Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Iweikampf und Strafgesetz.

gebungen von Heißspornen handelt, welche mit einer solchen Maßregel nicht ein
Gebot der Gerechtigkeit erfüllen, sondern lediglich eine Verschärfung der den
Duellanten drohenden Strafe herbeiführen wollen, um auf diese Weise durch
Abschreckung eine Abnahme der Duelle zu erreichen, haben solche Stimmen keinen
Wert. Denn erstens ist die Anschauung überwunden, die im Strafgesetz nicht
ein Mittel gerechter Vergeltung, sondern nur ein Mittel der Abschreckung sieht,
die Anschauung, welche den Verbrecher nur gestraft wissen will, us xsevöwr
und uicht Hrüa xooe.at.nrQ sse. Und zweitens beweist die Geschichte, daß eine
Verschärfung der Duellgesetze immer nur zur Verheimlichung der Duelle führt
und deshalb die Gefahr der Ausartung derselben in sich birgt.

Vor kurzem aber ist ein Mann aufgetreten, der in der Beseitigung des den
Zweikampf betreffenden Abschnittes des Neichsstrafgcsetzbuches nicht sowohl eine
Verschärfung des Gesetzes, als vielmehr eine Erweiterung desselben zu Gunsten
des sittlich höher stehenden und zu Ungunsten des sittlich tiefer stehenden Duel¬
lanten erblickt. Es ist dies Herr Major a. D. Hilder, der in seiner Flugschrift:
Das Duell und die Offiziere das Vorhandensein irgend eines aus der recht¬
lichen Natur des Zweikampfes oder aus Billigkeitsrücksichten hergeleiteten
Grundes für eine besondre Behandlung des Zweikampfes durch das Strafgesetz
leugnet. Für ihn, als Nichtjuristen, war es natürlicherweise ein Wagnis, sich
auf eine nähere juristische Ausführung dieser Ansichten einzulassen, und wir
müssen dieses Wagnis denn auch für derart gescheitert erachten, daß eine Kritik
jener Ausführungen für jeden überflüssig ist, der im Reichsstrafgesetzbnch Be¬
scheid weiß. Dennoch halten wir es für angemessen, dem neuen Gesichtspunkte,
von dem Herr Major a. D. Hilder ausgeht, neue Einwendungen entgegen¬
zustellen, und anstatt, wie es bisher nur geschehen ist, jene strafrechtspolitischen
Gründe zu prüfen, die Frage zu erörtern, ob die rechtliche Natur des Zwei¬
kampfes nach heutigem Recht oder Billigkeitsgründe die Aufhebung der Duell¬
paragraphen rechtfertigen würden.

Die rechtliche Natur einer strafbaren Handlung ist entscheidend für den
Platz, der ihr im System gebührt. Das entscheidende Merkmal für die recht¬
liche Natur ist das angegriffene Objekt. Darnach teilt man die Verbrechen*)
ein in solche gegen den Staat, solche gegen die Person, solche gegen das Ver¬
mögen u. s. w. Nicht immer ist es leicht, das angegriffene Objekt zu erkennen,
und so ist es gekommen, daß verschiedne Verbrechen von einigen Gesetzbüchern
in diese Klassen eingereiht sind, von andern in jene. Zu diesen Verbrechen
gehört der Zweikampf; bald ist er als unerlaubte Selbsthilfe, d. i. als Ver¬
brechen gegen den Staat, bald als versuchte oder vollendete Tötung, d. i. als
Verbrechen gegen die Person, aufgefaßt worden. Das Reichsstrafgesetzbuch hat



Unter Verbrechen ist in diesem Aufsatz stets das Verbrechen im weitern Sinne zu
verstehen, d. h. Verbrechen gleichbedeutend mit strafbarer Handlung.
Iweikampf und Strafgesetz.

