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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Dichterfreundinnen.

mit Karolinen nicht die Rede, und so sanken denn auch die Seifenblasen ihrer
Lebenspläne in sich zusammen. Aber von ihrem Manne wollte sie durchaus
loskommen. Der gute Herr von Beulwitz war wirklich zu bedauern, er sah
sich auf die unverantwortlichste Weise beiseite geschoben und mußte sich außer
dem Hause ein erträgliches Leben zu schaffen suchen. Der gransame Idealismus
seiner Fran hatte dafür nur herzlosen Spott: "Ours lebt ganz dem Bacchus
und ist so glücklich in dieser Stimmung, daß sein Leben ordentlich eine Satire
gegen Minerva abgeben könnte. Ich sehe ihn fast garnicht," schreibt sie im
Dezember 1790. Zwei Jahre später begannen die Verhandlungen wegen der
Scheidung. Schiller sah jetzt als glücklicher Ehemann die Sache anders an
als früher. Er riet zum geduldigen Ausharren, zur Vorsicht, zur Mäßigung,
aber was half es, daß er jetzt die Miene überlegener schwägerlicher Besonnen¬
heit annahm, er hatte die Frau doch durch seine frühere unvorsichtige Anbetung
von allen ihren alltäglichen Gewohnheiten und Beziehungen losgerissen. Die
Hauptfrage war die Geldfrage. Karoline stellte Bedingungen, setzte dem armen
Manne, den sie um jeden Preis löffeln wollte, einen Preis, für den er sie
loswerden könnte; 300 Thäler jährlich sollte er ihr geben. Denn: "Vor dem
Nichtshaben -- sagte sie --, werde ich mich sicher hüten, für eine Frau ist's
das größte Unglück." Herr von Beulwitz war edel genug, auch jetzt noch für
das Wohl der Ungetreuen besorgt zu sein. Es ist ergreifend, wie er (nach
einem Briefe der Frau vou Lengefeld an Lotten vom 12. November 1793) an
Karolinen schreibt: "Der Gedanke, sie leidend und in Zukunft von ihm getrennt
in Not zu wissen, wäre ihm unerträglich. Er sei also fest entschlossen, sich nicht
trennen zu lassen und lieber unglücklich zu sein als sich Vorwürfe machen zu
müssen, nicht als ein rechtschaffener Mann gehandelt zu haben. Wenn nur
Karoline bei ihm sein und sich freundlich betragen wollte, und wenn er es sich
auch abbrechen müßte, wollte er lieber sehen, ihr einiges Geld zu ihrem Ver¬
gnügen aussetzen zu können, wenn sie bei ihm bliebe." "Wäre er mein Feind
-- setzt die ellörs mors hinzu --, so müßte ich sagen, daß diese Gesinnungen
edel siud." Endlich kam denn doch eine Ausgleichung zustande, im Jahre 1794
trennten sie sich.

Beulwitz blieb in freundschaftlichem Verkehr mit der Frau von Lengefeld
und mit Schiller, verwandte sich anch später für dessen Sohn Ernst. Bald
nach der Scheidung von Karoline verheiratete er sich wieder, anch mit einer
"Gelehrten," wie Lotte an Schiller schreibt, einem Fräulein von Bibra, und
und er fand, wie es scheint, das Glück, welches ihm Karoline nicht gegönnt hatte.

Aber auch Karoline begab sich im Herbste desselben Jahres wieder in das
eheliche Joch, sie heiratete Wilhelm von Wolzogen. Man kann nicht sagen,
daß sie den guten Vetter in einem stillen und treuen Herze" getragen hatte.*)



*) Außer von den intimen Beziehungen zu Schiller und dem Kondjutor war sie auch
noch von manchen andern Seelenfreundschnften in Anspruch genommen. Ein junger Liev-
Dichterfreundinnen.

mit Karolinen nicht die Rede, und so sanken denn auch die Seifenblasen ihrer
Lebenspläne in sich zusammen. Aber von ihrem Manne wollte sie durchaus
loskommen. Der gute Herr von Beulwitz war wirklich zu bedauern, er sah
sich auf die unverantwortlichste Weise beiseite geschoben und mußte sich außer
dem Hause ein erträgliches Leben zu schaffen suchen. Der gransame Idealismus
seiner Fran hatte dafür nur herzlosen Spott: „Ours lebt ganz dem Bacchus
und ist so glücklich in dieser Stimmung, daß sein Leben ordentlich eine Satire
gegen Minerva abgeben könnte. Ich sehe ihn fast garnicht," schreibt sie im
Dezember 1790. Zwei Jahre später begannen die Verhandlungen wegen der
Scheidung. Schiller sah jetzt als glücklicher Ehemann die Sache anders an
als früher. Er riet zum geduldigen Ausharren, zur Vorsicht, zur Mäßigung,
aber was half es, daß er jetzt die Miene überlegener schwägerlicher Besonnen¬
heit annahm, er hatte die Frau doch durch seine frühere unvorsichtige Anbetung
von allen ihren alltäglichen Gewohnheiten und Beziehungen losgerissen. Die
Hauptfrage war die Geldfrage. Karoline stellte Bedingungen, setzte dem armen
Manne, den sie um jeden Preis löffeln wollte, einen Preis, für den er sie
loswerden könnte; 300 Thäler jährlich sollte er ihr geben. Denn: „Vor dem
Nichtshaben — sagte sie —, werde ich mich sicher hüten, für eine Frau ist's
das größte Unglück." Herr von Beulwitz war edel genug, auch jetzt noch für
das Wohl der Ungetreuen besorgt zu sein. Es ist ergreifend, wie er (nach
einem Briefe der Frau vou Lengefeld an Lotten vom 12. November 1793) an
Karolinen schreibt: „Der Gedanke, sie leidend und in Zukunft von ihm getrennt
in Not zu wissen, wäre ihm unerträglich. Er sei also fest entschlossen, sich nicht
trennen zu lassen und lieber unglücklich zu sein als sich Vorwürfe machen zu
müssen, nicht als ein rechtschaffener Mann gehandelt zu haben. Wenn nur
Karoline bei ihm sein und sich freundlich betragen wollte, und wenn er es sich
auch abbrechen müßte, wollte er lieber sehen, ihr einiges Geld zu ihrem Ver¬
gnügen aussetzen zu können, wenn sie bei ihm bliebe." „Wäre er mein Feind
— setzt die ellörs mors hinzu —, so müßte ich sagen, daß diese Gesinnungen
edel siud." Endlich kam denn doch eine Ausgleichung zustande, im Jahre 1794
trennten sie sich.

