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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Weisheit Salomos.

Kund thun will ich vor aller Welt,
Eitel sei dieses Königs
Gepriesene Wahrheit.
Verströmen soll er Knabcnthräncn,
Und dieses Herz, das mich verschmäht,
In ungestillten Wünschen Tag und Nacht
Soll sich's verzehren! (Gebieterisch!) Ruf mir Ben Jsbah!

Er soll das Mädchen sogleich aus Jerusalem weg nach Saba führen -- doch
überwältigt vom Schmerz bricht die Königin plötzlich zusammen und sinkt um.

Der folgende (vierte) Akt bringt die Lösung dieses Mißverständnisses. Zur
Sulamith, die, einer Taube im goldenen Käfig gleich, in einem königlichen
Gemach gefangen gehalten wird, hat sich Hadad geschlichen. Nun offenbart sich
ihre bisher verborgene Leidenschaft für den braunen Hirten. Allein in eine ge¬
waltsame Befreiung, wie sie Hadad plant, willigt sie nicht ein. Da nahen die
Königin und Ben Jsbah, Sulamith drängt Hadad zur Thür hinaus. Bailis
verkündet der irrtümlich beneideten Nebenbuhlerin, daß sie auf der Stelle werde
nach Saba werde geführt werden. In ihrer Angst schreit Sulamith nach Hadad
um Hilfe, dieser kommt mit entblößtem Dolche hereingestürzt, und nun erklärt
sich zur aufrichtigen Befriedigung der Königin der Hirte Hadad als der Bräu¬
tigam Sulamiths, die er aus Armut noch nicht habe heiraten können. Nur um
dem verhaßten König einen Streich zu spielen, will Bailis das Paar augen¬
blicklich kopuliren lassen, der Armut werde sie schon abhelfen. Da erscheint
plötzlich Salomo. Rasch unterrichtet von der boshaften Königin, gerät auch
feine Leidenschaft ins Spiel. Er sagt es offen, daß er selbst Sulamith heim¬
zuführen die Absicht habe: "Meiner eignen Krone Glanz zu schmücken mit diesem
Kleinod." Das Mädchen sei unerfahren, deshalb müsse ihr Zeit zur Überlegung
gelassen werden: Sulamith solle acht Tage in seinem Hause, umgeben nur
von Frauen, verweilen, und dann solle sie sich entscheiden für ihn, den König,
oder den Hirten. Da bricht Hadad mit einigermaßen überraschender Kühnheit
und Einsicht gegen den königlichen Nebenbuhler los, und als einen Räuber,
der dem Armen sein einzig Lamm raubt, beschimpft er ihn. Dieser will auch
aufbrausen, doch bezwingt er sich rasch und befiehlt "völlig gelassen," den frechen
Knaben ins Tollhaus zu sperren. Das bringt Hadad vollends zum Nasen, und
mit dem Messer stürzt er auf den König los, "der ihn mit festem Blick er¬
wartet hat und ihm das hochgeschwungene Messer rasch aus der Faust windet."
Und "gelassen" sagt Salomo: "Noch ist's nicht Zeit." Hadad soll seinen Mord¬
versuch mit dem Kopfe büßen. Da stürzt Sulamith Salomo mit rührendem
Flehen zu Füßen. Ihr kann er nichts verweigern. Hadad lebe! ruft er, doch unter
der Bedingung: es wähle sich Sulamith eiuen Hüter, der sie beschützt vor dieses
Wilden Glut. Und sie kehre heim in des Vaters Haus, sieben Tage bete sie
dort zum Herrn, daß er ihr Herz erleuchte, am achten Morgen fälle sie die
Entscheidung.


Die Weisheit Salomos.

Kund thun will ich vor aller Welt,
Eitel sei dieses Königs
Gepriesene Wahrheit.
Verströmen soll er Knabcnthräncn,
Und dieses Herz, das mich verschmäht,
In ungestillten Wünschen Tag und Nacht
Soll sich's verzehren! (Gebieterisch!) Ruf mir Ben Jsbah!

Er soll das Mädchen sogleich aus Jerusalem weg nach Saba führen — doch
überwältigt vom Schmerz bricht die Königin plötzlich zusammen und sinkt um.

