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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Wilhelm Lenzen.

zahlreiche Beiträge in den Verhandlungen und Schriften des Instituts der
Epigraphik immer mehr den gebührenden Platz und sich selbst deu Ruf eines
der fleißigsten und tüchtigsten Arbeiter auf diesem Wissensgebiete. Damals, im
Jahre 1848, tauchte zum erstenmale, hauptsächlich auf Anregung Savignys, in
der Berliner Akademie der Plan eines umfassenden Sammelwerkes der lateinischen
Inschriften anf. Die Männer, welche für diese Arbeit berufen schienen, waren
ja bereits da, und wenn das Projekt auch erst nach längern Jahren feste
Gestalt gewann, so waren jene Männer inzwischen nicht müßig, zu sammeln und
vorzubereiten.

Die Verwaltung des Instituts ruhte schon seit langem zum größten Teile
und, als Braun 1849 für längere Zeit nach England ging, ganz allein anf
Herzens Schultern. Das war nichts leichtes: wer die Geschichte des Jnst-
tuts jeuer Zeit liest, wird sich des unerfreulichsten Eindruckes nicht erwehren
können. Wohl war es mutvoll, wenn Herzen im Jahre 1849 bei der Be¬
schießung Roms durch die Franzosen unerschrocken auf dem Kapitol aushielt
und fortarbeitete, aber daß er gegenüber den verdrießlichen, unablässig drängenden
Sorgen um Beschaffung der nötigen Unterhaltsmittel, Weiterführung der Jn-
stitutsschriften und allerlei andern Schwierigkeiten nicht mißmutig die Arme
sinken ließ und mit persönlichen Opfern für das Bestehen und Wohl des In¬
stituts eintrat, das ist eine größere That. Hierzu kommt, daß Herzen diesen
Widerwärtigkeiten keinen starken Körper entgegenzusetzen hatte; dennoch wird ihn
niemand in frühern Jahren schwächlich und in den spätern hinfällig gefunden
haben: das Gefühl der Pflicht, seine Arbeit, seine Ziele hielten ihn immer auf¬
recht. Still, wie es einem guten Leiter geziemt, ging unter seinen Händen das
Werk seinen Gang bis zuletzt.

Im Jahre 18ö6 starb Emil Braun. Er ließ das Institut in Trümmern
zurück, gar mancher Stein war von dem alten Bau gelöst und das Fortbe¬
stehen in Frage gestellt. Was noch zu retten war, stützte Herzen, und mutig
begann er mit dem selbstgewählten Genossen Heinrich Brunn den Wiederaufbau,
dem auch von nun an immer freundlichere Geschicke zu Teil wurden. Zu der
durchgreifenden Reorganisation des Instituts, welche Herzen und Brunn ins
Werk setzten, kam 1858 eine hochwillkommene Erhöhung des Zuschusses, welchen
die preußische Regierung der Anstalt gewährte. Enger schloß sich auch von
neuem das in den letzten Jahren etwas gelockerte Band zwischen deutschen und
italienischen Gelehrten und wurde besonders durch die rege Teilnahme des aus¬
gezeichneten italienischen Gelehrten Giovan Battista de Rossi an dem wissen¬
schaftlichen Leben des Instituts und durch dessen persönliche innige Freund¬
schaft mit Herzen befestigt. Die Zahl der Korrespondenten durch ganz
Italien hin vermehrte sich; selbst mit griechischen Gelehrten wurden frucht¬
bringende Beziehungen angeknüpft. Die Publikationen erschienen stattlicher und
reichhaltiger als je. Auch der Zufluß junger deutscher Gelehrten, die im An-


Wilhelm Lenzen.

zahlreiche Beiträge in den Verhandlungen und Schriften des Instituts der
Epigraphik immer mehr den gebührenden Platz und sich selbst deu Ruf eines
der fleißigsten und tüchtigsten Arbeiter auf diesem Wissensgebiete. Damals, im
Jahre 1848, tauchte zum erstenmale, hauptsächlich auf Anregung Savignys, in
der Berliner Akademie der Plan eines umfassenden Sammelwerkes der lateinischen
Inschriften anf. Die Männer, welche für diese Arbeit berufen schienen, waren
ja bereits da, und wenn das Projekt auch erst nach längern Jahren feste
Gestalt gewann, so waren jene Männer inzwischen nicht müßig, zu sammeln und
vorzubereiten.

Die Verwaltung des Instituts ruhte schon seit langem zum größten Teile
und, als Braun 1849 für längere Zeit nach England ging, ganz allein anf
Herzens Schultern. Das war nichts leichtes: wer die Geschichte des Jnst-
tuts jeuer Zeit liest, wird sich des unerfreulichsten Eindruckes nicht erwehren
können. Wohl war es mutvoll, wenn Herzen im Jahre 1849 bei der Be¬
schießung Roms durch die Franzosen unerschrocken auf dem Kapitol aushielt
und fortarbeitete, aber daß er gegenüber den verdrießlichen, unablässig drängenden
Sorgen um Beschaffung der nötigen Unterhaltsmittel, Weiterführung der Jn-
stitutsschriften und allerlei andern Schwierigkeiten nicht mißmutig die Arme
sinken ließ und mit persönlichen Opfern für das Bestehen und Wohl des In¬
stituts eintrat, das ist eine größere That. Hierzu kommt, daß Herzen diesen
Widerwärtigkeiten keinen starken Körper entgegenzusetzen hatte; dennoch wird ihn
niemand in frühern Jahren schwächlich und in den spätern hinfällig gefunden
haben: das Gefühl der Pflicht, seine Arbeit, seine Ziele hielten ihn immer auf¬
recht. Still, wie es einem guten Leiter geziemt, ging unter seinen Händen das
Werk seinen Gang bis zuletzt.

