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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Wilhelm Lenzen.

er, dem es auch an Anerkennung seiner Verdienste höchsten Ortes in der Heimat
nicht fehlte, am Tage der festlichen Einweihung des neuen Jnstitutsgcbäudes
am Winckelmannsfeste 1877 mit Befriedigung auf die Vergangenheit zurück¬
blicken: in jeder Beziehung war es ein Weg nach oben gewesen! Wenn es in
den letzten Jahren den Anschein gewonnen hat, als habe das römische Institut
seine Aufgaben erfüllt, da die Italiener die Veröffentlichung und Erklärung der
in ihrem Lande gefundenen Monumente und Inschriften immer selbständiger ins
Werk setzen, wenn der größte Teil der früher in Rom erschienenen Justituts-
schriften nach Berlin übertragen worden ist und allerlei andre Fragen auf¬
tauche", so sind das Verhältnisse, die sich einer unabhängigen Beurteilung ent¬
ziehen, so lange sie noch nicht zum endgiltigen Abschlüsse gelangt sind. Herzen
mag wohl darunter bisweilen gelitten haben, aber er fügte sich, wo er es für
notwendig und heilsam hielt, und würde sich auch weiter gefügt haben. Das
Schwerste, die freiwillige Trennung von der Verwaltung des Instituts, die
Herzen für Ostern dieses Jahres bevorstand, ist ihm erspart geblieben. Sein
siebzigster Geburtstag im vorigen Jahre, wo Deutsche und Italiener wetteifernd
den ?roy"g^icir Knurren 1it,t,vrs,ruui armet ckag-L n-Monss zu ehren und zu er¬
freuen suchten, war, wenn man so sagen darf, der ideale Abschluß seines Lebens.
In dem schönen Saale der Bibliothek wurde seine Büste, vom Bildhauer Kopf
in Rom gearbeitet, unter denen der Stifter und Förderer des Instituts aufgestellt.

Noch bis zuletzt für die seit 1872 als Supplement des (Zor^us w8Wptio-
nunr gegründete IMroinei'iiZ "MZ'rÄxlliog, thätig, deren frühere Jahrgänge Herzens
wichtige Beiträge zur Erklärung der in jenen Jahren gefundenen Fragmente
der ?ÄLti omiLulMS, deren spätere eine Reihe kleinerer Abhandlungen über die
Sepulkralinschriften der Dauitss <Z0U8rüarös vou seiner Hand enthalten, weiterhin
mit den Vorbereitungen zu einer größern Jnschriftensammlung beschäftigt, nötigte
ihn acht Tage vor seinem Ende eine Erkältung, das Stehpult zu verlassen, über
welches gebeugt er so unermüdlich zu arbeiten pflegte. Fräulein Rosina Kopf,
die seit dem Tode von Herzens Gattin (geb. Steinhäuser) die Stütze seines
Hauses und die Freude seines Alters war, pflegte ihn mit der Treue und Auf¬
opferung einer Tochter. Aber keine Aufopferung und keine Bitten konnten das
Schicksal bewegen, von seinem dunkeln Entschlüsse abzugehen.

Am 29. Januar nachmittags zu der Stunde, wo Herzen die wöchentliche
Sitzung des Instituts zu leiten pflegte, war der offene Sarg, von Blumcnspenden
und Kerzen umgeben, in dem Vibliothekssaale aufgestellt. Nach einer kurzen
Ansprache des Botschaftsgeistlichen Nönneke trugen die (^Molüri, die
jungen, im Institut anwesenden Gelehrten, den alten Meister zum Trauerwagen
hinab. Auch zur Gruft haben sie ihn zwei Tage darauf getragen; keine fremde
Hand hat den Sarg berührt.

