Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.Die akademische Uunstcmsstellung in Berlin. den Unterschied zwischen der mechanischen Arbeit des Augenblicksphotographen Das zweite Beispiel. Franz Skarbina hat auf einem seiner lebensvollen, Die akademische Uunstcmsstellung in Berlin. den Unterschied zwischen der mechanischen Arbeit des Augenblicksphotographen Das zweite Beispiel. Franz Skarbina hat auf einem seiner lebensvollen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201270"/> <fw type="header" place="top"> Die akademische Uunstcmsstellung in Berlin.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1540" prev="#ID_1539"> den Unterschied zwischen der mechanischen Arbeit des Augenblicksphotographen<lb/> und dem geistigen Schaffen des Malers, der einen Moment, einen Ausschnitt<lb/> aus der Natur festhalten will, klar machen werden. Anton von Werner hat<lb/> den Fürsten Bismarck dargestellt, wie er am Bundesratstische stehend, in der<lb/> Linken ein Schriftstück, mit der Rechten nach hinten unter den Uniformrock<lb/> greifend, als wollte er sein Taschentuch hervorziehen, vor dem Reichstage eine<lb/> Rede hält. Der Kopf ist dem Beschauer fast im Profil zugekehrt, der Mund<lb/> ist halb geöffnet — denn er redet ja —, und auch im übrigen, in dem Beiwerk<lb/> der Umgebung, Stuhl, Tisch und Wand, ist die Wirklichkeit mit jenem Respekt<lb/> nachgebildet, welchen Anton von Werner in gleichem Maße einem menschlichen<lb/> Antlitz wie einem Uniformknopf entgegenbringt. Der Aufwand zeichnerischer<lb/> und malerischer Handfertigkeit ist in diesem Falle vergeblich gewesen. Genau<lb/> dasselbe würde ein Photograph erreicht haben. Es ist sogar nicht ausgeschlossen,<lb/> daß ein Photograph, wenn er Einsicht, Klugheit und Geschmack hat, einen viel<lb/> günstigeren Augenblick erfaßt und ein Abbild geliefert hätte, welches die Ge¬<lb/> nialität des gewaltigen Mannes viel deutlicher und überzeugender zur Anschauung<lb/> bringt als das Wernersche Bild. Wenn eine so hergestellte Photographie nachher<lb/> in Farben gesetzt wird, kann eine gleiche Wirkung erzielt werden wie mit einem<lb/> Gemälde A- von Werners, der nicht Kolorist in höherem Sinne ist, sondern<lb/> kühl und bedächtig den einen Farbenton neben den andern setzt. Ein solches<lb/> künstlerisches Verfahren kann also durch die Photographie ersetzt werden,<lb/> und wenn es allgemein angenommen würde, wäre die Zeit gekommen, wo,<lb/> wie Professor Otto Knille schön sagt, die Maler nur noch als „zweibeinige<lb/> Aufnahmeapparate zwischen Natur und Mitbürgern" zu wirken haben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1541" next="#ID_1542"> Das zweite Beispiel. Franz Skarbina hat auf einem seiner lebensvollen,<lb/> dem unmittelbaren Studium der Natur entsprossenen Aquarell die Szene ge¬<lb/> schildert, welche sich täglich vor dem kaiserlichen Palais abspielt, den Vorttber-<lb/> marsch der Schloßwache und den Jubel des Volkes, der stürmisch ausbricht,<lb/> sobald sich die Gestalt des geliebten Monarchen hinter dem Eckfenster zeigt.<lb/> Auch dieser „Blick aus des Kaisers Fenster" könnte vermittels der Photo¬<lb/> graphie festgehalten werden, und derartige Versuche sind auch am neunzigsten<lb/> Geburtstage des Kaisers gemacht worden. Aber diese Versuche haben zugleich<lb/> gelehrt, daß die Photographie, wenigstens gegenwärtig noch, ohnmächtig ist,<lb/> wo es sich um Beherrschung der Massen und zugleich um Hervorhebung des<lb/> Einzelnen handelt. Und in Bezug auf letzteren Punkt wird die Maschine vor¬<lb/> aussichtlich für immer versagen. Sie wird niemals mehr als ein Abbild des<lb/> Zufalls, also stets etwas Unvollkommenes geben, während der Maler insofern<lb/> zu einer gewissen Vollkommenheit gelangen kann, als die Möglichkeit für ihn<lb/> vorhanden ist, den ihm vor Augen schwebenden Zweck oder sein Ideal zu er¬<lb/> reichen. Skarbina hat mit seinem nächsten Zwecke, einen fesselnden Augenblick<lb/> aus der Wirklichkeit möglichst lebendig zu veranschaulichen, die höhere Absicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0491]
Die akademische Uunstcmsstellung in Berlin.
