine sachliche
Kritik der Entscheidung beschränkte, sondern die Unparteilichkeit des Gerichts in
8wge zog. Die freisinnige Presse befolgte hier dieselbe Methode, die sie gegen
das Reichsgericht befolgt hatte, als es gegen Munckel entschied.

Gegen Bismarcks großes Werk der Sozialreform wurde von der Partei,
d^e schlechterdings nichts Vonseiten des Staats, d. h. überhaupt nichts Zuver¬
lässiges und nachhaltiges für die Arbeiter thun will, wie schon früher, so jetzt,
sichs um den wichtigsten Teil handelte, um die Alters- und Jnvaliden-
öesetzgelmng, auf die thörichste Weise gehetzt. Es verlautete, daß die Grundzüge
^zu bereits im Reichsamt des Innern fertig seien. Die Grundlage für die
Altersversicherung sollte ein niedrigster Rentensatz von 120 Mark sein; zum


Grenzboten IV. 1887. 39
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201742"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssession.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_724" prev="#ID_723"> nicht, haben sehr rasch ihre drohende Stellung aufzugeben für ratsam gehalten,<lb/>
eine Sache, die recht deutlich zeigt, welch schädliches Beginnen die freisinnig-<lb/>
klerikalen Bestrebungen, die in der Verwerfung des Septennats gipfelten, gewesen<lb/>
sind. Es giebt ja im Deutschfreisinn eine Anzahl Persönlichkeiten, die nicht<lb/>
wissen, was sie damit thun, daß sie die Gefolgschaft Richters bilden und von<lb/>
denen das Wort gilt: Sie, vos mein vobis vsllörlr tortis vvvs. Aber das hilft<lb/>
dem Vaterlande nichts. Ihre Partei war das zersetzende Element im deutschen<lb/>
Reiche; ihre Kunst bestand dann, alles, was staatsfeindlich war und ist, um<lb/>
sich zu schaaren. Glücklicherweise haben wir Männer an der Spitze, die sich<lb/>
durch doktrinäre Spitzfindigkeiten so wenig mürbe machen lassen, wie durch je¬<lb/>
suitische Bosheit. Mit ihnen zu wirken hat der neue Reichstag als seine<lb/>
Pflicht erkannt, die ihm vom deutschen Volte auferlegt war. Der Dank, den der<lb/>
Kaiser der scheidenden Versammlung am Schlüsse der ersten Session für erfolg¬<lb/>
reiche Thätigkeit aussprechen ließ, war wohlverdient. Möge solches Zusammen¬<lb/>
wirken von Reichstag und Neichsrcgierung auch fernerhin bleiben! Dann wird<lb/>
der Stern Deutschlands leuchten, auch wenn das Unwetter kommt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_725"> Werfen wir nun noch einen kurzen Blick auf die Zwischenzeit. In dieser<lb/>
Wurde von der freisinnigen Presse alles zur Anklage gegen die Regierung benutzt,<lb/>
was Staub aufwirbeln konnte. So der Fall Hinze. Herr Hinze war durch<lb/>
ehrengerichtlichen Spruch zum Verlust der Uniform und seines militärischen<lb/>
Charakters verurteilt worden. Er war ein durch dieses Urteil hart getroffener<lb/>
Acaiin, ohne Frage. Aber der Freisinn stellte ihn als ein Opfer politischer<lb/>
Verfolgung hin, und das war er nicht. Seine fast gewerbsmäßige Agitation,<lb/>
sein Appell an die studirende Jugend zum Zusammengehen mit den sozial-<lb/>
demokratischen Bestrebungen, sein nicht ofsiziermäßigcs Verhalten in dem Jockcl-<lb/>
schen Falle mußte es doch auch für andre als militärische Kreise sehr fraglich<lb/>
^scheinen lassen, ob dies alles das Verbleiben des Herrn Hinze im Offizierstandc<lb/>
"och länger ermöglichte. Das Urteil der militärischen Kreise ging dahin, daß er<lb/>
von Glück zu sagen habe, daß ihn sein Schicksal erst jetzt erreiche. Aber mag<lb/>
"em sein, wie ihm wolle, das, wogegen man sich mit allem Ernste erklären muß,<lb/>
daß auch in diesem Falle die freisinnige Presse sich nicht ans eine sachliche<lb/>
Kritik der Entscheidung beschränkte, sondern die Unparteilichkeit des Gerichts in<lb/>
8wge zog. Die freisinnige Presse befolgte hier dieselbe Methode, die sie gegen<lb/>
das Reichsgericht befolgt hatte, als es gegen Munckel entschied.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_726" next="#ID_727"> Gegen Bismarcks großes Werk der Sozialreform wurde von der Partei,<lb/>
