Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Toynbee-Hall. heiligen Unterhaltung gewidmet. Trotzdem herrschten auch in diesem Falle Aus solchen Worten spricht das stolze Bewußtsein, die Grundlage einer Dreierlei ist es, was jener städtischen Arbeiterbevölkerung die Stärke giebt, Einmal ist es ein gewaltiges, fast trotziges Selbstgefühl, wie es uns aus Grenzboten I. 1887. 73
Toynbee-Hall. heiligen Unterhaltung gewidmet. Trotzdem herrschten auch in diesem Falle Aus solchen Worten spricht das stolze Bewußtsein, die Grundlage einer Dreierlei ist es, was jener städtischen Arbeiterbevölkerung die Stärke giebt, Einmal ist es ein gewaltiges, fast trotziges Selbstgefühl, wie es uns aus Grenzboten I. 1887. 73
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0585" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200690"/> <fw type="header" place="top"> Toynbee-Hall.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1841" prev="#ID_1840"> heiligen Unterhaltung gewidmet. Trotzdem herrschten auch in diesem Falle<lb/> streng parlamentarische Formen, Einer nach dem andern ergriff das Wort;<lb/> jeder hatte etwas der Gesellschaft zum Besten zu geben. In reichem Wechsel<lb/> folgte Heiteres und Ernstes, gebundene und ungebundene Rede, Gesang und<lb/> Deklamation. Mancher hatte die Aufgabe schwer genommen und sich verpflichtet<lb/> geglaubt, ein eignes Produkt zu liefern. Diese dichterischen Ergüsse waren<lb/> durch ihren Inhalt vielfach merkwürdig, obwohl ihre mangelhafte Form und<lb/> selbst Eigentümlichkeiten des Sprachgebrauchs ihren Ursprung verrieten. Be¬<lb/> sonders eigentümlich berührte mich ein Lied zur Verherrlichung des englischen<lb/> Arbeiterstandes, dessen Grundgedanke der war, daß alle Größe und Herrlichkeit<lb/> Englands doch zuletzt auf dem xoor, llarä vorlciriA' man beruhe. Dieses<lb/> Thema wurde durch eine lange Reihe von Versen variirt. So hieß es z. B.:<lb/> „Unsre Gesetzgeber sitzen in Westminster zusammen und planen dort für Eng¬<lb/> lands Gedeihen. Aber wie könnten sie ihre Pläne vollenden und was würde<lb/> Alt-England sein, hielten nicht seine Schiffe rings die mächtige Wacht, die der<lb/> Schrecken von jedem Tyrannen und der Ruhm der See sind (los tsrroi c»k<lb/> <zool7 t^i-M kennt eilf Zlor/ c>k eilf sha)? Unsre Gentrh befehligt sie und hat die<lb/> Ehre davon. Aber wo bliebe der Ruhm unsrer Gentry, wenn wir nicht die<lb/> Eisenkleider geschmiedet hätten?" An einer andern Stelle hieß es: „Die Töchter<lb/> des Squires fahren im Winter zur Stadt. Glänzend in Sammet und Seide<lb/> gehen sie zu Oper und Ball; und wenn sie dort mit dem kostbaren Fächer<lb/> spielen, so mögen sie dessen nicht vergessen, der ihnen all den Schmuck gefertigt<lb/> hat, des xoor, Kg-ra vorKinZ man." Zum Schlüsse des Liedes hieß es:<lb/> „Aber laßt uns die Großen und Reichen nicht beneiden. Der Höchste hat uns<lb/> zur Arbeit nach allweisen Plan geschaffen. Laßt uns zufrieden sein und ar¬<lb/> beiten, so lange wir können, und voll Stolz dem lieben Gott danken, daß er<lb/> uns die Kraft verliehen hat, Britcmnias Arbeitsmann zu sein." Darauf fiel<lb/> der Chor jubelnd ein: „Darum guten Mutes, meine Knaben, Englands hellster<lb/> Schmuck ist sein xoor, Karat vorNnA mau."</p><lb/> <p xml:id="ID_1842"> Aus solchen Worten spricht das stolze Bewußtsein, die Grundlage einer<lb/> großen und glänzenden Nation zu sein. In der That haben in England mit<lb/> dem Verschwinden des Bauernstandes und der Verödung des Landes mehr und<lb/> mehr die industriellen Massen der Städte innerhalb der Gesamtbevölkerung das<lb/> Übergewicht an Zahl erreicht. Der Deutsche mag sich Glück dazu wünschen,<lb/> daß er von solchen Verhältnissen weit entfernt ist. Aber wie gefährlich eine<lb/> derartige Entwicklung auch sein mag, daß sie noch nicht unmittelbar ins Ver¬<lb/> derben führt, hat England bisher gezeigt und wird es in Zukunft zeigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1843"> Dreierlei ist es, was jener städtischen Arbeiterbevölkerung die Stärke giebt,<lb/> für den gesamten Bau des nationalen Lebens die notwendige Unterlage zu bilden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1844" next="#ID_1845"> Einmal ist es ein gewaltiges, fast trotziges Selbstgefühl, wie es uns aus<lb/> den oben angeführten Worten entgegentritt. Aber glauben wir, daß die alten</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1887. 73</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0585]
Toynbee-Hall.
