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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Der evangelische Bund.

Weiter mitwollten, ausgestoßen wurden. Und dies sind keineswegs die schlech¬
testen, sondern die besten Elemente. So wurden seinerzeit die Jansenisten, so
wurden die Altkatholiken ausgeschieden, es scheint, daß jetzt, wo die katholische
Kirche sich immer mehr zu einer internationalen ausbildet, die patriotischen Be¬
standteile derselben beseitigt werden sollen. Diese ausgeschiedenen Elemente zu
sammeln, ist in der That eine löbliche und lohnende Aufgabe, es fragt sich nur,
ob gerade der evangelische Bund das hierzu geeignete Werkzeug ist. Will der¬
selbe deu Erfolgen der katholischen Propaganda wehren, so muß er es thun
durch Betonung der protestantischen Eigenart; er kann nicht zugleich ein ver¬
mittelndes Glied zwischen hüben und drüben sein. Oder denkt man sich den
Bund den einzelnen Landeskirchen gegenüber gleichsam als Reichsland? Der
Gedanke ist nicht übel, aber in der Durchführung würde er ein ganzes Nest
voll Widersprüche und rechtlicher Hindernisse zu Tage fördern.

Das beste ist klare Rechnung. Was geht uns Rom an? Wir haben es
mit uns zu thun, Vermittelungen zwischen uns und ihnen, eine Brücke zwischen
hüben und drüben giebt es doch nicht. Eine Einmischung in das fremde Gebiet
verursacht nur Bitterkeit, eine Einmischung in dem gegenwärtigen Augenblicke,
wo es sich darum handelt, ob wir zum Frieden kommen sollen oder nicht, ist
auch aus politisch wichtigen Gründen unzweckmäßig. Wir wünschen uns auf
neutralem Boden mit unsern katholischen Mitbürgern zu begegnen, wir wünschen
miteinander zu leben, und glauben auch Raum genug nebeneinander zu haben,
aber im übrigen bleibe jeder für sich. So wenig wir es dulden, daß ein katho¬
lischer Bischof sich als ein Bischof auch der getauften Evangelischen bezeichnet,
so wenig ist es der katholischen Seite zu verdenken, wenn sie die Förderung
wahrer Katholizität und christlicher Freiheit im Schoße der katholischen Kirche
durch den evangelischen Bund als Übergriff und Anfeindung empfindet. Ob
aber die deutsch-protestantischen Interessen dadurch besondre Wahrung finden,
daß unnötige Feldzüge, und zwar angriffsweise, unternommen werden, darf billig
bezweifelt werden.

Der evangelische Bund will der wachsenden Macht Roms durch Wort und
Schrift entgegentreten. Schön. Aber wo bleibt denn die That? Der Prediger
in der Wüste giebt es genug, was aber fehlt, ist, daß all die schönen Dinge,
welche geschrieben werden, vom Papier ins Leben übergehen. Wird aber darin
etwas durch die Gründung einer neuen Zeitschrift gewonnen werden? Denn
darauf scheint es in der That hinauszulaufen. Beratungen über die Presse
haben den Anlaß zur Gründung des Bundes gegeben, auch ist in dem Aufrufe
bereits eine Preßkommission ins Auge gefaßt worden. "Jeder soll das wahre
Wesen des immer mehr dem Jesuitismus verfallenden Romanismus und seine
letzten Ziele kennen lernen." Wenn dies alles nun gesagt ist, wird dann
weniger Gefahr sein, daß die evangelische Kirche durch Rom geschädigt werde?
Rom macht sein Verhalten von solchen Zeugnissen nicht abhängig. Auf Rom


Der evangelische Bund.

Weiter mitwollten, ausgestoßen wurden. Und dies sind keineswegs die schlech¬
testen, sondern die besten Elemente. So wurden seinerzeit die Jansenisten, so
wurden die Altkatholiken ausgeschieden, es scheint, daß jetzt, wo die katholische
Kirche sich immer mehr zu einer internationalen ausbildet, die patriotischen Be¬
standteile derselben beseitigt werden sollen. Diese ausgeschiedenen Elemente zu
sammeln, ist in der That eine löbliche und lohnende Aufgabe, es fragt sich nur,
ob gerade der evangelische Bund das hierzu geeignete Werkzeug ist. Will der¬
selbe deu Erfolgen der katholischen Propaganda wehren, so muß er es thun
durch Betonung der protestantischen Eigenart; er kann nicht zugleich ein ver¬
mittelndes Glied zwischen hüben und drüben sein. Oder denkt man sich den
Bund den einzelnen Landeskirchen gegenüber gleichsam als Reichsland? Der
Gedanke ist nicht übel, aber in der Durchführung würde er ein ganzes Nest
voll Widersprüche und rechtlicher Hindernisse zu Tage fördern.

