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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Dichterfreundinnen.

Sie müssen mich hören! Ich schreite fort, ich bin unveränderlich bis in Tod!
Bis in Tod!"

Und was sagte der angebetete Dichter zu alle dem? Er schreibt an seinen
Freund Otto am 28. Dezember 1798: "Durch meinen bisherigen Nachsommer
wehen jetzt die Leidenschaften. Jene Frau -- künftig heiße sie die Titanide,
weil ich dem Zufall nicht traue --, die von Weimar zuerst an mich schrieb,
die ich dir bei meinem ersten Hiersein als eine Titanide malte, mit der ich,
wie du weißt, einmal eine Szene hatte, wo ich (wie in Leipzig) im Pulver¬
magazin Tabak rauchte, diese ist seit einigen Wochen vom Lande zurück und
will mich heiraten. Nimm meine" Leichtsinn nicht falsch. Weiter! Die alte Lebens¬
weise kehrte bald um, nur verklärter. Kurz, nach einem Souper bei Herder und
einem bei ihr, wo er bei ihr war -- er achtet sie tief und höher als die Berlepsch
und küßte sie sogar im Feuer neben seiner Frau -- und als der Widerschein
dieser Altarsflamme auf mich fiel, sagte sie es mir geradezu. Im Lenz, im
Lenz! Mit drei Worten! O, ich sagte der hohen, heißen Seele einige Tage
darauf Nein! Und da ich eine Größe, Glut, Beredsamkeit hörte wie nie, so
bestand ich darauf, daß sie keinen Schritt für, wie ich keinen gegen die Sache
thun wolle, denn sie glaubt, ihre Schwester und deren Manu, der Präsident,
würden alles thun. Ach! im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit.
Ich habe endlich Festigkeit des Herzens gelernt -- ich bin ganz schuldlos --
ich sehe die hohe, geniale Liebe, die ich dir nicht mit diesem schwarzen Wasser
malen kann -- aber es paßt nicht zu meinen Träumen. Wild bin ich ordentlich.
Sieh! Gerade um diese Zeit 97, gerade da ich Hermineu malte, und jetzt, da
ich in den gedruckten Briefen an dich im Jänner mein künftiges Leben malen
will, da kehret dieser Sturm zurück. Sonderbar setzt sich das Schicksal an
meinen Schreibtisch und tunkt ein. Noch sonderbarer werde ich zu höheren
Zwecken erzogen, die länger stehen sollen als mein Glück und mein Grab. Ich
meine, ich kann dir nicht sagen, mit welcher ernsten Berechnung auf meinen
Titan das Geschick mich durch alle diese Feuerproben in und außer mir, durch
Weimar und durch gewisse Weiber sührt. Jetzt kann ich ihn machen, indes ich
früher manchen Fehler leichter dargestellt und begangen als gesehen hätte. Ach,
ich suche im ausgeleerten Leben außer der liebenden, altväterlichen, mein Jvdiz
Paliugenisircnden Ruhe auch nichts weiter, als ein Instrument zu sein in der
Hand des Verhängnisses, es werfe mich dann weg in die stille Höhle, wenn
es mich gebraucht. Jene, der iBerlcpsch, Verhältnisse banden meine Augen und
Hände zu, und ich versäumte vielleicht ein Herz, das mein gehörte. Soll ich
immer so spielen und hoffen und ausschlagen und verfehlen? Solche Weiber
wie die beiden verblenden gegen jede stille weibliche Luna. Ihre ^Charlottens)
Verwandten begegnen mir mit schöner Liebe, und ich kann ruhig vor ihnen
stehen, weil mein obiges Nein eisern steht. Ich habe zu viele Ursachen dazu, diese
Titanide ist viel leichter zu wenden wie die Berlepsch." Deutlicher konnte Jean


Grenzboten III. 1887. 36
Dichterfreundinnen.

Sie müssen mich hören! Ich schreite fort, ich bin unveränderlich bis in Tod!
Bis in Tod!"

