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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren.

Zudrang bewiesen zu werden scheint, diese unnötig große Anzahl bei den jetzigen
Gebührensätzen ein derartiges Auskommen findet, daß die Anwaltschaft immerhin
günstigere Lebensbedingungen bietet, als die andern Berufe.

Man kann bei einer Erörterung wie der vorliegenden kaum vermeiden,
der schon angedeuteten Frage näher zu treten, ob denn die Freigebung der
Anwaltschaft als eine segensreiche Maßregel anzuerkennen sei, oder ob es nicht
vielmehr wünschenswert sei, wieder, wie früher, für jedes Gericht eine bestimmte
Anzahl von Anwälten festzusetzen, über die hinaus keine weitere Zulassung
stattfindet. Es soll jedoch dieser Versuchung hier widerstanden werden, weil
man davon wird ausgehen dürfen, daß in dieser Frage für die Gesetzgebung
so lange kein Grund zum Einschreiten vorliegt, als dies von dem beteiligten
Stande selbst nicht gewünscht wird. Man könnte freilich hiergegen anführen,
daß der Gesetzgeber Schäden, die er als solche erkennt, abstellen soll, ohne auf
die Aufforderung der dadurch betroffenen zu warten, und daß die Übelstände,
welche hier in Frage stehen, keineswegs ihre Wirkungen auf den Kreis der
Anwälte beschränke", vielmehr durchaus das öffentliche Interesse in Mitleiden¬
schaft ziehen. Allein dem gegenüber wäre zu erwiedern, einerseits, daß durch die
Rücksicht auf das Wohlergehen der Anwälte ganz überwiegend der den Gesetz¬
geber bestimmende Beweggrund sein müßte, anderseits, daß bei einer Frage,
die, wie die vorliegende, immerhin sehr verschiedene Auffassungen und Stand¬
punkte zuläßt, es nicht ungerechtfertigt erscheint, wenn der Gesetzgeber eine
Anregung desjenigen Standes erwartet, welcher durch seine allgemeine Urteils¬
fähigkeit und seine besondere genaue Kenntnis der einschlügigen thatsächlichen
Verhältnisse ganz vorwiegend berufen ist, für die eine oder die andre Ansicht
den Ausschlag zu geben.

Es genügt für den Zweck dieser Erörterung, darauf hingewiesen zu haben,
daß bei einer unbeschränkten Zahl von Anwälten die Annahme, es könne durch
die Gesetzgebung auf ein ausreichendes Einkommen durch entsprechende Gebühren¬
sätze hingewirkt werden, ganz hinfällig ist, und daß bei dem zur Zeit vorhandenen
starken Wettbewerb eine allmähliche Herabdrückung des Durchschnittseinkommens
unter das an sich wünschenswerte Maß ganz unvermeidlich eintreten muß. Auf
der andern Seite ist zuzugeben, daß auch mit der Beschränkung der Anwälte
auf eine bestimmte Zahl Übelstände erheblicher Art verbunden sind, insbesondre
der, daß, wenn man nicht der Regierung eine völlig freie Answcchl zugestehen
will, vielleicht die tüchtigen durch die weniger tüchtigen beeinträchtigt werden
können. Von der Abwägung dieser mit dem einen oder dem andern System
notwendig verbundenen Mängel wird es abhängen, ob man der freien oder der
geschlossenen Anwaltschaft den Vorzug einzuräumen hat, und jedenfalls wird
mau, wie schon bemerkt, um dieser Frage näher zu treten, eine Anregung der
beteiligten Kreise erwarten dürfen.

Jedenfalls kann aber, so lange an der jetzigen Grundlage nicht gerüttelt


Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren.

Zudrang bewiesen zu werden scheint, diese unnötig große Anzahl bei den jetzigen
Gebührensätzen ein derartiges Auskommen findet, daß die Anwaltschaft immerhin
günstigere Lebensbedingungen bietet, als die andern Berufe.

Man kann bei einer Erörterung wie der vorliegenden kaum vermeiden,
der schon angedeuteten Frage näher zu treten, ob denn die Freigebung der
Anwaltschaft als eine segensreiche Maßregel anzuerkennen sei, oder ob es nicht
vielmehr wünschenswert sei, wieder, wie früher, für jedes Gericht eine bestimmte
Anzahl von Anwälten festzusetzen, über die hinaus keine weitere Zulassung
stattfindet. Es soll jedoch dieser Versuchung hier widerstanden werden, weil
man davon wird ausgehen dürfen, daß in dieser Frage für die Gesetzgebung
so lange kein Grund zum Einschreiten vorliegt, als dies von dem beteiligten
Stande selbst nicht gewünscht wird. Man könnte freilich hiergegen anführen,
daß der Gesetzgeber Schäden, die er als solche erkennt, abstellen soll, ohne auf
die Aufforderung der dadurch betroffenen zu warten, und daß die Übelstände,
welche hier in Frage stehen, keineswegs ihre Wirkungen auf den Kreis der
Anwälte beschränke», vielmehr durchaus das öffentliche Interesse in Mitleiden¬
schaft ziehen. Allein dem gegenüber wäre zu erwiedern, einerseits, daß durch die
Rücksicht auf das Wohlergehen der Anwälte ganz überwiegend der den Gesetz¬
geber bestimmende Beweggrund sein müßte, anderseits, daß bei einer Frage,
die, wie die vorliegende, immerhin sehr verschiedene Auffassungen und Stand¬
punkte zuläßt, es nicht ungerechtfertigt erscheint, wenn der Gesetzgeber eine
Anregung desjenigen Standes erwartet, welcher durch seine allgemeine Urteils¬
fähigkeit und seine besondere genaue Kenntnis der einschlügigen thatsächlichen
Verhältnisse ganz vorwiegend berufen ist, für die eine oder die andre Ansicht
den Ausschlag zu geben.

