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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

Verlangt, daß mau in ihnen nur tschechisch predige. Sigismund bewilligte, undank¬
bar für die Treue, die ihm die Dentschböhmen bewiesen hatten, diese Forderungen,
und nur mit Kuttenberg wurde, da sich der verfallene Bergbau "dieses Kleinods
des Landes" nur mit Hilfe der verjagten Deutschen wieder heben ließ, eine
Ausnahme gemacht. Denen, die zurückkehrten, räumte man 1437 die Barbara¬
kirche zu katholischem Gottesdienste ein, und in Betreff der Hänser wurde ein
Vertrag geschloffen, nach welchem die Deutschen den Wert derselben bestimmten
und die neuen tschechischen Besitzer die Wahl hatten, entweder gegen Zahlung
der Hälfte dieses Preises sie zu behalten oder sie den Deutschen gegen eine
gleiche Zahlung abzutreten. Der letztere Fall kam selten vor, da die Deutschen
größtenteils verarmt waren.

Es our jetzt soweit gekommen, daß die Deutschböhmen in den von ihnen
gegründeten Städten nur noch aus Gurte geduldet wurden und keinerlei Einfluß
im Rate oder in Beamtenstellen derselben mehr ausüben konnten. Die nach¬
maligen Regierungen mußten die Zugeständnisse Sigismnnds bestätigen, da die
Stände hiervon gewöhnlich die Anerkennung des Königs abhängig machten.
So untersagte Albrecht, der österreichische Herzog, bei seiner Wahl zum böhmischen
Herrscher allen Ausländern den Besitz von Ämtern und Schlössern in seinem
Gebiete, und so unterschrieb König Ladislcins 1453 eine Anzahl von Artikeln,
welche die Deutschen von allen Beamtenstellen fernhielten. Georg von Podie-
brad, der selbst nur gebrochen deutsch sprach, that nichts gegen die Herrschaft der
Tschechen, und WladiSlaw ließ sich durch die Stände zu einer "Landesordnung"
.nötigen, welche der trotz alledem wieder beginnenden Ausbreitung des deutsch-
böhmischen Elements einen mächtigen Damm vorbaute. Nach ihr durfte kein
Deutscher ein Amt erhalten und nur ein Tscheche Prior, Abt oder Propst
werden. Die Gerichte hatten tschechisch zu verhandeln, die Lehnbriefe und alle
Eingaben der Landcstafel waren in derselben Sprache abzufassen. Niemand
durfte ein Gut an einen Ausländer verkaufen oder verpfänden, wenn er nicht
seine Ehre verlieren und des Landes verwiesen sein wollte. Als sich der Sturm
gegen die deutschen Städte erhoben hatte, mochte man deren Vorrechte als gemein-
schädliche bezeichnet haben. Als sie aber in den Besitz der Tschechen über¬
gegangen waren, beeilten sich diese, sich diese Privilegien bestätigen und sich
neue verleihen zu lassen. Ladislcins war freigebig damit. Handel und Verkehr
aber stockten fortan trotz der Jahrmarkts- und Stapelrechte, welche der König
ihnen erteilte, und die Plätze und Laubengänge der tschechisirten Städte blieben
wenig besucht von Verkäufer" und Kunden; denn mit den verjagten Kaufherren
der guten alten Zeit war anch ihr rühriger Geschäfts- und Unternehmungsgeist
entwichen. Als Georg von Podiebrad den an seinem Hofe befindlichen Ge¬
lehrten Marini fragte, wie sich der Handel in Böhmen wieder zur Blüte bringen
ließe, und zu verstehen gab, er denke dabei vorzüglich an den der Tschechen,
erhielt er zur Antwort: "König, gebt den Tschechen soviel Geld, als sie brauchen,


Deutsch-böhmische Briefe.

Verlangt, daß mau in ihnen nur tschechisch predige. Sigismund bewilligte, undank¬
bar für die Treue, die ihm die Dentschböhmen bewiesen hatten, diese Forderungen,
und nur mit Kuttenberg wurde, da sich der verfallene Bergbau „dieses Kleinods
des Landes" nur mit Hilfe der verjagten Deutschen wieder heben ließ, eine
Ausnahme gemacht. Denen, die zurückkehrten, räumte man 1437 die Barbara¬
kirche zu katholischem Gottesdienste ein, und in Betreff der Hänser wurde ein
Vertrag geschloffen, nach welchem die Deutschen den Wert derselben bestimmten
und die neuen tschechischen Besitzer die Wahl hatten, entweder gegen Zahlung
der Hälfte dieses Preises sie zu behalten oder sie den Deutschen gegen eine
gleiche Zahlung abzutreten. Der letztere Fall kam selten vor, da die Deutschen
größtenteils verarmt waren.

