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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Dichterfreundinnen.

Leute ass Zusux <ze clss ini8srab1<ZL wären, wie man sie gern dafür geben möchte,
wenn nicht strenge Disziplin stattfände, wenn nicht der stolze Geist ihrer Sache
sie beseelte und sie Großmut lehrte, so würds unmöglich sein, so alle Aus¬
schweifungen, alle Insulten zu vermeiden." Aber auch jetzt noch sind ihre An¬
sichten gemäßigt. "Was mich mehr als alles ^als alle Siege der Republikaners
freut -- ruft sie aus --, ist, daß die Marats in der Nationalversammlung nach
Verdienst gebrandmarkt worden sind." Sie ist entrüstet über ihren Schwager,
Doktor Georg Böhmer, der seine Professur in Worms aufgegeben und sich an
Custine herangedrängt hatte. "Mir sank das Herz -- schreibt sie an Meyer --,
wie ich den Menschen sah, o weh, wollt und könnt ihr den brauchen? Aber wen
kann man nicht brauchen? Die sich bei solchen Gelegenheiten vordrängen, sind
nicht die besten." Sie freut sich, daß Forster sich zurückhält, zögert, "noch bei
keinem der Institute ist." Im Dezember, als Therese mit ihren Kindern nach
Straßburg gegangen ist, schildert sie ihrem Freunde Meyer das Forstersche
Familienleben mit einer solchen Feinheit, daß ihr großes Talent zu beobachten
und zu charakterisiren nicht glänzender hervortreten kann. "Therese ist nicht
mehr hier. Sie ist mit den zwei Kindern nach Straßburg gegangen, warum?
das fragen Sie mich nicht. Menschlichem Ansehen nach ist es der falscheste
Schritt, den sie jemals gethan hat, und der erste Schritt, den ich ohne Rück¬
halt mißbillige. Sie, die über jeden Flüchtling mit Heftigkeit geschimpft hat,
die sich für die Sache mit Feuereifer interessirte, geht in einem Augenblicke, wo
jede Sicherheitsmaßregel Eindruck macht und die jämmerliche Unentschlossenheit
der Menge vermehrt, wo sie ihn mit Geschäften überhäuft zurückläßt, obendrein
beladen mit der Sorge für die Wirtschaft zwei Haushaltungen ihn bestreiten
läßt, zu der Zeit, wo alle Besoldungen zurückgehalten werden. Das fällt in
die Augen. Er wollte auch nicht; ich weiß weder, welche geheimen Gründe sie
hat, noch welche sie ihm geltend machte, sie hat's aber durchgesetzt. Er
sForster^ ist der wunderbarste Mann, ich habe nie jemand so geliebt, so bewundert
und dann wieder so gering geschätzt. Er ging seinen politischen Weg durchaus
allein und that wohl daran. Er geht mit einem Adel, einer Intelligenz, einer
Bescheidenheit, einer Uneigennützigkeit, wär' es nur das! Aber im Hinterhalt
tauscht Schwäche, Bedürfnis ihres ^Theresens) Beifalls, elende Unterdrückung
gerechter Forderungen, auffahrendes Durchsetze" geringeres. Er lebt von Atten-
tionen und schmachtet nach Liebe, und kann diesen ewigen Kampf ertragen und
hat nicht die Stärke, sich loszureißen, die man auch da, wo man Superiorität
anerkennt, haben müßte, wenn es uns mit uns selbst entzweit. Dieses Mannes
unglückliche Empfänglichkeit und ihr ungroßmütiger Eigennutz verdammen ihn
zu ewiger Qual. Ich habe Wohl gedacht, ob man ihm die Augen öffnen könnte
-- es versteht sich, daß ich nicht mittelbar noch unmittelbar dazu beitragen
darf und werde --, ich habe gefunden, man würde seine Liebe töten können,
aber seine Anhänglichkeit nicht. Sie beschäftigt, sie amüsirt ihn, das kann ihm


Dichterfreundinnen.