gebungen von Heißspornen handelt, welche mit einer solchen Maßregel nicht ein
Gebot der Gerechtigkeit erfüllen, sondern lediglich eine Verschärfung der den
Duellanten drohenden Strafe herbeiführen wollen, um auf diese Weise durch
Abschreckung eine Abnahme der Duelle zu erreichen, haben solche Stimmen keinen
Wert. Denn erstens ist die Anschauung überwunden, die im Strafgesetz nicht
ein Mittel gerechter Vergeltung, sondern nur ein Mittel der Abschreckung sieht,
die Anschauung, welche den Verbrecher nur gestraft wissen will, us xsevöwr
und uicht Hrüa xooe.at.nrQ sse. Und zweitens beweist die Geschichte, daß eine
Verschärfung der Duellgesetze immer nur zur Verheimlichung der Duelle führt
und deshalb die Gefahr der Ausartung derselben in sich birgt.

Vor kurzem aber ist ein Mann aufgetreten, der in der Beseitigung des den
Zweikampf betreffenden Abschnittes des Neichsstrafgcsetzbuches nicht sowohl eine
Verschärfung des Gesetzes, als vielmehr eine Erweiterung desselben zu Gunsten
des sittlich höher stehenden und zu Ungunsten des sittlich tiefer stehenden Duel¬
lanten erblickt. Es ist dies Herr Major a. D. Hilder, der in seiner Flugschrift:
Das Duell und die Offiziere das Vorhandensein irgend eines aus der recht¬
lichen Natur des Zweikampfes oder aus Billigkeitsrücksichten hergeleiteten
Grundes für eine besondre Behandlung des Zweikampfes durch das Strafgesetz
leugnet. Für ihn, als Nichtjuristen, war es natürlicherweise ein Wagnis, sich
auf eine nähere juristische Ausführung dieser Ansichten einzulassen, und wir
müssen dieses Wagnis denn auch für derart gescheitert erachten, daß eine Kritik
jener Ausführungen für jeden überflüssig ist, der im Reichsstrafgesetzbnch Be¬
scheid weiß. Dennoch halten wir es für angemessen, dem neuen Gesichtspunkte,
von dem Herr Major a. D. Hilder ausgeht, neue Einwendungen entgegen¬
zustellen, und anstatt, wie es bisher nur geschehen ist, jene strafrechtspolitischen
Gründe zu prüfen, die Frage zu erörtern, ob die rechtliche Natur des Zwei¬
kampfes nach heutigem Recht oder Billigkeitsgründe die Aufhebung der Duell¬
paragraphen rechtfertigen würden.

Die rechtliche Natur einer strafbaren Handlung ist entscheidend für den
Platz, der ihr im System gebührt. Das entscheidende Merkmal für die recht¬
liche Natur ist das angegriffene Objekt. Darnach teilt man die Verbrechen*)
ein in solche gegen den Staat, solche gegen die Person, solche gegen das Ver¬
mögen u. s. w. Nicht immer ist es leicht, das angegriffene Objekt zu erkennen,
und so ist es gekommen, daß verschiedne Verbrechen von einigen Gesetzbüchern
in diese Klassen eingereiht sind, von andern in jene. Zu diesen Verbrechen
gehört der Zweikampf; bald ist er als unerlaubte Selbsthilfe, d. i. als Ver¬
brechen gegen den Staat, bald als versuchte oder vollendete Tötung, d. i. als
Verbrechen gegen die Person, aufgefaßt worden. Das Reichsstrafgesetzbuch hat