Sonntag den 31. Januar fand die eigentliche Trauerfeierlichkeit auf dem
schönen, von Cypressen beschatteten protestantischen Friedhofe zwischen dem Monte


Wilhelm Lenzen.

er, dem es auch an Anerkennung seiner Verdienste höchsten Ortes in der Heimat
nicht fehlte, am Tage der festlichen Einweihung des neuen Jnstitutsgcbäudes
am Winckelmannsfeste 1877 mit Befriedigung auf die Vergangenheit zurück¬
blicken: in jeder Beziehung war es ein Weg nach oben gewesen! Wenn es in
den letzten Jahren den Anschein gewonnen hat, als habe das römische Institut
seine Aufgaben erfüllt, da die Italiener die Veröffentlichung und Erklärung der
in ihrem Lande gefundenen Monumente und Inschriften immer selbständiger ins
Werk setzen, wenn der größte Teil der früher in Rom erschienenen Justituts-
schriften nach Berlin übertragen worden ist und allerlei andre Fragen auf¬
tauche«, so sind das Verhältnisse, die sich einer unabhängigen Beurteilung ent¬
ziehen, so lange sie noch nicht zum endgiltigen Abschlüsse gelangt sind. Herzen
mag wohl darunter bisweilen gelitten haben, aber er fügte sich, wo er es für
notwendig und heilsam hielt, und würde sich auch weiter gefügt haben. Das
Schwerste, die freiwillige Trennung von der Verwaltung des Instituts, die
Herzen für Ostern dieses Jahres bevorstand, ist ihm erspart geblieben. Sein
siebzigster Geburtstag im vorigen Jahre, wo Deutsche und Italiener wetteifernd
den ?roy»g^icir Knurren 1it,t,vrs,ruui armet ckag-L n-Monss zu ehren und zu er¬
freuen suchten, war, wenn man so sagen darf, der ideale Abschluß seines Lebens.
In dem schönen Saale der Bibliothek wurde seine Büste, vom Bildhauer Kopf
in Rom gearbeitet, unter denen der Stifter und Förderer des Instituts aufgestellt.

Noch bis zuletzt für die seit 1872 als Supplement des (Zor^us w8Wptio-
nunr gegründete IMroinei'iiZ «MZ'rÄxlliog, thätig, deren frühere Jahrgänge Herzens
wichtige Beiträge zur Erklärung der in jenen Jahren gefundenen Fragmente
der ?ÄLti omiLulMS, deren spätere eine Reihe kleinerer Abhandlungen über die
Sepulkralinschriften der Dauitss <Z0U8rüarös vou seiner Hand enthalten, weiterhin
mit den Vorbereitungen zu einer größern Jnschriftensammlung beschäftigt, nötigte
ihn acht Tage vor seinem Ende eine Erkältung, das Stehpult zu verlassen, über
welches gebeugt er so unermüdlich zu arbeiten pflegte. Fräulein Rosina Kopf,
die seit dem Tode von Herzens Gattin (geb. Steinhäuser) die Stütze seines
Hauses und die Freude seines Alters war, pflegte ihn mit der Treue und Auf¬
opferung einer Tochter. Aber keine Aufopferung und keine Bitten konnten das
Schicksal bewegen, von seinem dunkeln Entschlüsse abzugehen.

Am 29. Januar nachmittags zu der Stunde, wo Herzen die wöchentliche
Sitzung des Instituts zu leiten pflegte, war der offene Sarg, von Blumcnspenden
und Kerzen umgeben, in dem Vibliothekssaale aufgestellt. Nach einer kurzen
Ansprache des Botschaftsgeistlichen Nönneke trugen die (^Molüri, die
jungen, im Institut anwesenden Gelehrten, den alten Meister zum Trauerwagen
hinab. Auch zur Gruft haben sie ihn zwei Tage darauf getragen; keine fremde
Hand hat den Sarg berührt.

