Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Ein Aaxitel deutscher Lyrik. Eine Kröte ist ohne Frage eine für uns durchaus häßliche Gestalt. So hä߬ (Schluß folgt.) Gin Kapitel deutscher Lyrik. n seinem kürzlich erschienenen Büchlein von der schwarzen Ein Aaxitel deutscher Lyrik. Eine Kröte ist ohne Frage eine für uns durchaus häßliche Gestalt. So hä߬ (Schluß folgt.) Gin Kapitel deutscher Lyrik. n seinem kürzlich erschienenen Büchlein von der schwarzen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200197"/> <fw type="header" place="top"> Ein Aaxitel deutscher Lyrik.</fw><lb/> <p xml:id="ID_261"> Eine Kröte ist ohne Frage eine für uns durchaus häßliche Gestalt. So hä߬<lb/> lich, daß sie trotz ihrer zweifellosen Ungefährlichkeit — sei es nun, cvolutiouiftisch<lb/> gedacht, infolge eines Atavismus, der uns hierbei vorsündflutliche Grauseu-<lb/> geschöpfc ahnen läßt, oder infolge ihrer klebrigen, schmutzigen, sumpfigen Ge¬<lb/> meinheit, theologisch gedacht — daß sie uns nicht bloß Mißfallen, sondern<lb/> Schrecken erregt, wenn sie uns unvermutet über den Weg kriecht. Nun denke<lb/> man sich aber, es werde uns von jemand, den wir als Feind aller Possen<lb/> und Max- und Mvritzstreichc keimen, gesagt, er besitze die plastische, natur¬<lb/> getreue Nachbildung einer Kröte von so täuschender Ähnlichkeit, daß man sie<lb/> selbst bei genauester Betrachtung für eine wirkliche halten könnte; man denke<lb/> sich, er brächte dies Kunstwerk herbei und gäbe es uns zur Prüfung seiner<lb/> Unwirklichkeit in die Hand — wir würden nicht umhin können, mindestens für<lb/> einen Augenblick die Mißgestalt wohlgefällig zu betrachten. Und zwar wird<lb/> dies Wohlgefallen gerade fo lange andauern, als uns die Erkenntnis aufgeht<lb/> von einer hier in Erscheinung getretenen, mit höchster Zweckmäßigkeit oder Ge-<lb/> schicklichkeit arbeitenden Kraft. Genau dieselbe Erkenntnis, die nach dem über¬<lb/> einstimmenden Urteil der verständigsten Kunstphilosophen auch dem Wohlgefallen<lb/> an der schonen Gestalt u. s. w. zu Grunde liegt. Aber allerdings das Wohl¬<lb/> gefallen wird alsbald wieder gestört werden, sobald wir der für unser gewöhn¬<lb/> liches Erkennen natürlichen Häßlichkeit des Gegenstandes wieder inne werde».<lb/> Hierbei ist zu bemerken, daß der physische Reiz bei der Häßlichkeit ebenso aus-<lb/> geschlossen ist wie bei der Schönheit. Ekel, physischer Widerwille sind auch hier<lb/> als „Reiz" Grenze für das Wohlgefallen. Ein Schwelgen in diesem negativen<lb/> Reiz ist Grausamkeit, wie jenes Wollust, zwei Leidenschaften, deren oft hervor¬<lb/> gehobene Gemeinsamkeit vielleicht auf diesem Bedürfnis »ach un- oder besser<lb/> übcrästhetischer Neigung beruht. Ein Wink für die „Naturalisten" aller Künste!</p><lb/> <p xml:id="ID_262"> (Schluß folgt.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Gin Kapitel deutscher Lyrik.</head><lb/> <p xml:id="ID_263" next="#ID_264"> n seinem kürzlich erschienenen Büchlein von der schwarzen<lb/> Kunst, Skizzeublätter aus der Welt der Tinte und der Drucker¬<lb/> schwärze (Stuttgart, Adolf Bonz und Comp.), spricht Edwin<lb/> Bormann neben allerhand lustigen anch ein paar recht bittere<lb/> Wahrheiten aus. In dem hübschen Sinngedicht „Das Wvhl-<lb/> thätigkeitsgcdicht" setzt er auseinander, daß mit der Herausgabe unzähliger Ge¬<lb/> dichte niemand eine Wohlthat erwiesen wird als dem Dichter, der sich endlich<lb/> einmal gedruckt sieht, und in dem „Buchbinder-Hymnus" feiert er den wahren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
Ein Aaxitel deutscher Lyrik.