Unter Verbrechen ist in diesem Aufsatz stets das Verbrechen im weitern Sinne zu
verstehen, d. h. Verbrechen gleichbedeutend mit strafbarer Handlung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201243"/>
          <fw type="header" place="top"> Iweikampf und Strafgesetz.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1454" prev="#ID_1453"> gebungen von Heißspornen handelt, welche mit einer solchen Maßregel nicht ein<lb/>
Gebot der Gerechtigkeit erfüllen, sondern lediglich eine Verschärfung der den<lb/>
Duellanten drohenden Strafe herbeiführen wollen, um auf diese Weise durch<lb/>
Abschreckung eine Abnahme der Duelle zu erreichen, haben solche Stimmen keinen<lb/>
Wert. Denn erstens ist die Anschauung überwunden, die im Strafgesetz nicht<lb/>
ein Mittel gerechter Vergeltung, sondern nur ein Mittel der Abschreckung sieht,<lb/>
die Anschauung, welche den Verbrecher nur gestraft wissen will, us xsevöwr<lb/>
und uicht Hrüa xooe.at.nrQ sse. Und zweitens beweist die Geschichte, daß eine<lb/>
Verschärfung der Duellgesetze immer nur zur Verheimlichung der Duelle führt<lb/>
und deshalb die Gefahr der Ausartung derselben in sich birgt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1455"> Vor kurzem aber ist ein Mann aufgetreten, der in der Beseitigung des den<lb/>
Zweikampf betreffenden Abschnittes des Neichsstrafgcsetzbuches nicht sowohl eine<lb/>
Verschärfung des Gesetzes, als vielmehr eine Erweiterung desselben zu Gunsten<lb/>
des sittlich höher stehenden und zu Ungunsten des sittlich tiefer stehenden Duel¬<lb/>
lanten erblickt. Es ist dies Herr Major a. D. Hilder, der in seiner Flugschrift:<lb/>
Das Duell und die Offiziere das Vorhandensein irgend eines aus der recht¬<lb/>
lichen Natur des Zweikampfes oder aus Billigkeitsrücksichten hergeleiteten<lb/>
Grundes für eine besondre Behandlung des Zweikampfes durch das Strafgesetz<lb/>
leugnet. Für ihn, als Nichtjuristen, war es natürlicherweise ein Wagnis, sich<lb/>
auf eine nähere juristische Ausführung dieser Ansichten einzulassen, und wir<lb/>
müssen dieses Wagnis denn auch für derart gescheitert erachten, daß eine Kritik<lb/>
jener Ausführungen für jeden überflüssig ist, der im Reichsstrafgesetzbnch Be¬<lb/>
scheid weiß. Dennoch halten wir es für angemessen, dem neuen Gesichtspunkte,<lb/>
von dem Herr Major a. D. Hilder ausgeht, neue Einwendungen entgegen¬<lb/>
zustellen, und anstatt, wie es bisher nur geschehen ist, jene strafrechtspolitischen<lb/>
Gründe zu prüfen, die Frage zu erörtern, ob die rechtliche Natur des Zwei¬<lb/>
kampfes nach heutigem Recht oder Billigkeitsgründe die Aufhebung der Duell¬<lb/>
paragraphen rechtfertigen würden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1456" next="#ID_1457"> Die rechtliche Natur einer strafbaren Handlung ist entscheidend für den<lb/>
Platz, der ihr im System gebührt. Das entscheidende Merkmal für die recht¬<lb/>
liche Natur ist das angegriffene Objekt. Darnach teilt man die Verbrechen*)<lb/>
ein in solche gegen den Staat, solche gegen die Person, solche gegen das Ver¬<lb/>
mögen u. s. w. Nicht immer ist es leicht, das angegriffene Objekt zu erkennen,<lb/>
und so ist es gekommen, daß verschiedne Verbrechen von einigen Gesetzbüchern<lb/>
in diese Klassen eingereiht sind, von andern in jene. Zu diesen Verbrechen<lb/>
gehört der Zweikampf; bald ist er als unerlaubte Selbsthilfe, d. i. als Ver¬<lb/>
brechen gegen den Staat, bald als versuchte oder vollendete Tötung, d. i. als<lb/>