Leute ass Zusux <ze clss ini8srab1<ZL wären, wie man sie gern dafür geben möchte,
wenn nicht strenge Disziplin stattfände, wenn nicht der stolze Geist ihrer Sache
sie beseelte und sie Großmut lehrte, so würds unmöglich sein, so alle Aus¬
schweifungen, alle Insulten zu vermeiden." Aber auch jetzt noch sind ihre An¬
sichten gemäßigt. „Was mich mehr als alles ^als alle Siege der Republikaners
freut — ruft sie aus —, ist, daß die Marats in der Nationalversammlung nach
Verdienst gebrandmarkt worden sind." Sie ist entrüstet über ihren Schwager,
Doktor Georg Böhmer, der seine Professur in Worms aufgegeben und sich an
Custine herangedrängt hatte. „Mir sank das Herz — schreibt sie an Meyer —,
wie ich den Menschen sah, o weh, wollt und könnt ihr den brauchen? Aber wen
kann man nicht brauchen? Die sich bei solchen Gelegenheiten vordrängen, sind
nicht die besten." Sie freut sich, daß Forster sich zurückhält, zögert, „noch bei
keinem der Institute ist." Im Dezember, als Therese mit ihren Kindern nach
Straßburg gegangen ist, schildert sie ihrem Freunde Meyer das Forstersche
Familienleben mit einer solchen Feinheit, daß ihr großes Talent zu beobachten
und zu charakterisiren nicht glänzender hervortreten kann. „Therese ist nicht
mehr hier. Sie ist mit den zwei Kindern nach Straßburg gegangen, warum?
das fragen Sie mich nicht. Menschlichem Ansehen nach ist es der falscheste
Schritt, den sie jemals gethan hat, und der erste Schritt, den ich ohne Rück¬
halt mißbillige. Sie, die über jeden Flüchtling mit Heftigkeit geschimpft hat,
die sich für die Sache mit Feuereifer interessirte, geht in einem Augenblicke, wo
jede Sicherheitsmaßregel Eindruck macht und die jämmerliche Unentschlossenheit
der Menge vermehrt, wo sie ihn mit Geschäften überhäuft zurückläßt, obendrein
beladen mit der Sorge für die Wirtschaft zwei Haushaltungen ihn bestreiten
läßt, zu der Zeit, wo alle Besoldungen zurückgehalten werden. Das fällt in
die Augen. Er wollte auch nicht; ich weiß weder, welche geheimen Gründe sie
hat, noch welche sie ihm geltend machte, sie hat's aber durchgesetzt. Er
sForster^ ist der wunderbarste Mann, ich habe nie jemand so geliebt, so bewundert
und dann wieder so gering geschätzt. Er ging seinen politischen Weg durchaus
allein und that wohl daran. Er geht mit einem Adel, einer Intelligenz, einer
Bescheidenheit, einer Uneigennützigkeit, wär' es nur das! Aber im Hinterhalt
tauscht Schwäche, Bedürfnis ihres ^Theresens) Beifalls, elende Unterdrückung
gerechter Forderungen, auffahrendes Durchsetze» geringeres. Er lebt von Atten-
tionen und schmachtet nach Liebe, und kann diesen ewigen Kampf ertragen und
hat nicht die Stärke, sich loszureißen, die man auch da, wo man Superiorität
anerkennt, haben müßte, wenn es uns mit uns selbst entzweit. Dieses Mannes
unglückliche Empfänglichkeit und ihr ungroßmütiger Eigennutz verdammen ihn
zu ewiger Qual. Ich habe Wohl gedacht, ob man ihm die Augen öffnen könnte
— es versteht sich, daß ich nicht mittelbar noch unmittelbar dazu beitragen
darf und werde —, ich habe gefunden, man würde seine Liebe töten können,
aber seine Anhänglichkeit nicht. Sie beschäftigt, sie amüsirt ihn, das kann ihm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/186>, abgerufen am 22.06.2024.