Eine Kröte ist ohne Frage eine für uns durchaus häßliche Gestalt. So hä߬
lich, daß sie trotz ihrer zweifellosen Ungefährlichkeit — sei es nun, cvolutiouiftisch
gedacht, infolge eines Atavismus, der uns hierbei vorsündflutliche Grauseu-
geschöpfc ahnen läßt, oder infolge ihrer klebrigen, schmutzigen, sumpfigen Ge¬
meinheit, theologisch gedacht — daß sie uns nicht bloß Mißfallen, sondern
Schrecken erregt, wenn sie uns unvermutet über den Weg kriecht. Nun denke
man sich aber, es werde uns von jemand, den wir als Feind aller Possen
und Max- und Mvritzstreichc keimen, gesagt, er besitze die plastische, natur¬
getreue Nachbildung einer Kröte von so täuschender Ähnlichkeit, daß man sie
selbst bei genauester Betrachtung für eine wirkliche halten könnte; man denke
sich, er brächte dies Kunstwerk herbei und gäbe es uns zur Prüfung seiner
Unwirklichkeit in die Hand — wir würden nicht umhin können, mindestens für
einen Augenblick die Mißgestalt wohlgefällig zu betrachten. Und zwar wird
dies Wohlgefallen gerade fo lange andauern, als uns die Erkenntnis aufgeht
von einer hier in Erscheinung getretenen, mit höchster Zweckmäßigkeit oder Ge-
schicklichkeit arbeitenden Kraft. Genau dieselbe Erkenntnis, die nach dem über¬
einstimmenden Urteil der verständigsten Kunstphilosophen auch dem Wohlgefallen
an der schonen Gestalt u. s. w. zu Grunde liegt. Aber allerdings das Wohl¬
gefallen wird alsbald wieder gestört werden, sobald wir der für unser gewöhn¬
liches Erkennen natürlichen Häßlichkeit des Gegenstandes wieder inne werde».
Hierbei ist zu bemerken, daß der physische Reiz bei der Häßlichkeit ebenso aus-
geschlossen ist wie bei der Schönheit. Ekel, physischer Widerwille sind auch hier
als „Reiz" Grenze für das Wohlgefallen. Ein Schwelgen in diesem negativen
Reiz ist Grausamkeit, wie jenes Wollust, zwei Leidenschaften, deren oft hervor¬
gehobene Gemeinsamkeit vielleicht auf diesem Bedürfnis »ach un- oder besser
übcrästhetischer Neigung beruht. Ein Wink für die „Naturalisten" aller Künste!
(Schluß folgt.)
Gin Kapitel deutscher Lyrik.
n seinem kürzlich erschienenen Büchlein von der schwarzen
Kunst, Skizzeublätter aus der Welt der Tinte und der Drucker¬
schwärze (Stuttgart, Adolf Bonz und Comp.), spricht Edwin
Bormann neben allerhand lustigen anch ein paar recht bittere
Wahrheiten aus. In dem hübschen Sinngedicht „Das Wvhl-
thätigkeitsgcdicht" setzt er auseinander, daß mit der Herausgabe unzähliger Ge¬
dichte niemand eine Wohlthat erwiesen wird als dem Dichter, der sich endlich
einmal gedruckt sieht, und in dem „Buchbinder-Hymnus" feiert er den wahren
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