Und was sagte der angebetete Dichter zu alle dem? Er schreibt an seinen
Freund Otto am 28. Dezember 1798: „Durch meinen bisherigen Nachsommer
wehen jetzt die Leidenschaften. Jene Frau — künftig heiße sie die Titanide,
weil ich dem Zufall nicht traue —, die von Weimar zuerst an mich schrieb,
die ich dir bei meinem ersten Hiersein als eine Titanide malte, mit der ich,
wie du weißt, einmal eine Szene hatte, wo ich (wie in Leipzig) im Pulver¬
magazin Tabak rauchte, diese ist seit einigen Wochen vom Lande zurück und
will mich heiraten. Nimm meine» Leichtsinn nicht falsch. Weiter! Die alte Lebens¬
weise kehrte bald um, nur verklärter. Kurz, nach einem Souper bei Herder und
einem bei ihr, wo er bei ihr war — er achtet sie tief und höher als die Berlepsch
und küßte sie sogar im Feuer neben seiner Frau — und als der Widerschein
dieser Altarsflamme auf mich fiel, sagte sie es mir geradezu. Im Lenz, im
Lenz! Mit drei Worten! O, ich sagte der hohen, heißen Seele einige Tage
darauf Nein! Und da ich eine Größe, Glut, Beredsamkeit hörte wie nie, so
bestand ich darauf, daß sie keinen Schritt für, wie ich keinen gegen die Sache
thun wolle, denn sie glaubt, ihre Schwester und deren Manu, der Präsident,
würden alles thun. Ach! im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit.
Ich habe endlich Festigkeit des Herzens gelernt — ich bin ganz schuldlos —
ich sehe die hohe, geniale Liebe, die ich dir nicht mit diesem schwarzen Wasser
malen kann — aber es paßt nicht zu meinen Träumen. Wild bin ich ordentlich.
Sieh! Gerade um diese Zeit 97, gerade da ich Hermineu malte, und jetzt, da
ich in den gedruckten Briefen an dich im Jänner mein künftiges Leben malen
will, da kehret dieser Sturm zurück. Sonderbar setzt sich das Schicksal an
meinen Schreibtisch und tunkt ein. Noch sonderbarer werde ich zu höheren
Zwecken erzogen, die länger stehen sollen als mein Glück und mein Grab. Ich
meine, ich kann dir nicht sagen, mit welcher ernsten Berechnung auf meinen
Titan das Geschick mich durch alle diese Feuerproben in und außer mir, durch
Weimar und durch gewisse Weiber sührt. Jetzt kann ich ihn machen, indes ich
früher manchen Fehler leichter dargestellt und begangen als gesehen hätte. Ach,
ich suche im ausgeleerten Leben außer der liebenden, altväterlichen, mein Jvdiz
Paliugenisircnden Ruhe auch nichts weiter, als ein Instrument zu sein in der
Hand des Verhängnisses, es werfe mich dann weg in die stille Höhle, wenn
es mich gebraucht. Jene, der iBerlcpsch, Verhältnisse banden meine Augen und
Hände zu, und ich versäumte vielleicht ein Herz, das mein gehörte. Soll ich
immer so spielen und hoffen und ausschlagen und verfehlen? Solche Weiber
wie die beiden verblenden gegen jede stille weibliche Luna. Ihre ^Charlottens)
Verwandten begegnen mir mit schöner Liebe, und ich kann ruhig vor ihnen
stehen, weil mein obiges Nein eisern steht. Ich habe zu viele Ursachen dazu, diese
Titanide ist viel leichter zu wenden wie die Berlepsch." Deutlicher konnte Jean


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[0289] Dichterfreundinnen. Sie müssen mich hören! Ich schreite fort, ich bin unveränderlich bis in Tod! Bis in Tod!" Und was sagte der angebetete Dichter zu alle dem? Er schreibt an seinen Freund Otto am 28. Dezember 1798: „Durch meinen bisherigen Nachsommer wehen jetzt die Leidenschaften. Jene Frau — künftig heiße sie die Titanide, weil ich dem Zufall nicht traue —, die von Weimar zuerst an mich schrieb, die ich dir bei meinem ersten Hiersein als eine Titanide malte, mit der ich, wie du weißt, einmal eine Szene hatte, wo ich (wie in Leipzig) im Pulver¬ magazin Tabak rauchte, diese ist seit einigen Wochen vom Lande zurück und will mich heiraten. Nimm meine» Leichtsinn nicht falsch. Weiter! Die alte Lebens¬ weise kehrte bald um, nur verklärter. Kurz, nach einem Souper bei Herder und einem bei ihr, wo er bei ihr war — er achtet sie tief und höher als die Berlepsch und küßte sie sogar im Feuer neben seiner Frau — und als der Widerschein dieser Altarsflamme auf mich fiel, sagte sie es mir geradezu. Im Lenz, im Lenz! Mit drei Worten! O, ich sagte der hohen, heißen Seele einige Tage darauf Nein! Und da ich eine Größe, Glut, Beredsamkeit hörte wie nie, so bestand ich darauf, daß sie keinen Schritt für, wie ich keinen gegen die Sache thun wolle, denn sie glaubt, ihre Schwester und deren Manu, der Präsident, würden alles thun. Ach! im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit. Ich habe endlich Festigkeit des Herzens gelernt — ich bin ganz schuldlos — ich sehe die hohe, geniale Liebe, die ich dir nicht mit diesem schwarzen Wasser malen kann — aber es paßt nicht zu meinen Träumen. Wild bin ich ordentlich. Sieh! Gerade um diese Zeit 97, gerade da ich Hermineu malte, und jetzt, da ich in den gedruckten Briefen an dich im Jänner mein künftiges Leben malen will, da kehret dieser Sturm zurück. Sonderbar setzt sich das Schicksal an meinen Schreibtisch und tunkt ein. Noch sonderbarer werde ich zu höheren Zwecken erzogen, die länger stehen sollen als mein Glück und mein Grab. Ich meine, ich kann dir nicht sagen, mit welcher ernsten Berechnung auf meinen Titan das Geschick mich durch alle diese Feuerproben in und außer mir, durch Weimar und durch gewisse Weiber sührt. Jetzt kann ich ihn machen, indes ich früher manchen Fehler leichter dargestellt und begangen als gesehen hätte. Ach, ich suche im ausgeleerten Leben außer der liebenden, altväterlichen, mein Jvdiz Paliugenisircnden Ruhe auch nichts weiter, als ein Instrument zu sein in der Hand des Verhängnisses, es werfe mich dann weg in die stille Höhle, wenn es mich gebraucht. Jene, der iBerlcpsch, Verhältnisse banden meine Augen und Hände zu, und ich versäumte vielleicht ein Herz, das mein gehörte. Soll ich immer so spielen und hoffen und ausschlagen und verfehlen? Solche Weiber wie die beiden verblenden gegen jede stille weibliche Luna. Ihre ^Charlottens) Verwandten begegnen mir mit schöner Liebe, und ich kann ruhig vor ihnen stehen, weil mein obiges Nein eisern steht. Ich habe zu viele Ursachen dazu, diese Titanide ist viel leichter zu wenden wie die Berlepsch." Deutlicher konnte Jean Grenzboten III. 1887. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/289>, abgerufen am 23.07.2024.