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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Dat Land weer erobert; in Triimnicr leeg Held;
Un de dar ein't Leben noch weern,
Bi Lob op de Koppel, dar brechen se se hin --
Beer dnsend -- um lecker se swer'n.
Se weern so ruhig -- se sü'n keen Wort;
Un doch so vull Knnuner un Weh!
Nu als de Prester tut Teeken ehr geeo,
Dar hacken se all in de Knee,
Dar gnug >ont de Bossen, dar flog will dat Hart,
Dar stumm tout de Ogen vull Thran!
Dar iviinsch sick >ont mennig Een nix, als den Dod
Un nümmerinehr optostahn.
Un se wanken na Huf hin, so still als se tecum;
So still, als se treck darm bi Lob;
Un se brächen ehr boden Bröders to Eer --
Un de Frieden -- de Frieden dnrlo!

Auch die Gedichte von Richard Leander (Leipzig, Breitkopf und
Härtel) treten zum drittenmale hervor. Der liebenswürdige Gelehrte, der sich
hinter dem Pseudonym "Leander" birgt und dessen reizende "Träumereien an
französischen Kaminen" in vieler Händen sind, schlägt mit Glück in seinen
Gedichten bald den Ton des fahrenden Schülers an, auf dessen Lippen das
deutsche Volkslied allezeit wieder lebendig wird, bald den des gereiften Mannes,
der sich nicht mir für alles, was zu gleicher Zeit schlicht und schön ist, den
Blick und das Herz bewahrt hat, sondern auch einen Klang zu seinem Preise
findet. Es ist ein hübscher Weg von dem übermütigen Studentenliede vom alten
Galilei, das längst in den neuern Kommersbüchern prangt, bis zu dem reizenden
Gedicht "Annemarie," in dem der Dichter die großen dunkelblauen Vcilchcnaugen
seiner jüngsten Tochter besingt, die ihm den Jngendfrühling wieder ins Herz
duften, lind es sprießt nichts an diesem Wege, das nicht lebendig und blühend
wäre. Und wenn Leander im Eiugangsgedicht "Stilles Wasser" klagt:


Wellen des Stroms im Fluge
Wollt' ich zu schöpfen wagen;
Stilles Wasser im Kruge
Hab' ich nach Haus getragen.
Lieder fand ich im Herzen,
Duftend wie Blumen, sprießen:
Worte sah ich mit Schmerzen
Über die Lippen fließen --

wenn Viele seiner volksliedühnlichcn Gedichte ungefähr dieselben Eindrücke hinter¬
lassen, wie ähnliche Gedichte von Geibel oder Neinick, so trifft er in andern
den tiefsten und reinsten Ton, so im Nachtlied "Von dir, die dn der Friede bist,"
in den kecken Liedern "Wer gießt auch Wasser untern Wein" und "Gleich und
gleich" oder in dem reizenden Bilde "Der Bettler."



Dat Land weer erobert; in Triimnicr leeg Held;
Un de dar ein't Leben noch weern,
Bi Lob op de Koppel, dar brechen se se hin —
Beer dnsend — um lecker se swer'n.
Se weern so ruhig — se sü'n keen Wort;
Un doch so vull Knnuner un Weh!
Nu als de Prester tut Teeken ehr geeo,
Dar hacken se all in de Knee,
Dar gnug >ont de Bossen, dar flog will dat Hart,
Dar stumm tout de Ogen vull Thran!
Dar iviinsch sick >ont mennig Een nix, als den Dod
Un nümmerinehr optostahn.
Un se wanken na Huf hin, so still als se tecum;
So still, als se treck darm bi Lob;
Un se brächen ehr boden Bröders to Eer —
Un de Frieden — de Frieden dnrlo!

