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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Wilhelm Herzen.

schlösse an das Institut ihrer wissenschaftlichen Ausbildung auf römischem Boden
den letzten Abschluß zu geben suchten, wuchs von Jahr zu Jahr. Alle, nicht
nnr die mit den seit 1860 eingerichteten Neiscstipendien versehenen, fanden,
neben Brunn und später Helbig, an Heuzeu einen väterlichen, gastfreien
Freund, der trotz langer Abwesenheit vom Vaterlnnde doch ganz und gar
ein Deutscher blieb, und dazu eiuen vortrefflichen Lehrer. Wie jene die
jungen Gelehrten in die Kunstwelt Roms einführten, so erschloß ihnen Herzen
das Verständnis der römischen Inschriften, in denen er wie wenige zu Hanse
war. Die Bescheidenheit, mit welcher er hierbei seinen Schülern die Ergebnisse
eigner Forschung mitteilte, und die Nachsicht, die er gegen die noch Unerfahrenen
übte, werden allen, die an Herzens epigraphischen Übungen Teil genommen
haben, in wohlthuender Erinnerung bleiben.

Ein Fluit, welcher in Herzen seinen berufenen Interpreten fand, waren
die für Geschichte und Kulturgeschichte der Kaiserzeit gleich wichtigen Urkunden
der Urvater aus dem heiligen Hain der Brüderschaft vor Porta Portese.
Herzen selbst leitete, von königlicher Freigebigkeit unterstützt, in den Jahren
1867 und 1868 in umsichtiger Weise die Ausgrabungen und hatte die Freude,
den bereits bekannten Urkunden mehr als die doppelte Anzahl hinzufügen zu
können. Eine vorläufige Mitteilung und ein 1874 erschienenes stattliches Buch
enthalten die zusammenfassenden Ergebnisse seiner Forschungen über die ^.vo der
I'riZ.trof in'VÄlös. Unterdessen schritten auch die Arbeiten Herzens an dem großen
Werke des lüoi'xus in8"rixtioiruni I^linaruiri stetig vorwärts. Seine Aufgabe
war speziell die Sammlung und Bearbeitung der stadtrömischen Inschriften,
welche den sechsten Band des monumentalen Werkes füllen. Wie er diese Auf¬
gabe, die erst 1882 endgiltig beschlossen wurde, gelöst hat, mag Würdigeren
zu beurteilen vorbehalten bleiben.

Im Mai 1867 starb der eigentliche geistige Begründer des Instituts, Eduard
Gerhard, zu Berlin, von wo aus er die Schicksale seiner Schöpfung jederzeit
mit regsten Interesse verfolgt hatte. Die Dankbarkeit, welche er Herzens "sich
stets gleich bleibender Treue" bis zum letzten Augenblicke zollte, ist eine der
schönsten Anerkennungen seiner Verdienste.

Das Jahr 1870 wurde auch für das Institut von eingreifender Bedeutung.
Am 18. Juli wurde es zu einer preußischen Staatsanstalt erhoben, aber, dem
Laufe der großen Ereignisse gemäß, im Juni 1873 in eine deutsche Ncichs-
anstcilt umgewandelt. Zwecke und Einrichtungen des Instituts wurden dadurch
in keiner Weise verändert, aber nach außen hin deutete die Anstalt durch ein
neues stattliches Gebäude, auf dem tarpejischen Felsen errichtet, an, daß sie unter
dem Schutze eines geeinten und starken Reiches stehe. Die neue Regierung in
Rom gab ihre Absicht, daß sie die Freundschaft mit den deutschen Gelehrten
auf dem Kapitol auch ihrerseits aufrecht erhalten wolle, dadurch Ausdruck, daß
Herzen in die historisch-archäologische Kommission berufen wurde. So durfte


Wilhelm Herzen.

schlösse an das Institut ihrer wissenschaftlichen Ausbildung auf römischem Boden
den letzten Abschluß zu geben suchten, wuchs von Jahr zu Jahr. Alle, nicht
nnr die mit den seit 1860 eingerichteten Neiscstipendien versehenen, fanden,
neben Brunn und später Helbig, an Heuzeu einen väterlichen, gastfreien
Freund, der trotz langer Abwesenheit vom Vaterlnnde doch ganz und gar
ein Deutscher blieb, und dazu eiuen vortrefflichen Lehrer. Wie jene die
jungen Gelehrten in die Kunstwelt Roms einführten, so erschloß ihnen Herzen
das Verständnis der römischen Inschriften, in denen er wie wenige zu Hanse
war. Die Bescheidenheit, mit welcher er hierbei seinen Schülern die Ergebnisse
eigner Forschung mitteilte, und die Nachsicht, die er gegen die noch Unerfahrenen
übte, werden allen, die an Herzens epigraphischen Übungen Teil genommen
haben, in wohlthuender Erinnerung bleiben.

Ein Fluit, welcher in Herzen seinen berufenen Interpreten fand, waren
die für Geschichte und Kulturgeschichte der Kaiserzeit gleich wichtigen Urkunden
der Urvater aus dem heiligen Hain der Brüderschaft vor Porta Portese.
Herzen selbst leitete, von königlicher Freigebigkeit unterstützt, in den Jahren
1867 und 1868 in umsichtiger Weise die Ausgrabungen und hatte die Freude,
den bereits bekannten Urkunden mehr als die doppelte Anzahl hinzufügen zu
können. Eine vorläufige Mitteilung und ein 1874 erschienenes stattliches Buch
enthalten die zusammenfassenden Ergebnisse seiner Forschungen über die ^.vo der
I'riZ.trof in'VÄlös. Unterdessen schritten auch die Arbeiten Herzens an dem großen
Werke des lüoi'xus in8«rixtioiruni I^linaruiri stetig vorwärts. Seine Aufgabe
war speziell die Sammlung und Bearbeitung der stadtrömischen Inschriften,
welche den sechsten Band des monumentalen Werkes füllen. Wie er diese Auf¬
gabe, die erst 1882 endgiltig beschlossen wurde, gelöst hat, mag Würdigeren
zu beurteilen vorbehalten bleiben.

