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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Zweikampf und Strafgesetz.

die einzelnen Arten strafbarer Handlungen nicht in derartige Klassen zusammen¬
gefaßt. Seine materiellen Bestimmungen allein können uns daher Aufschluß
darüber geben, zu welchen von jenen Klaffen uach geltendem Rechte der Zwei¬
kampf gerechnet werden muß.

Man könnte hier entgegenhalten, daß, indem das Gesetz dem Zweikampf
seine Stellung zwischen der Beleidigung und den Verbrechen und Vergehen
wider das Leben anweist, es mittelbar die Person als Angrisfsobjett bezeichne.
Allein dies ist nicht richtig. Wie die Motive des preußischen Strafgesetzbuches,
dem das Neichsstrafgcsctzbuch gefolgt ist, angeben, ist man zur Einfügung des
Zweikampfes hinter die "Beleidigung" lediglich durch die Erwägung veranlaßt
worden, daß die Hauptbedeutung des Duells in seinem Zwecke, die gekränkte
Ehre herzustellen, liege. Hier ist ein doppelter Fehler begangen worden.
Erstens nämlich hat man nur den Zweck der einen der beiden gleichbedeutenden
Parteien im Zweikampfe, nämlich den des Forderers, berücksichtigt. Sodann
hat man den Nachdruck auf einen Umstand gelegt, der bei der Einordnung der
strafbaren Handlungen überhaupt nicht in Betracht kommen darf. Wäre der
Zweck eines Verbrechens für seine rechtliche Natur maßgebend, so müßte man
den Raubmord zu den Eigentums-, den politischen Mord zu den Staats- und
den Lustmord zu den Fleischesverbrechen zählen. Die vom Neichsstrafgcsctzbuch
beliebte Einfügung des Zweikampfes zwischen Verbrechen gegen die Person
beruht also auf falscher Grundlage und bietet für unsre Untersuchungen keinen
Anhalt.

Was ist nun aus den materiellen Bestimmungen des Neichsstrafgcsetzbuchcs
herauszulesen? Z 205*) stellt den Zweikampf schlechthin unter Strafe ohne
Rücksicht darauf, ob dabei etwas herauskommt oder nicht. Legt es somit kein
Gewicht darauf, ob einer der Duellanten verletzt wird -- nur für Tötung hat
es eine besondre Bestimmung --, so kann es auch füglich kein Gewicht darauf
legen, ob auf feiten der Parteien auch nur die Absicht vorliegt, den Gegner zu
verletzen. Aber, könnte man sagen, wer diese Absicht beim Duell nicht hat, der
kämpft auch keinen Zweikcuupf; schießt jemand im Duell absichtlich vorbei, so
kann Z 205 ans ihn keine Anwendung finden. Dieser Ansicht gegenüber weisen
wir auf Z 201**) hin, welcher schon die Herausforderung zum Zweikampf und
deren Annahme mit Strafe bedroht. Ist kein Zweikampf bei derjenigen Partei
vorhanden, welche den Gegner schont, so ist doch auch keine Herausforderung
und keine Annahme bei derjenigen Partei vorhanden, welche den Gegner zu
schonen beabsichtigt. Soll etwa § 201 auf denjenigen keine Anwendung finden,




*) Z 20S lautet: "Der Zweikampf wird mit Festungshaft von drei Monaten bis zu
fünf Jahren bestraft."
**) Z 201 lautet: "Die Herausforderung zum Zweikampf mit tätlichen Waffen, sowie
die Annahme einer solchen Herausforderung wird mit Festungshaft bis zu sechs Monaten
bestraft."
Grenzboten IU, 1387. 58
Zweikampf und Strafgesetz.

die einzelnen Arten strafbarer Handlungen nicht in derartige Klassen zusammen¬
gefaßt. Seine materiellen Bestimmungen allein können uns daher Aufschluß
darüber geben, zu welchen von jenen Klaffen uach geltendem Rechte der Zwei¬
kampf gerechnet werden muß.

Man könnte hier entgegenhalten, daß, indem das Gesetz dem Zweikampf
seine Stellung zwischen der Beleidigung und den Verbrechen und Vergehen
wider das Leben anweist, es mittelbar die Person als Angrisfsobjett bezeichne.
Allein dies ist nicht richtig. Wie die Motive des preußischen Strafgesetzbuches,
dem das Neichsstrafgcsctzbuch gefolgt ist, angeben, ist man zur Einfügung des
Zweikampfes hinter die „Beleidigung" lediglich durch die Erwägung veranlaßt
worden, daß die Hauptbedeutung des Duells in seinem Zwecke, die gekränkte
Ehre herzustellen, liege. Hier ist ein doppelter Fehler begangen worden.
Erstens nämlich hat man nur den Zweck der einen der beiden gleichbedeutenden
Parteien im Zweikampfe, nämlich den des Forderers, berücksichtigt. Sodann
hat man den Nachdruck auf einen Umstand gelegt, der bei der Einordnung der
strafbaren Handlungen überhaupt nicht in Betracht kommen darf. Wäre der
Zweck eines Verbrechens für seine rechtliche Natur maßgebend, so müßte man
den Raubmord zu den Eigentums-, den politischen Mord zu den Staats- und
den Lustmord zu den Fleischesverbrechen zählen. Die vom Neichsstrafgcsctzbuch
beliebte Einfügung des Zweikampfes zwischen Verbrechen gegen die Person
beruht also auf falscher Grundlage und bietet für unsre Untersuchungen keinen
Anhalt.