den Unterschied zwischen der mechanischen Arbeit des Augenblicksphotographen
und dem geistigen Schaffen des Malers, der einen Moment, einen Ausschnitt
aus der Natur festhalten will, klar machen werden. Anton von Werner hat
den Fürsten Bismarck dargestellt, wie er am Bundesratstische stehend, in der
Linken ein Schriftstück, mit der Rechten nach hinten unter den Uniformrock
greifend, als wollte er sein Taschentuch hervorziehen, vor dem Reichstage eine
Rede hält. Der Kopf ist dem Beschauer fast im Profil zugekehrt, der Mund
ist halb geöffnet — denn er redet ja —, und auch im übrigen, in dem Beiwerk
der Umgebung, Stuhl, Tisch und Wand, ist die Wirklichkeit mit jenem Respekt
nachgebildet, welchen Anton von Werner in gleichem Maße einem menschlichen
Antlitz wie einem Uniformknopf entgegenbringt. Der Aufwand zeichnerischer
und malerischer Handfertigkeit ist in diesem Falle vergeblich gewesen. Genau
dasselbe würde ein Photograph erreicht haben. Es ist sogar nicht ausgeschlossen,
daß ein Photograph, wenn er Einsicht, Klugheit und Geschmack hat, einen viel
günstigeren Augenblick erfaßt und ein Abbild geliefert hätte, welches die Ge¬
nialität des gewaltigen Mannes viel deutlicher und überzeugender zur Anschauung
bringt als das Wernersche Bild. Wenn eine so hergestellte Photographie nachher
in Farben gesetzt wird, kann eine gleiche Wirkung erzielt werden wie mit einem
Gemälde A- von Werners, der nicht Kolorist in höherem Sinne ist, sondern
kühl und bedächtig den einen Farbenton neben den andern setzt. Ein solches
künstlerisches Verfahren kann also durch die Photographie ersetzt werden,
und wenn es allgemein angenommen würde, wäre die Zeit gekommen, wo,
wie Professor Otto Knille schön sagt, die Maler nur noch als „zweibeinige
Aufnahmeapparate zwischen Natur und Mitbürgern" zu wirken haben werden.
Das zweite Beispiel. Franz Skarbina hat auf einem seiner lebensvollen,
dem unmittelbaren Studium der Natur entsprossenen Aquarell die Szene ge¬
schildert, welche sich täglich vor dem kaiserlichen Palais abspielt, den Vorttber-
marsch der Schloßwache und den Jubel des Volkes, der stürmisch ausbricht,
sobald sich die Gestalt des geliebten Monarchen hinter dem Eckfenster zeigt.
Auch dieser „Blick aus des Kaisers Fenster" könnte vermittels der Photo¬
graphie festgehalten werden, und derartige Versuche sind auch am neunzigsten
Geburtstage des Kaisers gemacht worden. Aber diese Versuche haben zugleich
gelehrt, daß die Photographie, wenigstens gegenwärtig noch, ohnmächtig ist,
wo es sich um Beherrschung der Massen und zugleich um Hervorhebung des
Einzelnen handelt. Und in Bezug auf letzteren Punkt wird die Maschine vor¬
aussichtlich für immer versagen. Sie wird niemals mehr als ein Abbild des
Zufalls, also stets etwas Unvollkommenes geben, während der Maler insofern
zu einer gewissen Vollkommenheit gelangen kann, als die Möglichkeit für ihn
vorhanden ist, den ihm vor Augen schwebenden Zweck oder sein Ideal zu er¬
reichen. Skarbina hat mit seinem nächsten Zwecke, einen fesselnden Augenblick
aus der Wirklichkeit möglichst lebendig zu veranschaulichen, die höhere Absicht
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