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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Dichterfreundinnen.

kein Wesen ersetzen, darum ist sie einzig; sie reizt seine Eitelkeit, weil er sieht,
daß sie auch andre beschäftigt und daher nie erfährt, wie nachteilig die Urteile
sind, die selbst diese von ihr fällen. Wer sie nicht mag, flieht sie, ein neuer
Triumph! So hält sie ihn, geht hin und nutzt seinen Namen und führt ihn
mit Stolz. Das ist nicht billig, ach, und doch verdient er's. Ich bleibe hier,
man gewöhnt sich an alles, auch an die tägliche Aussicht einer Belagerung."

Nun erst begann die kritische Zeit für die warmherzige Frau. Forster
wurde immer tiefer und tiefer in den Nevolutiousstrudel hin ein gerissen, er mußte
sich wider seinen Willen zu dem Werkzeuge des Konvents und zum Jakobiner
machen lassen. Karoline nahm sich seiner Wirtschaft an, vertrat sein Haus¬
wesen und pflegte ihn schwesterlich liebevoll, wenn er krank war. Dabei mußte
sie tagtäglich mit den französischen Machthabern, den Offizieren, Konventsmit-
glicdern und Verwaltungsbeamten, sowie mit den leidenschaftlichsten Klubbisten
verkehren. Sie war Cnstine bekannt, speiste wiederholt an seiner Tafel, und
man erzählte, daß sie in seinem Wagen durch die Stadt gefahren sei. Gewiß
hat sie auch zuweilen den Klub besucht und war ohne Zweifel eine der Damen,
welche den Freiheitsbaum mit ihren Schleifen schmückten. Den ruhigen Bürgern
wurde sie dadurch verdächtig, und man glaubte ihr alles zutrauen zu dürfen,
da sie außerdem in ihrer leichtfertigen Gutmütigkeit eine Frau Forkel bei sich
aufgenommen hatte, die in anstößiger Weise ihrem Manne fortgelaufen war.
Im preußischen Lager galt sie außerdem für die Gemahlin des berüchtigten
Klubbisten und Frcmzvsendieners Dr. Böhmer. So zog sich um sie ein Gewebe
von Verdächtigungen zusammen, das ihr im höchsten Grade gefährlich werden
mußte. Als Mainz von den Preußen immer enger und enger eingeschlossen
wurde, im März 1793, verließ sie mit ihrem Kinde, der Frau Forkel und deren
Mutter die Stadt und hoffte ungestört nach Gotha gelangen zu können, wo
ihre Freundin Luise, die Frau des Dichters Götter, sie erwartete. Aber schon
in Frankfurt wurden die flüchtigen Frauen angehalten und verhört. Man ließ
sie mehrere Tage frei verkehren, sodaß sie hätten entfliehen können, aber Karo¬
line, mit leichtem Sinn ans die Rechtlichkeit ihres Verhaltens pochend, ver¬
schmähte es. Nun wurden sie nebst mehreren andern aufgefangenen flüchtigen
Klubbisten auf die zum Mainzer Gebiet gehörige Festung Königstein gebracht.
Hier mußten sie eine achtwöchcntliche Haft aushalten, anfangs mit einer Menge
andrer zusammengesperrt, später erst in einem besondern Raume. Verhöre
wurden sie nicht, es schien, daß man sie als Geißeln für in französischen Händen
befindliche Anhänger des alten Systems verwenden wollte. Am 14. Juni wurde
sie nach Krvnenberg entlassen, wo sich ihre Gefangenschaft in Ortshaft ver¬
wandelte. Noch Ende Juni war sie nicht frei. Rührend sind ihre Recht¬
fertigungen und Klagen ans dieser Zeit. "Ich bin nicht Verbrecherin -- schreibt
sie an Götter --, weder mittelbar noch unmittelbar, aber allerdings habe ich
Bekannte gehabt, die es sind und die mich nun verdächtig machen. Schuldig


Dichterfreundinnen.