Was ist nun aus den materiellen Bestimmungen des Neichsstrafgcsetzbuchcs
herauszulesen? Z 205*) stellt den Zweikampf schlechthin unter Strafe ohne
Rücksicht darauf, ob dabei etwas herauskommt oder nicht. Legt es somit kein
Gewicht darauf, ob einer der Duellanten verletzt wird — nur für Tötung hat
es eine besondre Bestimmung —, so kann es auch füglich kein Gewicht darauf
legen, ob auf feiten der Parteien auch nur die Absicht vorliegt, den Gegner zu
verletzen. Aber, könnte man sagen, wer diese Absicht beim Duell nicht hat, der
kämpft auch keinen Zweikcuupf; schießt jemand im Duell absichtlich vorbei, so
kann Z 205 ans ihn keine Anwendung finden. Dieser Ansicht gegenüber weisen
wir auf Z 201**) hin, welcher schon die Herausforderung zum Zweikampf und
deren Annahme mit Strafe bedroht. Ist kein Zweikampf bei derjenigen Partei
vorhanden, welche den Gegner schont, so ist doch auch keine Herausforderung
und keine Annahme bei derjenigen Partei vorhanden, welche den Gegner zu
schonen beabsichtigt. Soll etwa § 201 auf denjenigen keine Anwendung finden,




*) Z 20S lautet: „Der Zweikampf wird mit Festungshaft von drei Monaten bis zu
fünf Jahren bestraft."
**) Z 201 lautet: „Die Herausforderung zum Zweikampf mit tätlichen Waffen, sowie
die Annahme einer solchen Herausforderung wird mit Festungshaft bis zu sechs Monaten
bestraft."
Grenzboten IU, 1387. 58
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[0465] Zweikampf und Strafgesetz. die einzelnen Arten strafbarer Handlungen nicht in derartige Klassen zusammen¬ gefaßt. Seine materiellen Bestimmungen allein können uns daher Aufschluß darüber geben, zu welchen von jenen Klaffen uach geltendem Rechte der Zwei¬ kampf gerechnet werden muß. Man könnte hier entgegenhalten, daß, indem das Gesetz dem Zweikampf seine Stellung zwischen der Beleidigung und den Verbrechen und Vergehen wider das Leben anweist, es mittelbar die Person als Angrisfsobjett bezeichne. Allein dies ist nicht richtig. Wie die Motive des preußischen Strafgesetzbuches, dem das Neichsstrafgcsctzbuch gefolgt ist, angeben, ist man zur Einfügung des Zweikampfes hinter die „Beleidigung" lediglich durch die Erwägung veranlaßt worden, daß die Hauptbedeutung des Duells in seinem Zwecke, die gekränkte Ehre herzustellen, liege. Hier ist ein doppelter Fehler begangen worden. Erstens nämlich hat man nur den Zweck der einen der beiden gleichbedeutenden Parteien im Zweikampfe, nämlich den des Forderers, berücksichtigt. Sodann hat man den Nachdruck auf einen Umstand gelegt, der bei der Einordnung der strafbaren Handlungen überhaupt nicht in Betracht kommen darf. Wäre der Zweck eines Verbrechens für seine rechtliche Natur maßgebend, so müßte man den Raubmord zu den Eigentums-, den politischen Mord zu den Staats- und den Lustmord zu den Fleischesverbrechen zählen. Die vom Neichsstrafgcsctzbuch beliebte Einfügung des Zweikampfes zwischen Verbrechen gegen die Person beruht also auf falscher Grundlage und bietet für unsre Untersuchungen keinen Anhalt. Was ist nun aus den materiellen Bestimmungen des Neichsstrafgcsetzbuchcs herauszulesen? Z 205*) stellt den Zweikampf schlechthin unter Strafe ohne Rücksicht darauf, ob dabei etwas herauskommt oder nicht. Legt es somit kein Gewicht darauf, ob einer der Duellanten verletzt wird — nur für Tötung hat es eine besondre Bestimmung —, so kann es auch füglich kein Gewicht darauf legen, ob auf feiten der Parteien auch nur die Absicht vorliegt, den Gegner zu verletzen. Aber, könnte man sagen, wer diese Absicht beim Duell nicht hat, der kämpft auch keinen Zweikcuupf; schießt jemand im Duell absichtlich vorbei, so kann Z 205 ans ihn keine Anwendung finden. Dieser Ansicht gegenüber weisen wir auf Z 201**) hin, welcher schon die Herausforderung zum Zweikampf und deren Annahme mit Strafe bedroht. Ist kein Zweikampf bei derjenigen Partei vorhanden, welche den Gegner schont, so ist doch auch keine Herausforderung und keine Annahme bei derjenigen Partei vorhanden, welche den Gegner zu schonen beabsichtigt. Soll etwa § 201 auf denjenigen keine Anwendung finden, *) Z 20S lautet: „Der Zweikampf wird mit Festungshaft von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." **) Z 201 lautet: „Die Herausforderung zum Zweikampf mit tätlichen Waffen, sowie die Annahme einer solchen Herausforderung wird mit Festungshaft bis zu sechs Monaten bestraft." Grenzboten IU, 1387. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/465>, abgerufen am 23.07.2024.