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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Der evangelische Bund.

macht der Mut eines Mannes, der auf die Gefahr hin, seine Braut zu ver¬
lieren, den berüchtigten Revers nicht unterschreibt, mehr Eindruck als das
Zeugnis beredter Professoren, und den zwingenden Lebensverhältnissen gegen¬
über, welche zur Untreue an der evangelischen Kirche verleiten, der trägen
Gleichgiltigkeit gegenüber bleibt der schönste Artikel wirkungslos, besonders wenn
er nicht gelesen wird. Und darüber soll man sich keinen Täuschungen hingeben.
Wenn sich ein Verein zusammenthnt, eine Zeitung unterstützt oder herausgiebt,
so ist damit noch lange nicht erreicht, daß diese Zeitung in die rechten Hände
kommt oder überhaupt ernstlich gelesen wird. Man lege nicht allzugroßen
Wert auf die Presse. Wenn auch der Einfluß einer schlechten Presse nicht zu
leugnen ist, so muß man doch berücksichtigen, daß eine gute Presse nicht eine
entsprechend große Kraft hat. Denn Worte, welche den Übeln Regungen des
Lesers schmeicheln, finden viel leichter Eingang als solche, welche jene Übeln
Regungen bekämpfen. Wichtiger und erfolgreicher als die Schrift ist die fort¬
gesetzte persönliche Beeinflussung.

Der mehrerwähnte Aufruf nimmt auch die Bildung von Zweig- und Orts¬
vereinen in Aussicht; nach unsrer Meinung liegt in der Bildung solcher Gruppen
die Hauptaufgabe des Bundes. Hier müßte angefangen werden; das ist wich¬
tiger als Organisationen des Großen und Ganzen, welchen der thatsächliche Unter¬
grund fehlt. Man muß doch jedes Gebäude von unten nach oben bauen.
Freilich wird es schwer sein, die richtige Form der Sache und thätige Arbeiter
zu finden. Man darf auch diese Arbeit nicht wieder dein schon mit allen mög¬
lichen Dingen belasteten Geistlichen zuweisen; man muß vermeiden, daß die ört¬
lichen Vereinigungen eine unangenehm geistliche Färbung annehmen oder daß
sie zu bloßen Beitragsvereinen werden. Man muß ihnen ihre Aufgaben plan¬
mäßig zuleiten, etwa in der Weise, wie es bei den vaterländischen Frauen¬
vereinen der Fall ist, und man muß diese Aufgaben klar von denen des Gustav-
Adolf-Vereins oder der innern Mission abgrenzen.

Dies sind unsre Bedenken und Wünsche, die wir im Interesse der Sache
glaubten rückhaltlos aussprechen zu sollen. Umso lebhafter stimmen wir jenen
Bestrebungen zu, welche darauf gerichtet sind, innerhalb der evangelischen Kirche
das Band der Gemeinschaft zu knüpfen und zu befestigen. Wenn der evan¬
gelische Bund weiter keinen Erfolg hätte als den, daß er gegenüber der Zer¬
splitterung der Kräfte, dem Parteiprogramm, der Scheidung von Landes- und
Provinzialkirchen die Einheit und Zusammengehörigkeit aller Anhänger des
evangelischen Bekenntnisses zur Geltung brächte, so wäre dieser Erfolg so groß
und segensvoll, daß er alle aufgewandte Mühe reichlich lohnen würde.


in. A.


Der evangelische Bund.

macht der Mut eines Mannes, der auf die Gefahr hin, seine Braut zu ver¬
lieren, den berüchtigten Revers nicht unterschreibt, mehr Eindruck als das
Zeugnis beredter Professoren, und den zwingenden Lebensverhältnissen gegen¬
über, welche zur Untreue an der evangelischen Kirche verleiten, der trägen
Gleichgiltigkeit gegenüber bleibt der schönste Artikel wirkungslos, besonders wenn
er nicht gelesen wird. Und darüber soll man sich keinen Täuschungen hingeben.
Wenn sich ein Verein zusammenthnt, eine Zeitung unterstützt oder herausgiebt,
so ist damit noch lange nicht erreicht, daß diese Zeitung in die rechten Hände
kommt oder überhaupt ernstlich gelesen wird. Man lege nicht allzugroßen
Wert auf die Presse. Wenn auch der Einfluß einer schlechten Presse nicht zu
leugnen ist, so muß man doch berücksichtigen, daß eine gute Presse nicht eine
entsprechend große Kraft hat. Denn Worte, welche den Übeln Regungen des
Lesers schmeicheln, finden viel leichter Eingang als solche, welche jene Übeln
Regungen bekämpfen. Wichtiger und erfolgreicher als die Schrift ist die fort¬
gesetzte persönliche Beeinflussung.

