Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Der evangelische Bund.

n den letzten Wochen ist ein Aufruf zum Beitritt zu dem von
einer Anzahl von kirchlichen Männern verschiednen Standes und
verschiedner Parteistellung gegründeten evangelischen Bunde ver¬
sandt worden. Der Plan, einen solchen Bund zu gründen, ent¬
stand in dem Zeitpunkte, wo die Beendigung des Kulturkampfes
bevorzustehen und Rom als Sieger aus demselben hervorzugehen schien. Man
nahm an, daß, wie die Kosten dieses Kulturkampfes meist von der evangelischen
Kirche getragen worden sind, so auch der Friedensschluß und das übermächtige
Anwachsen des römischen Einflusses der evangelischen Kirche in erster Linie ver¬
derblich werden müsse. Um hiergegen durch Zusammenfassung der Kräfte Ab¬
wehr leisten zu können, wurde zu Michaelis vorigen Jahres in Erfurt der Be¬
schluß gefaßt, einen evangelischen Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen
Interessen zu gründen.

Der Aufruf beginnt mit der Darlegung der Lage und führt aus:

Die deutsche evangelische Kirche und mit ihr unser deutsches Baterland sind
von schweren Gefahren bedroht. Durch den sogenannten Kulturkampf und die Art
seiner Beilegung sehen wir die Macht des Romanismus aufs höchste gesteigert.
Rührig und mit zäher Beharrlichkeit, unter Benutzung aller dem deutschen Wesen
entgegenwirkenden Strömungen, verfolgt dieser seine Ziele. Die Zugeständnisse,
welche er den deutschen Regierungen abgerungen hat, bieten ihm nur neue Mittel
des Angriffs. Auch die größere Mäßigung und die Friedfertigkeit, welche er jetzt
zur Schau trägt, dienen ihm zur Gewinnung weiterer Vorteile. Die größten Ein¬
bußen hat der Protestantismus jedesmal dann erlitten, wenn die Hierarchie sich auf
den Friedensfuß mit der Staatsgewalt zu setzen wußte..... Der machtvollen Ein¬
heit Roms steht die deutsch-evangelische Christenheit in trauriger Zerrissenheit gegen¬
über. Die Landeskirchen, in welche sie zerfällt, sind durch ein so loses Band ver¬
knüpft und im übrigen so sehr gegen einander abgeschlossen, daß das evangelische


Grenzboten I. 1887. 78


Der evangelische Bund.

n den letzten Wochen ist ein Aufruf zum Beitritt zu dem von
einer Anzahl von kirchlichen Männern verschiednen Standes und
verschiedner Parteistellung gegründeten evangelischen Bunde ver¬
sandt worden. Der Plan, einen solchen Bund zu gründen, ent¬
stand in dem Zeitpunkte, wo die Beendigung des Kulturkampfes
bevorzustehen und Rom als Sieger aus demselben hervorzugehen schien. Man
nahm an, daß, wie die Kosten dieses Kulturkampfes meist von der evangelischen
Kirche getragen worden sind, so auch der Friedensschluß und das übermächtige
Anwachsen des römischen Einflusses der evangelischen Kirche in erster Linie ver¬
derblich werden müsse. Um hiergegen durch Zusammenfassung der Kräfte Ab¬
wehr leisten zu können, wurde zu Michaelis vorigen Jahres in Erfurt der Be¬
schluß gefaßt, einen evangelischen Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen
Interessen zu gründen.

Der Aufruf beginnt mit der Darlegung der Lage und führt aus:

Die deutsche evangelische Kirche und mit ihr unser deutsches Baterland sind
von schweren Gefahren bedroht. Durch den sogenannten Kulturkampf und die Art
seiner Beilegung sehen wir die Macht des Romanismus aufs höchste gesteigert.
Rührig und mit zäher Beharrlichkeit, unter Benutzung aller dem deutschen Wesen
entgegenwirkenden Strömungen, verfolgt dieser seine Ziele. Die Zugeständnisse,
welche er den deutschen Regierungen abgerungen hat, bieten ihm nur neue Mittel
des Angriffs. Auch die größere Mäßigung und die Friedfertigkeit, welche er jetzt
zur Schau trägt, dienen ihm zur Gewinnung weiterer Vorteile. Die größten Ein¬
bußen hat der Protestantismus jedesmal dann erlitten, wenn die Hierarchie sich auf
den Friedensfuß mit der Staatsgewalt zu setzen wußte..... Der machtvollen Ein¬
heit Roms steht die deutsch-evangelische Christenheit in trauriger Zerrissenheit gegen¬
über. Die Landeskirchen, in welche sie zerfällt, sind durch ein so loses Band ver¬
knüpft und im übrigen so sehr gegen einander abgeschlossen, daß das evangelische