Im Jahre 18ö6 starb Emil Braun. Er ließ das Institut in Trümmern
zurück, gar mancher Stein war von dem alten Bau gelöst und das Fortbe¬
stehen in Frage gestellt. Was noch zu retten war, stützte Herzen, und mutig
begann er mit dem selbstgewählten Genossen Heinrich Brunn den Wiederaufbau,
dem auch von nun an immer freundlichere Geschicke zu Teil wurden. Zu der
durchgreifenden Reorganisation des Instituts, welche Herzen und Brunn ins
Werk setzten, kam 1858 eine hochwillkommene Erhöhung des Zuschusses, welchen
die preußische Regierung der Anstalt gewährte. Enger schloß sich auch von
neuem das in den letzten Jahren etwas gelockerte Band zwischen deutschen und
italienischen Gelehrten und wurde besonders durch die rege Teilnahme des aus¬
gezeichneten italienischen Gelehrten Giovan Battista de Rossi an dem wissen¬
schaftlichen Leben des Instituts und durch dessen persönliche innige Freund¬
schaft mit Herzen befestigt. Die Zahl der Korrespondenten durch ganz
Italien hin vermehrte sich; selbst mit griechischen Gelehrten wurden frucht¬
bringende Beziehungen angeknüpft. Die Publikationen erschienen stattlicher und
reichhaltiger als je. Auch der Zufluß junger deutscher Gelehrten, die im An-


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[0429] Wilhelm Lenzen. zahlreiche Beiträge in den Verhandlungen und Schriften des Instituts der Epigraphik immer mehr den gebührenden Platz und sich selbst deu Ruf eines der fleißigsten und tüchtigsten Arbeiter auf diesem Wissensgebiete. Damals, im Jahre 1848, tauchte zum erstenmale, hauptsächlich auf Anregung Savignys, in der Berliner Akademie der Plan eines umfassenden Sammelwerkes der lateinischen Inschriften anf. Die Männer, welche für diese Arbeit berufen schienen, waren ja bereits da, und wenn das Projekt auch erst nach längern Jahren feste Gestalt gewann, so waren jene Männer inzwischen nicht müßig, zu sammeln und vorzubereiten. Die Verwaltung des Instituts ruhte schon seit langem zum größten Teile und, als Braun 1849 für längere Zeit nach England ging, ganz allein anf Herzens Schultern. Das war nichts leichtes: wer die Geschichte des Jnst- tuts jeuer Zeit liest, wird sich des unerfreulichsten Eindruckes nicht erwehren können. Wohl war es mutvoll, wenn Herzen im Jahre 1849 bei der Be¬ schießung Roms durch die Franzosen unerschrocken auf dem Kapitol aushielt und fortarbeitete, aber daß er gegenüber den verdrießlichen, unablässig drängenden Sorgen um Beschaffung der nötigen Unterhaltsmittel, Weiterführung der Jn- stitutsschriften und allerlei andern Schwierigkeiten nicht mißmutig die Arme sinken ließ und mit persönlichen Opfern für das Bestehen und Wohl des In¬ stituts eintrat, das ist eine größere That. Hierzu kommt, daß Herzen diesen Widerwärtigkeiten keinen starken Körper entgegenzusetzen hatte; dennoch wird ihn niemand in frühern Jahren schwächlich und in den spätern hinfällig gefunden haben: das Gefühl der Pflicht, seine Arbeit, seine Ziele hielten ihn immer auf¬ recht. Still, wie es einem guten Leiter geziemt, ging unter seinen Händen das Werk seinen Gang bis zuletzt. Im Jahre 18ö6 starb Emil Braun. Er ließ das Institut in Trümmern zurück, gar mancher Stein war von dem alten Bau gelöst und das Fortbe¬ stehen in Frage gestellt. Was noch zu retten war, stützte Herzen, und mutig begann er mit dem selbstgewählten Genossen Heinrich Brunn den Wiederaufbau, dem auch von nun an immer freundlichere Geschicke zu Teil wurden. Zu der durchgreifenden Reorganisation des Instituts, welche Herzen und Brunn ins Werk setzten, kam 1858 eine hochwillkommene Erhöhung des Zuschusses, welchen die preußische Regierung der Anstalt gewährte. Enger schloß sich auch von neuem das in den letzten Jahren etwas gelockerte Band zwischen deutschen und italienischen Gelehrten und wurde besonders durch die rege Teilnahme des aus¬ gezeichneten italienischen Gelehrten Giovan Battista de Rossi an dem wissen¬ schaftlichen Leben des Instituts und durch dessen persönliche innige Freund¬ schaft mit Herzen befestigt. Die Zahl der Korrespondenten durch ganz Italien hin vermehrte sich; selbst mit griechischen Gelehrten wurden frucht¬ bringende Beziehungen angeknüpft. Die Publikationen erschienen stattlicher und reichhaltiger als je. Auch der Zufluß junger deutscher Gelehrten, die im An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/429>, abgerufen am 03.07.2024.