Verbrechen gegen die Person, aufgefaßt worden. Das Reichsstrafgesetzbuch hat</p><lb/>
          <note xml:id="FID_39" place="foot"> Unter Verbrechen ist in diesem Aufsatz stets das Verbrechen im weitern Sinne zu<lb/>
verstehen, d. h. Verbrechen gleichbedeutend mit strafbarer Handlung.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0464] Iweikampf und Strafgesetz. gebungen von Heißspornen handelt, welche mit einer solchen Maßregel nicht ein Gebot der Gerechtigkeit erfüllen, sondern lediglich eine Verschärfung der den Duellanten drohenden Strafe herbeiführen wollen, um auf diese Weise durch Abschreckung eine Abnahme der Duelle zu erreichen, haben solche Stimmen keinen Wert. Denn erstens ist die Anschauung überwunden, die im Strafgesetz nicht ein Mittel gerechter Vergeltung, sondern nur ein Mittel der Abschreckung sieht, die Anschauung, welche den Verbrecher nur gestraft wissen will, us xsevöwr und uicht Hrüa xooe.at.nrQ sse. Und zweitens beweist die Geschichte, daß eine Verschärfung der Duellgesetze immer nur zur Verheimlichung der Duelle führt und deshalb die Gefahr der Ausartung derselben in sich birgt. Vor kurzem aber ist ein Mann aufgetreten, der in der Beseitigung des den Zweikampf betreffenden Abschnittes des Neichsstrafgcsetzbuches nicht sowohl eine Verschärfung des Gesetzes, als vielmehr eine Erweiterung desselben zu Gunsten des sittlich höher stehenden und zu Ungunsten des sittlich tiefer stehenden Duel¬ lanten erblickt. Es ist dies Herr Major a. D. Hilder, der in seiner Flugschrift: Das Duell und die Offiziere das Vorhandensein irgend eines aus der recht¬ lichen Natur des Zweikampfes oder aus Billigkeitsrücksichten hergeleiteten Grundes für eine besondre Behandlung des Zweikampfes durch das Strafgesetz leugnet. Für ihn, als Nichtjuristen, war es natürlicherweise ein Wagnis, sich auf eine nähere juristische Ausführung dieser Ansichten einzulassen, und wir müssen dieses Wagnis denn auch für derart gescheitert erachten, daß eine Kritik jener Ausführungen für jeden überflüssig ist, der im Reichsstrafgesetzbnch Be¬ scheid weiß. Dennoch halten wir es für angemessen, dem neuen Gesichtspunkte, von dem Herr Major a. D. Hilder ausgeht, neue Einwendungen entgegen¬ zustellen, und anstatt, wie es bisher nur geschehen ist, jene strafrechtspolitischen Gründe zu prüfen, die Frage zu erörtern, ob die rechtliche Natur des Zwei¬ kampfes nach heutigem Recht oder Billigkeitsgründe die Aufhebung der Duell¬ paragraphen rechtfertigen würden. Die rechtliche Natur einer strafbaren Handlung ist entscheidend für den Platz, der ihr im System gebührt. Das entscheidende Merkmal für die recht¬ liche Natur ist das angegriffene Objekt. Darnach teilt man die Verbrechen*) ein in solche gegen den Staat, solche gegen die Person, solche gegen das Ver¬ mögen u. s. w. Nicht immer ist es leicht, das angegriffene Objekt zu erkennen, und so ist es gekommen, daß verschiedne Verbrechen von einigen Gesetzbüchern in diese Klassen eingereiht sind, von andern in jene. Zu diesen Verbrechen gehört der Zweikampf; bald ist er als unerlaubte Selbsthilfe, d. i. als Ver¬ brechen gegen den Staat, bald als versuchte oder vollendete Tötung, d. i. als Verbrechen gegen die Person, aufgefaßt worden. Das Reichsstrafgesetzbuch hat Unter Verbrechen ist in diesem Aufsatz stets das Verbrechen im weitern Sinne zu verstehen, d. h. Verbrechen gleichbedeutend mit strafbarer Handlung.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/464
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/464>, abgerufen am 25.08.2024.