d^e schlechterdings nichts Vonseiten des Staats, d. h. überhaupt nichts Zuver¬<lb/>
lässiges und nachhaltiges für die Arbeiter thun will, wie schon früher, so jetzt,<lb/>
sichs um den wichtigsten Teil handelte, um die Alters- und Jnvaliden-<lb/>
öesetzgelmng, auf die thörichste Weise gehetzt. Es verlautete, daß die Grundzüge<lb/>
^zu bereits im Reichsamt des Innern fertig seien. Die Grundlage für die<lb/>
Altersversicherung sollte ein niedrigster Rentensatz von 120 Mark sein; zum</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1887. 39</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0313] Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssession. nicht, haben sehr rasch ihre drohende Stellung aufzugeben für ratsam gehalten, eine Sache, die recht deutlich zeigt, welch schädliches Beginnen die freisinnig- klerikalen Bestrebungen, die in der Verwerfung des Septennats gipfelten, gewesen sind. Es giebt ja im Deutschfreisinn eine Anzahl Persönlichkeiten, die nicht wissen, was sie damit thun, daß sie die Gefolgschaft Richters bilden und von denen das Wort gilt: Sie, vos mein vobis vsllörlr tortis vvvs. Aber das hilft dem Vaterlande nichts. Ihre Partei war das zersetzende Element im deutschen Reiche; ihre Kunst bestand dann, alles, was staatsfeindlich war und ist, um sich zu schaaren. Glücklicherweise haben wir Männer an der Spitze, die sich durch doktrinäre Spitzfindigkeiten so wenig mürbe machen lassen, wie durch je¬ suitische Bosheit. Mit ihnen zu wirken hat der neue Reichstag als seine Pflicht erkannt, die ihm vom deutschen Volte auferlegt war. Der Dank, den der Kaiser der scheidenden Versammlung am Schlüsse der ersten Session für erfolg¬ reiche Thätigkeit aussprechen ließ, war wohlverdient. Möge solches Zusammen¬ wirken von Reichstag und Neichsrcgierung auch fernerhin bleiben! Dann wird der Stern Deutschlands leuchten, auch wenn das Unwetter kommt. Werfen wir nun noch einen kurzen Blick auf die Zwischenzeit. In dieser Wurde von der freisinnigen Presse alles zur Anklage gegen die Regierung benutzt, was Staub aufwirbeln konnte. So der Fall Hinze. Herr Hinze war durch ehrengerichtlichen Spruch zum Verlust der Uniform und seines militärischen Charakters verurteilt worden. Er war ein durch dieses Urteil hart getroffener Acaiin, ohne Frage. Aber der Freisinn stellte ihn als ein Opfer politischer Verfolgung hin, und das war er nicht. Seine fast gewerbsmäßige Agitation, sein Appell an die studirende Jugend zum Zusammengehen mit den sozial- demokratischen Bestrebungen, sein nicht ofsiziermäßigcs Verhalten in dem Jockcl- schen Falle mußte es doch auch für andre als militärische Kreise sehr fraglich ^scheinen lassen, ob dies alles das Verbleiben des Herrn Hinze im Offizierstandc "och länger ermöglichte. Das Urteil der militärischen Kreise ging dahin, daß er von Glück zu sagen habe, daß ihn sein Schicksal erst jetzt erreiche. Aber mag "em sein, wie ihm wolle, das, wogegen man sich mit allem Ernste erklären muß, daß auch in diesem Falle die freisinnige Presse sich nicht ans eine sachliche Kritik der Entscheidung beschränkte, sondern die Unparteilichkeit des Gerichts in 8wge zog. Die freisinnige Presse befolgte hier dieselbe Methode, die sie gegen das Reichsgericht befolgt hatte, als es gegen Munckel entschied. Gegen Bismarcks großes Werk der Sozialreform wurde von der Partei, d^e schlechterdings nichts Vonseiten des Staats, d. h. überhaupt nichts Zuver¬ lässiges und nachhaltiges für die Arbeiter thun will, wie schon früher, so jetzt, sichs um den wichtigsten Teil handelte, um die Alters- und Jnvaliden- öesetzgelmng, auf die thörichste Weise gehetzt. Es verlautete, daß die Grundzüge ^zu bereits im Reichsamt des Innern fertig seien. Die Grundlage für die Altersversicherung sollte ein niedrigster Rentensatz von 120 Mark sein; zum Grenzboten IV. 1887. 39

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/313
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/313>, abgerufen am 22.07.2024.