Es genügt für den Zweck dieser Erörterung, darauf hingewiesen zu haben,
daß bei einer unbeschränkten Zahl von Anwälten die Annahme, es könne durch
die Gesetzgebung auf ein ausreichendes Einkommen durch entsprechende Gebühren¬
sätze hingewirkt werden, ganz hinfällig ist, und daß bei dem zur Zeit vorhandenen
starken Wettbewerb eine allmähliche Herabdrückung des Durchschnittseinkommens
unter das an sich wünschenswerte Maß ganz unvermeidlich eintreten muß. Auf
der andern Seite ist zuzugeben, daß auch mit der Beschränkung der Anwälte
auf eine bestimmte Zahl Übelstände erheblicher Art verbunden sind, insbesondre
der, daß, wenn man nicht der Regierung eine völlig freie Answcchl zugestehen
will, vielleicht die tüchtigen durch die weniger tüchtigen beeinträchtigt werden
können. Von der Abwägung dieser mit dem einen oder dem andern System
notwendig verbundenen Mängel wird es abhängen, ob man der freien oder der
geschlossenen Anwaltschaft den Vorzug einzuräumen hat, und jedenfalls wird
mau, wie schon bemerkt, um dieser Frage näher zu treten, eine Anregung der
beteiligten Kreise erwarten dürfen.

Jedenfalls kann aber, so lange an der jetzigen Grundlage nicht gerüttelt


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[0326] Die Ermäßigung der Anwaltsgebühren. Zudrang bewiesen zu werden scheint, diese unnötig große Anzahl bei den jetzigen Gebührensätzen ein derartiges Auskommen findet, daß die Anwaltschaft immerhin günstigere Lebensbedingungen bietet, als die andern Berufe. Man kann bei einer Erörterung wie der vorliegenden kaum vermeiden, der schon angedeuteten Frage näher zu treten, ob denn die Freigebung der Anwaltschaft als eine segensreiche Maßregel anzuerkennen sei, oder ob es nicht vielmehr wünschenswert sei, wieder, wie früher, für jedes Gericht eine bestimmte Anzahl von Anwälten festzusetzen, über die hinaus keine weitere Zulassung stattfindet. Es soll jedoch dieser Versuchung hier widerstanden werden, weil man davon wird ausgehen dürfen, daß in dieser Frage für die Gesetzgebung so lange kein Grund zum Einschreiten vorliegt, als dies von dem beteiligten Stande selbst nicht gewünscht wird. Man könnte freilich hiergegen anführen, daß der Gesetzgeber Schäden, die er als solche erkennt, abstellen soll, ohne auf die Aufforderung der dadurch betroffenen zu warten, und daß die Übelstände, welche hier in Frage stehen, keineswegs ihre Wirkungen auf den Kreis der Anwälte beschränke», vielmehr durchaus das öffentliche Interesse in Mitleiden¬ schaft ziehen. Allein dem gegenüber wäre zu erwiedern, einerseits, daß durch die Rücksicht auf das Wohlergehen der Anwälte ganz überwiegend der den Gesetz¬ geber bestimmende Beweggrund sein müßte, anderseits, daß bei einer Frage, die, wie die vorliegende, immerhin sehr verschiedene Auffassungen und Stand¬ punkte zuläßt, es nicht ungerechtfertigt erscheint, wenn der Gesetzgeber eine Anregung desjenigen Standes erwartet, welcher durch seine allgemeine Urteils¬ fähigkeit und seine besondere genaue Kenntnis der einschlügigen thatsächlichen Verhältnisse ganz vorwiegend berufen ist, für die eine oder die andre Ansicht den Ausschlag zu geben. Es genügt für den Zweck dieser Erörterung, darauf hingewiesen zu haben, daß bei einer unbeschränkten Zahl von Anwälten die Annahme, es könne durch die Gesetzgebung auf ein ausreichendes Einkommen durch entsprechende Gebühren¬ sätze hingewirkt werden, ganz hinfällig ist, und daß bei dem zur Zeit vorhandenen starken Wettbewerb eine allmähliche Herabdrückung des Durchschnittseinkommens unter das an sich wünschenswerte Maß ganz unvermeidlich eintreten muß. Auf der andern Seite ist zuzugeben, daß auch mit der Beschränkung der Anwälte auf eine bestimmte Zahl Übelstände erheblicher Art verbunden sind, insbesondre der, daß, wenn man nicht der Regierung eine völlig freie Answcchl zugestehen will, vielleicht die tüchtigen durch die weniger tüchtigen beeinträchtigt werden können. Von der Abwägung dieser mit dem einen oder dem andern System notwendig verbundenen Mängel wird es abhängen, ob man der freien oder der geschlossenen Anwaltschaft den Vorzug einzuräumen hat, und jedenfalls wird mau, wie schon bemerkt, um dieser Frage näher zu treten, eine Anregung der beteiligten Kreise erwarten dürfen. Jedenfalls kann aber, so lange an der jetzigen Grundlage nicht gerüttelt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/326>, abgerufen am 23.07.2024.