Grenzboten I. 1887. 78
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0625" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200730"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341845_200104/figures/grenzboten_341845_200104_200730_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der evangelische Bund.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1966"> n den letzten Wochen ist ein Aufruf zum Beitritt zu dem von<lb/>
einer Anzahl von kirchlichen Männern verschiednen Standes und<lb/>
verschiedner Parteistellung gegründeten evangelischen Bunde ver¬<lb/>
sandt worden. Der Plan, einen solchen Bund zu gründen, ent¬<lb/>
stand in dem Zeitpunkte, wo die Beendigung des Kulturkampfes<lb/>
bevorzustehen und Rom als Sieger aus demselben hervorzugehen schien. Man<lb/>
nahm an, daß, wie die Kosten dieses Kulturkampfes meist von der evangelischen<lb/>
Kirche getragen worden sind, so auch der Friedensschluß und das übermächtige<lb/>
Anwachsen des römischen Einflusses der evangelischen Kirche in erster Linie ver¬<lb/>
derblich werden müsse. Um hiergegen durch Zusammenfassung der Kräfte Ab¬<lb/>
wehr leisten zu können, wurde zu Michaelis vorigen Jahres in Erfurt der Be¬<lb/>
schluß gefaßt, einen evangelischen Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen<lb/>
Interessen zu gründen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1967"> Der Aufruf beginnt mit der Darlegung der Lage und führt aus:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1968" next="#ID_1969"> Die deutsche evangelische Kirche und mit ihr unser deutsches Baterland sind<lb/>
von schweren Gefahren bedroht. Durch den sogenannten Kulturkampf und die Art<lb/>
seiner Beilegung sehen wir die Macht des Romanismus aufs höchste gesteigert.<lb/>
Rührig und mit zäher Beharrlichkeit, unter Benutzung aller dem deutschen Wesen<lb/>
entgegenwirkenden Strömungen, verfolgt dieser seine Ziele. Die Zugeständnisse,<lb/>
welche er den deutschen Regierungen abgerungen hat, bieten ihm nur neue Mittel<lb/>
des Angriffs. Auch die größere Mäßigung und die Friedfertigkeit, welche er jetzt<lb/>
zur Schau trägt, dienen ihm zur Gewinnung weiterer Vorteile. Die größten Ein¬<lb/>
bußen hat der Protestantismus jedesmal dann erlitten, wenn die Hierarchie sich auf<lb/>
den Friedensfuß mit der Staatsgewalt zu setzen wußte..... Der machtvollen Ein¬<lb/>
heit Roms steht die deutsch-evangelische Christenheit in trauriger Zerrissenheit gegen¬<lb/>
über. Die Landeskirchen, in welche sie zerfällt, sind durch ein so loses Band ver¬<lb/>
knüpft und im übrigen so sehr gegen einander abgeschlossen, daß das evangelische</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1887. 78</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0625] [Abbildung] Der evangelische Bund. n den letzten Wochen ist ein Aufruf zum Beitritt zu dem von einer Anzahl von kirchlichen Männern verschiednen Standes und verschiedner Parteistellung gegründeten evangelischen Bunde ver¬ sandt worden. Der Plan, einen solchen Bund zu gründen, ent¬ stand in dem Zeitpunkte, wo die Beendigung des Kulturkampfes bevorzustehen und Rom als Sieger aus demselben hervorzugehen schien. Man nahm an, daß, wie die Kosten dieses Kulturkampfes meist von der evangelischen Kirche getragen worden sind, so auch der Friedensschluß und das übermächtige Anwachsen des römischen Einflusses der evangelischen Kirche in erster Linie ver¬ derblich werden müsse. Um hiergegen durch Zusammenfassung der Kräfte Ab¬ wehr leisten zu können, wurde zu Michaelis vorigen Jahres in Erfurt der Be¬ schluß gefaßt, einen evangelischen Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen zu gründen. Der Aufruf beginnt mit der Darlegung der Lage und führt aus: Die deutsche evangelische Kirche und mit ihr unser deutsches Baterland sind von schweren Gefahren bedroht. Durch den sogenannten Kulturkampf und die Art seiner Beilegung sehen wir die Macht des Romanismus aufs höchste gesteigert. Rührig und mit zäher Beharrlichkeit, unter Benutzung aller dem deutschen Wesen entgegenwirkenden Strömungen, verfolgt dieser seine Ziele. Die Zugeständnisse, welche er den deutschen Regierungen abgerungen hat, bieten ihm nur neue Mittel des Angriffs. Auch die größere Mäßigung und die Friedfertigkeit, welche er jetzt zur Schau trägt, dienen ihm zur Gewinnung weiterer Vorteile. Die größten Ein¬ bußen hat der Protestantismus jedesmal dann erlitten, wenn die Hierarchie sich auf den Friedensfuß mit der Staatsgewalt zu setzen wußte..... Der machtvollen Ein¬ heit Roms steht die deutsch-evangelische Christenheit in trauriger Zerrissenheit gegen¬ über. Die Landeskirchen, in welche sie zerfällt, sind durch ein so loses Band ver¬ knüpft und im übrigen so sehr gegen einander abgeschlossen, daß das evangelische Grenzboten I. 1887. 78

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/625
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/625>, abgerufen am 22.07.2024.