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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Weisheit Zalomos.

Nun ist auch Salomo, wie wir dies seinem tief empfundenen und sehr wirk¬
samen Monologe, der den fünften Akt eröffnet, entnehmen, am Ende seiner
Weisheit. Vergeht er sich etwa wie sein Vater David gegen das Weib des Urias?
Ist denn nicht Salumith frei? Muß der erste Geliebte gleich ihr bester sein?


Weil er mit ihr im Bach
Die Lämmer weidete? -- und ich, der ich
Ein treuer Hirte meines Volkes war,
Mit ihm nicht dürft' ich um die Wette werben,
Daß sie sich frei entschlösse -- ? Frei! Da liegt's.
Ist noch ihr Wille frei, da sich's für ihn
Um Tod und Leben handelt? Doch wie vieles
Thun wir, gehorchend der Notwendigkeit,
Was uns, die blindlings tasten ihren Pfad,
Zum Glücke führt. , . ,

Und du, Herr mein Gott,
Der du die Herzen prüfst, du weißt, ich will
Das Glück uur dieses Kindes. Daß auch meins
An seinem Lächeln hängt, ist's meine Schuld?
So führe du's hinaus in deiner Weisheit,
Vor der die unsre Thorheit ist.


Beiläufig: dieser Monolog ist künstlerisch ein Meisterstück. Der Stempel der
höchsten Vollendung wird hier der Gestalt Salomos aufgedrückt. Er führt
uns in das Herz dieses Mannes ein und gewinnt ihm das unsrige, indem wir ihn
in wahrhaft menschlicher Demut mit jener Weisheit verkehren sehen, der er in
erhabener Frömmigkeit die seinige unterordnet. Und das wirksamste ist, daß
wir gerade vor der Katastrophe dieses Selbstgespräch vernehmen. Nun halten
wir den König der edelsten Handlung fähig, die uns der Ausgang des Stückes
zu glauben zumutet.

Saphat, der trotz seines Hasses derer von Saba so unlogisch bereitwillig
sein Töchterchen der Königin Bailis überliefert hat, ist nun wieder umgestimmt:
er hat Sulamith beredet, die Frist von acht Tagen abzukürzen und gleich am
nächsten Morgen dem verliebten Salomo ihr Jawort zu schicken. Eine gehor¬
same Tochter und auch verpflichtet durch die That Hadads, hat sie sich schwer¬
wütig in ihr Schicksal ergeben, denn durch die Verbindung mit dem Könige
allein kann sie den geliebten Hirten retten. Schon sind des Herrn Dienerinnen
gekommen, sie zum Hochzeitszuge zu schmücken. Die Königin von Saba selbst,
die, um Abschied zu nehmen, nirgend anders als im Garten der Braut Salomo
treffen zu können hoffte, ruft beim Anblick der geschmückten Sulamith aus:
"Halt aus mein Herz! Ha, wie sie schön ist!" Salomo ist glücklich. Der
spöttische" Königin antwortet er in Tönen des Hohenliedes:


Wo viele Weisheit ist, da ist viel Gramms.
Nur junge Thorheit lehrt der Nichtigkeit
Des Lebens spotten. Lieb' ist wie ein Wein,

Die Weisheit Zalomos.

Nun ist auch Salomo, wie wir dies seinem tief empfundenen und sehr wirk¬
samen Monologe, der den fünften Akt eröffnet, entnehmen, am Ende seiner
Weisheit. Vergeht er sich etwa wie sein Vater David gegen das Weib des Urias?
Ist denn nicht Salumith frei? Muß der erste Geliebte gleich ihr bester sein?


Weil er mit ihr im Bach
Die Lämmer weidete? — und ich, der ich
Ein treuer Hirte meines Volkes war,
Mit ihm nicht dürft' ich um die Wette werben,
Daß sie sich frei entschlösse — ? Frei! Da liegt's.
Ist noch ihr Wille frei, da sich's für ihn
Um Tod und Leben handelt? Doch wie vieles
Thun wir, gehorchend der Notwendigkeit,
Was uns, die blindlings tasten ihren Pfad,
Zum Glücke führt. , . ,

Und du, Herr mein Gott,
Der du die Herzen prüfst, du weißt, ich will
Das Glück uur dieses Kindes. Daß auch meins
An seinem Lächeln hängt, ist's meine Schuld?
So führe du's hinaus in deiner Weisheit,
Vor der die unsre Thorheit ist.