Sonntag den 31. Januar fand die eigentliche Trauerfeierlichkeit auf dem
schönen, von Cypressen beschatteten protestantischen Friedhofe zwischen dem Monte


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[0431] Wilhelm Lenzen. er, dem es auch an Anerkennung seiner Verdienste höchsten Ortes in der Heimat nicht fehlte, am Tage der festlichen Einweihung des neuen Jnstitutsgcbäudes am Winckelmannsfeste 1877 mit Befriedigung auf die Vergangenheit zurück¬ blicken: in jeder Beziehung war es ein Weg nach oben gewesen! Wenn es in den letzten Jahren den Anschein gewonnen hat, als habe das römische Institut seine Aufgaben erfüllt, da die Italiener die Veröffentlichung und Erklärung der in ihrem Lande gefundenen Monumente und Inschriften immer selbständiger ins Werk setzen, wenn der größte Teil der früher in Rom erschienenen Justituts- schriften nach Berlin übertragen worden ist und allerlei andre Fragen auf¬ tauche«, so sind das Verhältnisse, die sich einer unabhängigen Beurteilung ent¬ ziehen, so lange sie noch nicht zum endgiltigen Abschlüsse gelangt sind. Herzen mag wohl darunter bisweilen gelitten haben, aber er fügte sich, wo er es für notwendig und heilsam hielt, und würde sich auch weiter gefügt haben. Das Schwerste, die freiwillige Trennung von der Verwaltung des Instituts, die Herzen für Ostern dieses Jahres bevorstand, ist ihm erspart geblieben. Sein siebzigster Geburtstag im vorigen Jahre, wo Deutsche und Italiener wetteifernd den ?roy»g^icir Knurren 1it,t,vrs,ruui armet ckag-L n-Monss zu ehren und zu er¬ freuen suchten, war, wenn man so sagen darf, der ideale Abschluß seines Lebens. In dem schönen Saale der Bibliothek wurde seine Büste, vom Bildhauer Kopf in Rom gearbeitet, unter denen der Stifter und Förderer des Instituts aufgestellt. Noch bis zuletzt für die seit 1872 als Supplement des (Zor^us w8Wptio- nunr gegründete IMroinei'iiZ «MZ'rÄxlliog, thätig, deren frühere Jahrgänge Herzens wichtige Beiträge zur Erklärung der in jenen Jahren gefundenen Fragmente der ?ÄLti omiLulMS, deren spätere eine Reihe kleinerer Abhandlungen über die Sepulkralinschriften der Dauitss <Z0U8rüarös vou seiner Hand enthalten, weiterhin mit den Vorbereitungen zu einer größern Jnschriftensammlung beschäftigt, nötigte ihn acht Tage vor seinem Ende eine Erkältung, das Stehpult zu verlassen, über welches gebeugt er so unermüdlich zu arbeiten pflegte. Fräulein Rosina Kopf, die seit dem Tode von Herzens Gattin (geb. Steinhäuser) die Stütze seines Hauses und die Freude seines Alters war, pflegte ihn mit der Treue und Auf¬ opferung einer Tochter. Aber keine Aufopferung und keine Bitten konnten das Schicksal bewegen, von seinem dunkeln Entschlüsse abzugehen. Am 29. Januar nachmittags zu der Stunde, wo Herzen die wöchentliche Sitzung des Instituts zu leiten pflegte, war der offene Sarg, von Blumcnspenden und Kerzen umgeben, in dem Vibliothekssaale aufgestellt. Nach einer kurzen Ansprache des Botschaftsgeistlichen Nönneke trugen die (^Molüri, die jungen, im Institut anwesenden Gelehrten, den alten Meister zum Trauerwagen hinab. Auch zur Gruft haben sie ihn zwei Tage darauf getragen; keine fremde Hand hat den Sarg berührt. Sonntag den 31. Januar fand die eigentliche Trauerfeierlichkeit auf dem schönen, von Cypressen beschatteten protestantischen Friedhofe zwischen dem Monte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/431>, abgerufen am 03.07.2024.