Auch die Gedichte von Richard Leander (Leipzig, Breitkopf und
Härtel) treten zum drittenmale hervor. Der liebenswürdige Gelehrte, der sich
hinter dem Pseudonym „Leander" birgt und dessen reizende „Träumereien an
französischen Kaminen" in vieler Händen sind, schlägt mit Glück in seinen
Gedichten bald den Ton des fahrenden Schülers an, auf dessen Lippen das
deutsche Volkslied allezeit wieder lebendig wird, bald den des gereiften Mannes,
der sich nicht mir für alles, was zu gleicher Zeit schlicht und schön ist, den
Blick und das Herz bewahrt hat, sondern auch einen Klang zu seinem Preise
findet. Es ist ein hübscher Weg von dem übermütigen Studentenliede vom alten
Galilei, das längst in den neuern Kommersbüchern prangt, bis zu dem reizenden
Gedicht „Annemarie," in dem der Dichter die großen dunkelblauen Vcilchcnaugen
seiner jüngsten Tochter besingt, die ihm den Jngendfrühling wieder ins Herz
duften, lind es sprießt nichts an diesem Wege, das nicht lebendig und blühend
wäre. Und wenn Leander im Eiugangsgedicht „Stilles Wasser" klagt:


Wellen des Stroms im Fluge
Wollt' ich zu schöpfen wagen;
Stilles Wasser im Kruge
Hab' ich nach Haus getragen.
Lieder fand ich im Herzen,
Duftend wie Blumen, sprießen:
Worte sah ich mit Schmerzen
Über die Lippen fließen —

wenn Viele seiner volksliedühnlichcn Gedichte ungefähr dieselben Eindrücke hinter¬
lassen, wie ähnliche Gedichte von Geibel oder Neinick, so trifft er in andern
den tiefsten und reinsten Ton, so im Nachtlied „Von dir, die dn der Friede bist,"
in den kecken Liedern „Wer gießt auch Wasser untern Wein" und „Gleich und
gleich" oder in dem reizenden Bilde „Der Bettler."


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[0095] Dat Land weer erobert; in Triimnicr leeg Held; Un de dar ein't Leben noch weern, Bi Lob op de Koppel, dar brechen se se hin — Beer dnsend — um lecker se swer'n. Se weern so ruhig — se sü'n keen Wort; Un doch so vull Knnuner un Weh! Nu als de Prester tut Teeken ehr geeo, Dar hacken se all in de Knee, Dar gnug >ont de Bossen, dar flog will dat Hart, Dar stumm tout de Ogen vull Thran! Dar iviinsch sick >ont mennig Een nix, als den Dod Un nümmerinehr optostahn. Un se wanken na Huf hin, so still als se tecum; So still, als se treck darm bi Lob; Un se brächen ehr boden Bröders to Eer — Un de Frieden — de Frieden dnrlo! Auch die Gedichte von Richard Leander (Leipzig, Breitkopf und Härtel) treten zum drittenmale hervor. Der liebenswürdige Gelehrte, der sich hinter dem Pseudonym „Leander" birgt und dessen reizende „Träumereien an französischen Kaminen" in vieler Händen sind, schlägt mit Glück in seinen Gedichten bald den Ton des fahrenden Schülers an, auf dessen Lippen das deutsche Volkslied allezeit wieder lebendig wird, bald den des gereiften Mannes, der sich nicht mir für alles, was zu gleicher Zeit schlicht und schön ist, den Blick und das Herz bewahrt hat, sondern auch einen Klang zu seinem Preise findet. Es ist ein hübscher Weg von dem übermütigen Studentenliede vom alten Galilei, das längst in den neuern Kommersbüchern prangt, bis zu dem reizenden Gedicht „Annemarie," in dem der Dichter die großen dunkelblauen Vcilchcnaugen seiner jüngsten Tochter besingt, die ihm den Jngendfrühling wieder ins Herz duften, lind es sprießt nichts an diesem Wege, das nicht lebendig und blühend wäre. Und wenn Leander im Eiugangsgedicht „Stilles Wasser" klagt: Wellen des Stroms im Fluge Wollt' ich zu schöpfen wagen; Stilles Wasser im Kruge Hab' ich nach Haus getragen. Lieder fand ich im Herzen, Duftend wie Blumen, sprießen: Worte sah ich mit Schmerzen Über die Lippen fließen — wenn Viele seiner volksliedühnlichcn Gedichte ungefähr dieselben Eindrücke hinter¬ lassen, wie ähnliche Gedichte von Geibel oder Neinick, so trifft er in andern den tiefsten und reinsten Ton, so im Nachtlied „Von dir, die dn der Friede bist," in den kecken Liedern „Wer gießt auch Wasser untern Wein" und „Gleich und gleich" oder in dem reizenden Bilde „Der Bettler."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/95>, abgerufen am 03.07.2024.