Im Mai 1867 starb der eigentliche geistige Begründer des Instituts, Eduard
Gerhard, zu Berlin, von wo aus er die Schicksale seiner Schöpfung jederzeit
mit regsten Interesse verfolgt hatte. Die Dankbarkeit, welche er Herzens „sich
stets gleich bleibender Treue" bis zum letzten Augenblicke zollte, ist eine der
schönsten Anerkennungen seiner Verdienste.

Das Jahr 1870 wurde auch für das Institut von eingreifender Bedeutung.
Am 18. Juli wurde es zu einer preußischen Staatsanstalt erhoben, aber, dem
Laufe der großen Ereignisse gemäß, im Juni 1873 in eine deutsche Ncichs-
anstcilt umgewandelt. Zwecke und Einrichtungen des Instituts wurden dadurch
in keiner Weise verändert, aber nach außen hin deutete die Anstalt durch ein
neues stattliches Gebäude, auf dem tarpejischen Felsen errichtet, an, daß sie unter
dem Schutze eines geeinten und starken Reiches stehe. Die neue Regierung in
Rom gab ihre Absicht, daß sie die Freundschaft mit den deutschen Gelehrten
auf dem Kapitol auch ihrerseits aufrecht erhalten wolle, dadurch Ausdruck, daß
Herzen in die historisch-archäologische Kommission berufen wurde. So durfte


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[0430] Wilhelm Herzen. schlösse an das Institut ihrer wissenschaftlichen Ausbildung auf römischem Boden den letzten Abschluß zu geben suchten, wuchs von Jahr zu Jahr. Alle, nicht nnr die mit den seit 1860 eingerichteten Neiscstipendien versehenen, fanden, neben Brunn und später Helbig, an Heuzeu einen väterlichen, gastfreien Freund, der trotz langer Abwesenheit vom Vaterlnnde doch ganz und gar ein Deutscher blieb, und dazu eiuen vortrefflichen Lehrer. Wie jene die jungen Gelehrten in die Kunstwelt Roms einführten, so erschloß ihnen Herzen das Verständnis der römischen Inschriften, in denen er wie wenige zu Hanse war. Die Bescheidenheit, mit welcher er hierbei seinen Schülern die Ergebnisse eigner Forschung mitteilte, und die Nachsicht, die er gegen die noch Unerfahrenen übte, werden allen, die an Herzens epigraphischen Übungen Teil genommen haben, in wohlthuender Erinnerung bleiben. Ein Fluit, welcher in Herzen seinen berufenen Interpreten fand, waren die für Geschichte und Kulturgeschichte der Kaiserzeit gleich wichtigen Urkunden der Urvater aus dem heiligen Hain der Brüderschaft vor Porta Portese. Herzen selbst leitete, von königlicher Freigebigkeit unterstützt, in den Jahren 1867 und 1868 in umsichtiger Weise die Ausgrabungen und hatte die Freude, den bereits bekannten Urkunden mehr als die doppelte Anzahl hinzufügen zu können. Eine vorläufige Mitteilung und ein 1874 erschienenes stattliches Buch enthalten die zusammenfassenden Ergebnisse seiner Forschungen über die ^.vo der I'riZ.trof in'VÄlös. Unterdessen schritten auch die Arbeiten Herzens an dem großen Werke des lüoi'xus in8«rixtioiruni I^linaruiri stetig vorwärts. Seine Aufgabe war speziell die Sammlung und Bearbeitung der stadtrömischen Inschriften, welche den sechsten Band des monumentalen Werkes füllen. Wie er diese Auf¬ gabe, die erst 1882 endgiltig beschlossen wurde, gelöst hat, mag Würdigeren zu beurteilen vorbehalten bleiben. Im Mai 1867 starb der eigentliche geistige Begründer des Instituts, Eduard Gerhard, zu Berlin, von wo aus er die Schicksale seiner Schöpfung jederzeit mit regsten Interesse verfolgt hatte. Die Dankbarkeit, welche er Herzens „sich stets gleich bleibender Treue" bis zum letzten Augenblicke zollte, ist eine der schönsten Anerkennungen seiner Verdienste. Das Jahr 1870 wurde auch für das Institut von eingreifender Bedeutung. Am 18. Juli wurde es zu einer preußischen Staatsanstalt erhoben, aber, dem Laufe der großen Ereignisse gemäß, im Juni 1873 in eine deutsche Ncichs- anstcilt umgewandelt. Zwecke und Einrichtungen des Instituts wurden dadurch in keiner Weise verändert, aber nach außen hin deutete die Anstalt durch ein neues stattliches Gebäude, auf dem tarpejischen Felsen errichtet, an, daß sie unter dem Schutze eines geeinten und starken Reiches stehe. Die neue Regierung in Rom gab ihre Absicht, daß sie die Freundschaft mit den deutschen Gelehrten auf dem Kapitol auch ihrerseits aufrecht erhalten wolle, dadurch Ausdruck, daß Herzen in die historisch-archäologische Kommission berufen wurde. So durfte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/430>, abgerufen am 22.07.2024.