Der mehrerwähnte Aufruf nimmt auch die Bildung von Zweig- und Orts¬
vereinen in Aussicht; nach unsrer Meinung liegt in der Bildung solcher Gruppen
die Hauptaufgabe des Bundes. Hier müßte angefangen werden; das ist wich¬
tiger als Organisationen des Großen und Ganzen, welchen der thatsächliche Unter¬
grund fehlt. Man muß doch jedes Gebäude von unten nach oben bauen.
Freilich wird es schwer sein, die richtige Form der Sache und thätige Arbeiter
zu finden. Man darf auch diese Arbeit nicht wieder dein schon mit allen mög¬
lichen Dingen belasteten Geistlichen zuweisen; man muß vermeiden, daß die ört¬
lichen Vereinigungen eine unangenehm geistliche Färbung annehmen oder daß
sie zu bloßen Beitragsvereinen werden. Man muß ihnen ihre Aufgaben plan¬
mäßig zuleiten, etwa in der Weise, wie es bei den vaterländischen Frauen¬
vereinen der Fall ist, und man muß diese Aufgaben klar von denen des Gustav-
Adolf-Vereins oder der innern Mission abgrenzen.

Dies sind unsre Bedenken und Wünsche, die wir im Interesse der Sache
glaubten rückhaltlos aussprechen zu sollen. Umso lebhafter stimmen wir jenen
Bestrebungen zu, welche darauf gerichtet sind, innerhalb der evangelischen Kirche
das Band der Gemeinschaft zu knüpfen und zu befestigen. Wenn der evan¬
gelische Bund weiter keinen Erfolg hätte als den, daß er gegenüber der Zer¬
splitterung der Kräfte, dem Parteiprogramm, der Scheidung von Landes- und
Provinzialkirchen die Einheit und Zusammengehörigkeit aller Anhänger des
evangelischen Bekenntnisses zur Geltung brächte, so wäre dieser Erfolg so groß
und segensvoll, daß er alle aufgewandte Mühe reichlich lohnen würde.


in. A.


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[0631] Der evangelische Bund. macht der Mut eines Mannes, der auf die Gefahr hin, seine Braut zu ver¬ lieren, den berüchtigten Revers nicht unterschreibt, mehr Eindruck als das Zeugnis beredter Professoren, und den zwingenden Lebensverhältnissen gegen¬ über, welche zur Untreue an der evangelischen Kirche verleiten, der trägen Gleichgiltigkeit gegenüber bleibt der schönste Artikel wirkungslos, besonders wenn er nicht gelesen wird. Und darüber soll man sich keinen Täuschungen hingeben. Wenn sich ein Verein zusammenthnt, eine Zeitung unterstützt oder herausgiebt, so ist damit noch lange nicht erreicht, daß diese Zeitung in die rechten Hände kommt oder überhaupt ernstlich gelesen wird. Man lege nicht allzugroßen Wert auf die Presse. Wenn auch der Einfluß einer schlechten Presse nicht zu leugnen ist, so muß man doch berücksichtigen, daß eine gute Presse nicht eine entsprechend große Kraft hat. Denn Worte, welche den Übeln Regungen des Lesers schmeicheln, finden viel leichter Eingang als solche, welche jene Übeln Regungen bekämpfen. Wichtiger und erfolgreicher als die Schrift ist die fort¬ gesetzte persönliche Beeinflussung. Der mehrerwähnte Aufruf nimmt auch die Bildung von Zweig- und Orts¬ vereinen in Aussicht; nach unsrer Meinung liegt in der Bildung solcher Gruppen die Hauptaufgabe des Bundes. Hier müßte angefangen werden; das ist wich¬ tiger als Organisationen des Großen und Ganzen, welchen der thatsächliche Unter¬ grund fehlt. Man muß doch jedes Gebäude von unten nach oben bauen. Freilich wird es schwer sein, die richtige Form der Sache und thätige Arbeiter zu finden. Man darf auch diese Arbeit nicht wieder dein schon mit allen mög¬ lichen Dingen belasteten Geistlichen zuweisen; man muß vermeiden, daß die ört¬ lichen Vereinigungen eine unangenehm geistliche Färbung annehmen oder daß sie zu bloßen Beitragsvereinen werden. Man muß ihnen ihre Aufgaben plan¬ mäßig zuleiten, etwa in der Weise, wie es bei den vaterländischen Frauen¬ vereinen der Fall ist, und man muß diese Aufgaben klar von denen des Gustav- Adolf-Vereins oder der innern Mission abgrenzen. Dies sind unsre Bedenken und Wünsche, die wir im Interesse der Sache glaubten rückhaltlos aussprechen zu sollen. Umso lebhafter stimmen wir jenen Bestrebungen zu, welche darauf gerichtet sind, innerhalb der evangelischen Kirche das Band der Gemeinschaft zu knüpfen und zu befestigen. Wenn der evan¬ gelische Bund weiter keinen Erfolg hätte als den, daß er gegenüber der Zer¬ splitterung der Kräfte, dem Parteiprogramm, der Scheidung von Landes- und Provinzialkirchen die Einheit und Zusammengehörigkeit aller Anhänger des evangelischen Bekenntnisses zur Geltung brächte, so wäre dieser Erfolg so groß und segensvoll, daß er alle aufgewandte Mühe reichlich lohnen würde. in. A.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/631>, abgerufen am 22.12.2024.