heiligen Unterhaltung gewidmet. Trotzdem herrschten auch in diesem Falle
streng parlamentarische Formen, Einer nach dem andern ergriff das Wort;
jeder hatte etwas der Gesellschaft zum Besten zu geben. In reichem Wechsel
folgte Heiteres und Ernstes, gebundene und ungebundene Rede, Gesang und
Deklamation. Mancher hatte die Aufgabe schwer genommen und sich verpflichtet
geglaubt, ein eignes Produkt zu liefern. Diese dichterischen Ergüsse waren
durch ihren Inhalt vielfach merkwürdig, obwohl ihre mangelhafte Form und
selbst Eigentümlichkeiten des Sprachgebrauchs ihren Ursprung verrieten. Be¬
sonders eigentümlich berührte mich ein Lied zur Verherrlichung des englischen
Arbeiterstandes, dessen Grundgedanke der war, daß alle Größe und Herrlichkeit
Englands doch zuletzt auf dem xoor, llarä vorlciriA' man beruhe. Dieses
Thema wurde durch eine lange Reihe von Versen variirt. So hieß es z. B.:
„Unsre Gesetzgeber sitzen in Westminster zusammen und planen dort für Eng¬
lands Gedeihen. Aber wie könnten sie ihre Pläne vollenden und was würde
Alt-England sein, hielten nicht seine Schiffe rings die mächtige Wacht, die der
Schrecken von jedem Tyrannen und der Ruhm der See sind (los tsrroi c»k
<zool7 t^i-M kennt eilf Zlor/ c>k eilf sha)? Unsre Gentrh befehligt sie und hat die
Ehre davon. Aber wo bliebe der Ruhm unsrer Gentry, wenn wir nicht die
Eisenkleider geschmiedet hätten?" An einer andern Stelle hieß es: „Die Töchter
des Squires fahren im Winter zur Stadt. Glänzend in Sammet und Seide
gehen sie zu Oper und Ball; und wenn sie dort mit dem kostbaren Fächer
spielen, so mögen sie dessen nicht vergessen, der ihnen all den Schmuck gefertigt
hat, des xoor, Kg-ra vorKinZ man." Zum Schlüsse des Liedes hieß es:
„Aber laßt uns die Großen und Reichen nicht beneiden. Der Höchste hat uns
zur Arbeit nach allweisen Plan geschaffen. Laßt uns zufrieden sein und ar¬
beiten, so lange wir können, und voll Stolz dem lieben Gott danken, daß er
uns die Kraft verliehen hat, Britcmnias Arbeitsmann zu sein." Darauf fiel
der Chor jubelnd ein: „Darum guten Mutes, meine Knaben, Englands hellster
Schmuck ist sein xoor, Karat vorNnA mau."
Aus solchen Worten spricht das stolze Bewußtsein, die Grundlage einer
großen und glänzenden Nation zu sein. In der That haben in England mit
dem Verschwinden des Bauernstandes und der Verödung des Landes mehr und
mehr die industriellen Massen der Städte innerhalb der Gesamtbevölkerung das
Übergewicht an Zahl erreicht. Der Deutsche mag sich Glück dazu wünschen,
daß er von solchen Verhältnissen weit entfernt ist. Aber wie gefährlich eine
derartige Entwicklung auch sein mag, daß sie noch nicht unmittelbar ins Ver¬
derben führt, hat England bisher gezeigt und wird es in Zukunft zeigen.
Dreierlei ist es, was jener städtischen Arbeiterbevölkerung die Stärke giebt,
für den gesamten Bau des nationalen Lebens die notwendige Unterlage zu bilden.
Einmal ist es ein gewaltiges, fast trotziges Selbstgefühl, wie es uns aus
den oben angeführten Worten entgegentritt. Aber glauben wir, daß die alten
Grenzboten I. 1887. 73
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