kein Wesen ersetzen, darum ist sie einzig; sie reizt seine Eitelkeit, weil er sieht,
daß sie auch andre beschäftigt und daher nie erfährt, wie nachteilig die Urteile
sind, die selbst diese von ihr fällen. Wer sie nicht mag, flieht sie, ein neuer
Triumph! So hält sie ihn, geht hin und nutzt seinen Namen und führt ihn
mit Stolz. Das ist nicht billig, ach, und doch verdient er's. Ich bleibe hier,
man gewöhnt sich an alles, auch an die tägliche Aussicht einer Belagerung."

Nun erst begann die kritische Zeit für die warmherzige Frau. Forster
wurde immer tiefer und tiefer in den Nevolutiousstrudel hin ein gerissen, er mußte
sich wider seinen Willen zu dem Werkzeuge des Konvents und zum Jakobiner
machen lassen. Karoline nahm sich seiner Wirtschaft an, vertrat sein Haus¬
wesen und pflegte ihn schwesterlich liebevoll, wenn er krank war. Dabei mußte
sie tagtäglich mit den französischen Machthabern, den Offizieren, Konventsmit-
glicdern und Verwaltungsbeamten, sowie mit den leidenschaftlichsten Klubbisten
verkehren. Sie war Cnstine bekannt, speiste wiederholt an seiner Tafel, und
man erzählte, daß sie in seinem Wagen durch die Stadt gefahren sei. Gewiß
hat sie auch zuweilen den Klub besucht und war ohne Zweifel eine der Damen,
welche den Freiheitsbaum mit ihren Schleifen schmückten. Den ruhigen Bürgern
wurde sie dadurch verdächtig, und man glaubte ihr alles zutrauen zu dürfen,
da sie außerdem in ihrer leichtfertigen Gutmütigkeit eine Frau Forkel bei sich
aufgenommen hatte, die in anstößiger Weise ihrem Manne fortgelaufen war.
Im preußischen Lager galt sie außerdem für die Gemahlin des berüchtigten
Klubbisten und Frcmzvsendieners Dr. Böhmer. So zog sich um sie ein Gewebe
von Verdächtigungen zusammen, das ihr im höchsten Grade gefährlich werden
mußte. Als Mainz von den Preußen immer enger und enger eingeschlossen
wurde, im März 1793, verließ sie mit ihrem Kinde, der Frau Forkel und deren
Mutter die Stadt und hoffte ungestört nach Gotha gelangen zu können, wo
ihre Freundin Luise, die Frau des Dichters Götter, sie erwartete. Aber schon
in Frankfurt wurden die flüchtigen Frauen angehalten und verhört. Man ließ
sie mehrere Tage frei verkehren, sodaß sie hätten entfliehen können, aber Karo¬
line, mit leichtem Sinn ans die Rechtlichkeit ihres Verhaltens pochend, ver¬
schmähte es. Nun wurden sie nebst mehreren andern aufgefangenen flüchtigen
Klubbisten auf die zum Mainzer Gebiet gehörige Festung Königstein gebracht.
Hier mußten sie eine achtwöchcntliche Haft aushalten, anfangs mit einer Menge
andrer zusammengesperrt, später erst in einem besondern Raume. Verhöre
wurden sie nicht, es schien, daß man sie als Geißeln für in französischen Händen
befindliche Anhänger des alten Systems verwenden wollte. Am 14. Juni wurde
sie nach Krvnenberg entlassen, wo sich ihre Gefangenschaft in Ortshaft ver¬
wandelte. Noch Ende Juni war sie nicht frei. Rührend sind ihre Recht¬
fertigungen und Klagen ans dieser Zeit. „Ich bin nicht Verbrecherin — schreibt
sie an Götter —, weder mittelbar noch unmittelbar, aber allerdings habe ich
Bekannte gehabt, die es sind und die mich nun verdächtig machen. Schuldig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/187>, abgerufen am 22.07.2024.