Beiläufig: dieser Monolog ist künstlerisch ein Meisterstück. Der Stempel der
höchsten Vollendung wird hier der Gestalt Salomos aufgedrückt. Er führt
uns in das Herz dieses Mannes ein und gewinnt ihm das unsrige, indem wir ihn
in wahrhaft menschlicher Demut mit jener Weisheit verkehren sehen, der er in
erhabener Frömmigkeit die seinige unterordnet. Und das wirksamste ist, daß
wir gerade vor der Katastrophe dieses Selbstgespräch vernehmen. Nun halten
wir den König der edelsten Handlung fähig, die uns der Ausgang des Stückes
zu glauben zumutet.

Saphat, der trotz seines Hasses derer von Saba so unlogisch bereitwillig
sein Töchterchen der Königin Bailis überliefert hat, ist nun wieder umgestimmt:
er hat Sulamith beredet, die Frist von acht Tagen abzukürzen und gleich am
nächsten Morgen dem verliebten Salomo ihr Jawort zu schicken. Eine gehor¬
same Tochter und auch verpflichtet durch die That Hadads, hat sie sich schwer¬
wütig in ihr Schicksal ergeben, denn durch die Verbindung mit dem Könige
allein kann sie den geliebten Hirten retten. Schon sind des Herrn Dienerinnen
gekommen, sie zum Hochzeitszuge zu schmücken. Die Königin von Saba selbst,
die, um Abschied zu nehmen, nirgend anders als im Garten der Braut Salomo
treffen zu können hoffte, ruft beim Anblick der geschmückten Sulamith aus:
„Halt aus mein Herz! Ha, wie sie schön ist!" Salomo ist glücklich. Der
spöttische» Königin antwortet er in Tönen des Hohenliedes:


Wo viele Weisheit ist, da ist viel Gramms.
Nur junge Thorheit lehrt der Nichtigkeit
Des Lebens spotten. Lieb' ist wie ein Wein,

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[0483] Die Weisheit Zalomos. Nun ist auch Salomo, wie wir dies seinem tief empfundenen und sehr wirk¬ samen Monologe, der den fünften Akt eröffnet, entnehmen, am Ende seiner Weisheit. Vergeht er sich etwa wie sein Vater David gegen das Weib des Urias? Ist denn nicht Salumith frei? Muß der erste Geliebte gleich ihr bester sein? Weil er mit ihr im Bach Die Lämmer weidete? — und ich, der ich Ein treuer Hirte meines Volkes war, Mit ihm nicht dürft' ich um die Wette werben, Daß sie sich frei entschlösse — ? Frei! Da liegt's. Ist noch ihr Wille frei, da sich's für ihn Um Tod und Leben handelt? Doch wie vieles Thun wir, gehorchend der Notwendigkeit, Was uns, die blindlings tasten ihren Pfad, Zum Glücke führt. , . , Und du, Herr mein Gott, Der du die Herzen prüfst, du weißt, ich will Das Glück uur dieses Kindes. Daß auch meins An seinem Lächeln hängt, ist's meine Schuld? So führe du's hinaus in deiner Weisheit, Vor der die unsre Thorheit ist. Beiläufig: dieser Monolog ist künstlerisch ein Meisterstück. Der Stempel der höchsten Vollendung wird hier der Gestalt Salomos aufgedrückt. Er führt uns in das Herz dieses Mannes ein und gewinnt ihm das unsrige, indem wir ihn in wahrhaft menschlicher Demut mit jener Weisheit verkehren sehen, der er in erhabener Frömmigkeit die seinige unterordnet. Und das wirksamste ist, daß wir gerade vor der Katastrophe dieses Selbstgespräch vernehmen. Nun halten wir den König der edelsten Handlung fähig, die uns der Ausgang des Stückes zu glauben zumutet. Saphat, der trotz seines Hasses derer von Saba so unlogisch bereitwillig sein Töchterchen der Königin Bailis überliefert hat, ist nun wieder umgestimmt: er hat Sulamith beredet, die Frist von acht Tagen abzukürzen und gleich am nächsten Morgen dem verliebten Salomo ihr Jawort zu schicken. Eine gehor¬ same Tochter und auch verpflichtet durch die That Hadads, hat sie sich schwer¬ wütig in ihr Schicksal ergeben, denn durch die Verbindung mit dem Könige allein kann sie den geliebten Hirten retten. Schon sind des Herrn Dienerinnen gekommen, sie zum Hochzeitszuge zu schmücken. Die Königin von Saba selbst, die, um Abschied zu nehmen, nirgend anders als im Garten der Braut Salomo treffen zu können hoffte, ruft beim Anblick der geschmückten Sulamith aus: „Halt aus mein Herz! Ha, wie sie schön ist!" Salomo ist glücklich. Der spöttische» Königin antwortet er in Tönen des Hohenliedes: Wo viele Weisheit ist, da ist viel Gramms. Nur junge Thorheit lehrt der Nichtigkeit Des Lebens spotten. Lieb' ist wie ein Wein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/483>, abgerufen am 23.07.2024.