Der folgende (vierte) Akt bringt die Lösung dieses Mißverständnisses. Zur
Sulamith, die, einer Taube im goldenen Käfig gleich, in einem königlichen
Gemach gefangen gehalten wird, hat sich Hadad geschlichen. Nun offenbart sich
ihre bisher verborgene Leidenschaft für den braunen Hirten. Allein in eine ge¬
waltsame Befreiung, wie sie Hadad plant, willigt sie nicht ein. Da nahen die
Königin und Ben Jsbah, Sulamith drängt Hadad zur Thür hinaus. Bailis
verkündet der irrtümlich beneideten Nebenbuhlerin, daß sie auf der Stelle werde
nach Saba werde geführt werden. In ihrer Angst schreit Sulamith nach Hadad
um Hilfe, dieser kommt mit entblößtem Dolche hereingestürzt, und nun erklärt
sich zur aufrichtigen Befriedigung der Königin der Hirte Hadad als der Bräu¬
tigam Sulamiths, die er aus Armut noch nicht habe heiraten können. Nur um
dem verhaßten König einen Streich zu spielen, will Bailis das Paar augen¬
blicklich kopuliren lassen, der Armut werde sie schon abhelfen. Da erscheint
plötzlich Salomo. Rasch unterrichtet von der boshaften Königin, gerät auch
feine Leidenschaft ins Spiel. Er sagt es offen, daß er selbst Sulamith heim¬
zuführen die Absicht habe: „Meiner eignen Krone Glanz zu schmücken mit diesem
Kleinod." Das Mädchen sei unerfahren, deshalb müsse ihr Zeit zur Überlegung
gelassen werden: Sulamith solle acht Tage in seinem Hause, umgeben nur
von Frauen, verweilen, und dann solle sie sich entscheiden für ihn, den König,
oder den Hirten. Da bricht Hadad mit einigermaßen überraschender Kühnheit
und Einsicht gegen den königlichen Nebenbuhler los, und als einen Räuber,
der dem Armen sein einzig Lamm raubt, beschimpft er ihn. Dieser will auch
aufbrausen, doch bezwingt er sich rasch und befiehlt „völlig gelassen," den frechen
Knaben ins Tollhaus zu sperren. Das bringt Hadad vollends zum Nasen, und
mit dem Messer stürzt er auf den König los, „der ihn mit festem Blick er¬
wartet hat und ihm das hochgeschwungene Messer rasch aus der Faust windet."
Und „gelassen" sagt Salomo: „Noch ist's nicht Zeit." Hadad soll seinen Mord¬
versuch mit dem Kopfe büßen. Da stürzt Sulamith Salomo mit rührendem
Flehen zu Füßen. Ihr kann er nichts verweigern. Hadad lebe! ruft er, doch unter
der Bedingung: es wähle sich Sulamith eiuen Hüter, der sie beschützt vor dieses
Wilden Glut. Und sie kehre heim in des Vaters Haus, sieben Tage bete sie
dort zum Herrn, daß er ihr Herz erleuchte, am achten Morgen fälle sie die
Entscheidung.


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[0482] Die Weisheit Salomos. Kund thun will ich vor aller Welt, Eitel sei dieses Königs Gepriesene Wahrheit. Verströmen soll er Knabcnthräncn, Und dieses Herz, das mich verschmäht, In ungestillten Wünschen Tag und Nacht Soll sich's verzehren! (Gebieterisch!) Ruf mir Ben Jsbah! Er soll das Mädchen sogleich aus Jerusalem weg nach Saba führen — doch überwältigt vom Schmerz bricht die Königin plötzlich zusammen und sinkt um. Der folgende (vierte) Akt bringt die Lösung dieses Mißverständnisses. Zur Sulamith, die, einer Taube im goldenen Käfig gleich, in einem königlichen Gemach gefangen gehalten wird, hat sich Hadad geschlichen. Nun offenbart sich ihre bisher verborgene Leidenschaft für den braunen Hirten. Allein in eine ge¬ waltsame Befreiung, wie sie Hadad plant, willigt sie nicht ein. Da nahen die Königin und Ben Jsbah, Sulamith drängt Hadad zur Thür hinaus. Bailis verkündet der irrtümlich beneideten Nebenbuhlerin, daß sie auf der Stelle werde nach Saba werde geführt werden. In ihrer Angst schreit Sulamith nach Hadad um Hilfe, dieser kommt mit entblößtem Dolche hereingestürzt, und nun erklärt sich zur aufrichtigen Befriedigung der Königin der Hirte Hadad als der Bräu¬ tigam Sulamiths, die er aus Armut noch nicht habe heiraten können. Nur um dem verhaßten König einen Streich zu spielen, will Bailis das Paar augen¬ blicklich kopuliren lassen, der Armut werde sie schon abhelfen. Da erscheint plötzlich Salomo. Rasch unterrichtet von der boshaften Königin, gerät auch feine Leidenschaft ins Spiel. Er sagt es offen, daß er selbst Sulamith heim¬ zuführen die Absicht habe: „Meiner eignen Krone Glanz zu schmücken mit diesem Kleinod." Das Mädchen sei unerfahren, deshalb müsse ihr Zeit zur Überlegung gelassen werden: Sulamith solle acht Tage in seinem Hause, umgeben nur von Frauen, verweilen, und dann solle sie sich entscheiden für ihn, den König, oder den Hirten. Da bricht Hadad mit einigermaßen überraschender Kühnheit und Einsicht gegen den königlichen Nebenbuhler los, und als einen Räuber, der dem Armen sein einzig Lamm raubt, beschimpft er ihn. Dieser will auch aufbrausen, doch bezwingt er sich rasch und befiehlt „völlig gelassen," den frechen Knaben ins Tollhaus zu sperren. Das bringt Hadad vollends zum Nasen, und mit dem Messer stürzt er auf den König los, „der ihn mit festem Blick er¬ wartet hat und ihm das hochgeschwungene Messer rasch aus der Faust windet." Und „gelassen" sagt Salomo: „Noch ist's nicht Zeit." Hadad soll seinen Mord¬ versuch mit dem Kopfe büßen. Da stürzt Sulamith Salomo mit rührendem Flehen zu Füßen. Ihr kann er nichts verweigern. Hadad lebe! ruft er, doch unter der Bedingung: es wähle sich Sulamith eiuen Hüter, der sie beschützt vor dieses Wilden Glut. Und sie kehre heim in des Vaters Haus, sieben Tage bete sie dort zum Herrn, daß er ihr Herz erleuchte, am achten Morgen fälle sie die Entscheidung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/482>, abgerufen am 23.07.2024.