Beulwitz blieb in freundschaftlichem Verkehr mit der Frau von Lengefeld
und mit Schiller, verwandte sich anch später für dessen Sohn Ernst. Bald
nach der Scheidung von Karoline verheiratete er sich wieder, anch mit einer
„Gelehrten," wie Lotte an Schiller schreibt, einem Fräulein von Bibra, und
und er fand, wie es scheint, das Glück, welches ihm Karoline nicht gegönnt hatte.

Aber auch Karoline begab sich im Herbste desselben Jahres wieder in das
eheliche Joch, sie heiratete Wilhelm von Wolzogen. Man kann nicht sagen,
daß sie den guten Vetter in einem stillen und treuen Herze» getragen hatte.*)



*) Außer von den intimen Beziehungen zu Schiller und dem Kondjutor war sie auch
noch von manchen andern Seelenfreundschnften in Anspruch genommen. Ein junger Liev-
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[0596] Dichterfreundinnen. mit Karolinen nicht die Rede, und so sanken denn auch die Seifenblasen ihrer Lebenspläne in sich zusammen. Aber von ihrem Manne wollte sie durchaus loskommen. Der gute Herr von Beulwitz war wirklich zu bedauern, er sah sich auf die unverantwortlichste Weise beiseite geschoben und mußte sich außer dem Hause ein erträgliches Leben zu schaffen suchen. Der gransame Idealismus seiner Fran hatte dafür nur herzlosen Spott: „Ours lebt ganz dem Bacchus und ist so glücklich in dieser Stimmung, daß sein Leben ordentlich eine Satire gegen Minerva abgeben könnte. Ich sehe ihn fast garnicht," schreibt sie im Dezember 1790. Zwei Jahre später begannen die Verhandlungen wegen der Scheidung. Schiller sah jetzt als glücklicher Ehemann die Sache anders an als früher. Er riet zum geduldigen Ausharren, zur Vorsicht, zur Mäßigung, aber was half es, daß er jetzt die Miene überlegener schwägerlicher Besonnen¬ heit annahm, er hatte die Frau doch durch seine frühere unvorsichtige Anbetung von allen ihren alltäglichen Gewohnheiten und Beziehungen losgerissen. Die Hauptfrage war die Geldfrage. Karoline stellte Bedingungen, setzte dem armen Manne, den sie um jeden Preis löffeln wollte, einen Preis, für den er sie loswerden könnte; 300 Thäler jährlich sollte er ihr geben. Denn: „Vor dem Nichtshaben — sagte sie —, werde ich mich sicher hüten, für eine Frau ist's das größte Unglück." Herr von Beulwitz war edel genug, auch jetzt noch für das Wohl der Ungetreuen besorgt zu sein. Es ist ergreifend, wie er (nach einem Briefe der Frau vou Lengefeld an Lotten vom 12. November 1793) an Karolinen schreibt: „Der Gedanke, sie leidend und in Zukunft von ihm getrennt in Not zu wissen, wäre ihm unerträglich. Er sei also fest entschlossen, sich nicht trennen zu lassen und lieber unglücklich zu sein als sich Vorwürfe machen zu müssen, nicht als ein rechtschaffener Mann gehandelt zu haben. Wenn nur Karoline bei ihm sein und sich freundlich betragen wollte, und wenn er es sich auch abbrechen müßte, wollte er lieber sehen, ihr einiges Geld zu ihrem Ver¬ gnügen aussetzen zu können, wenn sie bei ihm bliebe." „Wäre er mein Feind — setzt die ellörs mors hinzu —, so müßte ich sagen, daß diese Gesinnungen edel siud." Endlich kam denn doch eine Ausgleichung zustande, im Jahre 1794 trennten sie sich. Beulwitz blieb in freundschaftlichem Verkehr mit der Frau von Lengefeld und mit Schiller, verwandte sich anch später für dessen Sohn Ernst. Bald nach der Scheidung von Karoline verheiratete er sich wieder, anch mit einer „Gelehrten," wie Lotte an Schiller schreibt, einem Fräulein von Bibra, und und er fand, wie es scheint, das Glück, welches ihm Karoline nicht gegönnt hatte. Aber auch Karoline begab sich im Herbste desselben Jahres wieder in das eheliche Joch, sie heiratete Wilhelm von Wolzogen. Man kann nicht sagen, daß sie den guten Vetter in einem stillen und treuen Herze» getragen hatte.*) *) Außer von den intimen Beziehungen zu Schiller und dem Kondjutor war sie auch noch von manchen andern Seelenfreundschnften in Anspruch genommen. Ein junger Liev-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/596>, abgerufen am 27.08.2024.