Das beste ist klare Rechnung. Was geht uns Rom an? Wir haben es
mit uns zu thun, Vermittelungen zwischen uns und ihnen, eine Brücke zwischen
hüben und drüben giebt es doch nicht. Eine Einmischung in das fremde Gebiet
verursacht nur Bitterkeit, eine Einmischung in dem gegenwärtigen Augenblicke,
wo es sich darum handelt, ob wir zum Frieden kommen sollen oder nicht, ist
auch aus politisch wichtigen Gründen unzweckmäßig. Wir wünschen uns auf
neutralem Boden mit unsern katholischen Mitbürgern zu begegnen, wir wünschen
miteinander zu leben, und glauben auch Raum genug nebeneinander zu haben,
aber im übrigen bleibe jeder für sich. So wenig wir es dulden, daß ein katho¬
lischer Bischof sich als ein Bischof auch der getauften Evangelischen bezeichnet,
so wenig ist es der katholischen Seite zu verdenken, wenn sie die Förderung
wahrer Katholizität und christlicher Freiheit im Schoße der katholischen Kirche
durch den evangelischen Bund als Übergriff und Anfeindung empfindet. Ob
aber die deutsch-protestantischen Interessen dadurch besondre Wahrung finden,
daß unnötige Feldzüge, und zwar angriffsweise, unternommen werden, darf billig
bezweifelt werden.

Der evangelische Bund will der wachsenden Macht Roms durch Wort und
Schrift entgegentreten. Schön. Aber wo bleibt denn die That? Der Prediger
in der Wüste giebt es genug, was aber fehlt, ist, daß all die schönen Dinge,
welche geschrieben werden, vom Papier ins Leben übergehen. Wird aber darin
etwas durch die Gründung einer neuen Zeitschrift gewonnen werden? Denn
darauf scheint es in der That hinauszulaufen. Beratungen über die Presse
haben den Anlaß zur Gründung des Bundes gegeben, auch ist in dem Aufrufe
bereits eine Preßkommission ins Auge gefaßt worden. „Jeder soll das wahre
Wesen des immer mehr dem Jesuitismus verfallenden Romanismus und seine
letzten Ziele kennen lernen." Wenn dies alles nun gesagt ist, wird dann
weniger Gefahr sein, daß die evangelische Kirche durch Rom geschädigt werde?
Rom macht sein Verhalten von solchen Zeugnissen nicht abhängig. Auf Rom


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[0630] Der evangelische Bund. Weiter mitwollten, ausgestoßen wurden. Und dies sind keineswegs die schlech¬ testen, sondern die besten Elemente. So wurden seinerzeit die Jansenisten, so wurden die Altkatholiken ausgeschieden, es scheint, daß jetzt, wo die katholische Kirche sich immer mehr zu einer internationalen ausbildet, die patriotischen Be¬ standteile derselben beseitigt werden sollen. Diese ausgeschiedenen Elemente zu sammeln, ist in der That eine löbliche und lohnende Aufgabe, es fragt sich nur, ob gerade der evangelische Bund das hierzu geeignete Werkzeug ist. Will der¬ selbe deu Erfolgen der katholischen Propaganda wehren, so muß er es thun durch Betonung der protestantischen Eigenart; er kann nicht zugleich ein ver¬ mittelndes Glied zwischen hüben und drüben sein. Oder denkt man sich den Bund den einzelnen Landeskirchen gegenüber gleichsam als Reichsland? Der Gedanke ist nicht übel, aber in der Durchführung würde er ein ganzes Nest voll Widersprüche und rechtlicher Hindernisse zu Tage fördern. Das beste ist klare Rechnung. Was geht uns Rom an? Wir haben es mit uns zu thun, Vermittelungen zwischen uns und ihnen, eine Brücke zwischen hüben und drüben giebt es doch nicht. Eine Einmischung in das fremde Gebiet verursacht nur Bitterkeit, eine Einmischung in dem gegenwärtigen Augenblicke, wo es sich darum handelt, ob wir zum Frieden kommen sollen oder nicht, ist auch aus politisch wichtigen Gründen unzweckmäßig. Wir wünschen uns auf neutralem Boden mit unsern katholischen Mitbürgern zu begegnen, wir wünschen miteinander zu leben, und glauben auch Raum genug nebeneinander zu haben, aber im übrigen bleibe jeder für sich. So wenig wir es dulden, daß ein katho¬ lischer Bischof sich als ein Bischof auch der getauften Evangelischen bezeichnet, so wenig ist es der katholischen Seite zu verdenken, wenn sie die Förderung wahrer Katholizität und christlicher Freiheit im Schoße der katholischen Kirche durch den evangelischen Bund als Übergriff und Anfeindung empfindet. Ob aber die deutsch-protestantischen Interessen dadurch besondre Wahrung finden, daß unnötige Feldzüge, und zwar angriffsweise, unternommen werden, darf billig bezweifelt werden. Der evangelische Bund will der wachsenden Macht Roms durch Wort und Schrift entgegentreten. Schön. Aber wo bleibt denn die That? Der Prediger in der Wüste giebt es genug, was aber fehlt, ist, daß all die schönen Dinge, welche geschrieben werden, vom Papier ins Leben übergehen. Wird aber darin etwas durch die Gründung einer neuen Zeitschrift gewonnen werden? Denn darauf scheint es in der That hinauszulaufen. Beratungen über die Presse haben den Anlaß zur Gründung des Bundes gegeben, auch ist in dem Aufrufe bereits eine Preßkommission ins Auge gefaßt worden. „Jeder soll das wahre Wesen des immer mehr dem Jesuitismus verfallenden Romanismus und seine letzten Ziele kennen lernen." Wenn dies alles nun gesagt ist, wird dann weniger Gefahr sein, daß die evangelische Kirche durch Rom geschädigt werde? Rom macht sein Verhalten von solchen Zeugnissen nicht abhängig. Auf Rom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/630>, abgerufen am 23.12.2024.