Es our jetzt soweit gekommen, daß die Deutschböhmen in den von ihnen
gegründeten Städten nur noch aus Gurte geduldet wurden und keinerlei Einfluß
im Rate oder in Beamtenstellen derselben mehr ausüben konnten. Die nach¬
maligen Regierungen mußten die Zugeständnisse Sigismnnds bestätigen, da die
Stände hiervon gewöhnlich die Anerkennung des Königs abhängig machten.
So untersagte Albrecht, der österreichische Herzog, bei seiner Wahl zum böhmischen
Herrscher allen Ausländern den Besitz von Ämtern und Schlössern in seinem
Gebiete, und so unterschrieb König Ladislcins 1453 eine Anzahl von Artikeln,
welche die Deutschen von allen Beamtenstellen fernhielten. Georg von Podie-
brad, der selbst nur gebrochen deutsch sprach, that nichts gegen die Herrschaft der
Tschechen, und WladiSlaw ließ sich durch die Stände zu einer „Landesordnung"
.nötigen, welche der trotz alledem wieder beginnenden Ausbreitung des deutsch-
böhmischen Elements einen mächtigen Damm vorbaute. Nach ihr durfte kein
Deutscher ein Amt erhalten und nur ein Tscheche Prior, Abt oder Propst
werden. Die Gerichte hatten tschechisch zu verhandeln, die Lehnbriefe und alle
Eingaben der Landcstafel waren in derselben Sprache abzufassen. Niemand
durfte ein Gut an einen Ausländer verkaufen oder verpfänden, wenn er nicht
seine Ehre verlieren und des Landes verwiesen sein wollte. Als sich der Sturm
gegen die deutschen Städte erhoben hatte, mochte man deren Vorrechte als gemein-
schädliche bezeichnet haben. Als sie aber in den Besitz der Tschechen über¬
gegangen waren, beeilten sich diese, sich diese Privilegien bestätigen und sich
neue verleihen zu lassen. Ladislcins war freigebig damit. Handel und Verkehr
aber stockten fortan trotz der Jahrmarkts- und Stapelrechte, welche der König
ihnen erteilte, und die Plätze und Laubengänge der tschechisirten Städte blieben
wenig besucht von Verkäufer» und Kunden; denn mit den verjagten Kaufherren
der guten alten Zeit war anch ihr rühriger Geschäfts- und Unternehmungsgeist
entwichen. Als Georg von Podiebrad den an seinem Hofe befindlichen Ge¬
lehrten Marini fragte, wie sich der Handel in Böhmen wieder zur Blüte bringen
ließe, und zu verstehen gab, er denke dabei vorzüglich an den der Tschechen,
erhielt er zur Antwort: „König, gebt den Tschechen soviel Geld, als sie brauchen,


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[0411] Deutsch-böhmische Briefe. Verlangt, daß mau in ihnen nur tschechisch predige. Sigismund bewilligte, undank¬ bar für die Treue, die ihm die Dentschböhmen bewiesen hatten, diese Forderungen, und nur mit Kuttenberg wurde, da sich der verfallene Bergbau „dieses Kleinods des Landes" nur mit Hilfe der verjagten Deutschen wieder heben ließ, eine Ausnahme gemacht. Denen, die zurückkehrten, räumte man 1437 die Barbara¬ kirche zu katholischem Gottesdienste ein, und in Betreff der Hänser wurde ein Vertrag geschloffen, nach welchem die Deutschen den Wert derselben bestimmten und die neuen tschechischen Besitzer die Wahl hatten, entweder gegen Zahlung der Hälfte dieses Preises sie zu behalten oder sie den Deutschen gegen eine gleiche Zahlung abzutreten. Der letztere Fall kam selten vor, da die Deutschen größtenteils verarmt waren. Es our jetzt soweit gekommen, daß die Deutschböhmen in den von ihnen gegründeten Städten nur noch aus Gurte geduldet wurden und keinerlei Einfluß im Rate oder in Beamtenstellen derselben mehr ausüben konnten. Die nach¬ maligen Regierungen mußten die Zugeständnisse Sigismnnds bestätigen, da die Stände hiervon gewöhnlich die Anerkennung des Königs abhängig machten. So untersagte Albrecht, der österreichische Herzog, bei seiner Wahl zum böhmischen Herrscher allen Ausländern den Besitz von Ämtern und Schlössern in seinem Gebiete, und so unterschrieb König Ladislcins 1453 eine Anzahl von Artikeln, welche die Deutschen von allen Beamtenstellen fernhielten. Georg von Podie- brad, der selbst nur gebrochen deutsch sprach, that nichts gegen die Herrschaft der Tschechen, und WladiSlaw ließ sich durch die Stände zu einer „Landesordnung" .nötigen, welche der trotz alledem wieder beginnenden Ausbreitung des deutsch- böhmischen Elements einen mächtigen Damm vorbaute. Nach ihr durfte kein Deutscher ein Amt erhalten und nur ein Tscheche Prior, Abt oder Propst werden. Die Gerichte hatten tschechisch zu verhandeln, die Lehnbriefe und alle Eingaben der Landcstafel waren in derselben Sprache abzufassen. Niemand durfte ein Gut an einen Ausländer verkaufen oder verpfänden, wenn er nicht seine Ehre verlieren und des Landes verwiesen sein wollte. Als sich der Sturm gegen die deutschen Städte erhoben hatte, mochte man deren Vorrechte als gemein- schädliche bezeichnet haben. Als sie aber in den Besitz der Tschechen über¬ gegangen waren, beeilten sich diese, sich diese Privilegien bestätigen und sich neue verleihen zu lassen. Ladislcins war freigebig damit. Handel und Verkehr aber stockten fortan trotz der Jahrmarkts- und Stapelrechte, welche der König ihnen erteilte, und die Plätze und Laubengänge der tschechisirten Städte blieben wenig besucht von Verkäufer» und Kunden; denn mit den verjagten Kaufherren der guten alten Zeit war anch ihr rühriger Geschäfts- und Unternehmungsgeist entwichen. Als Georg von Podiebrad den an seinem Hofe befindlichen Ge¬ lehrten Marini fragte, wie sich der Handel in Böhmen wieder zur Blüte bringen ließe, und zu verstehen gab, er denke dabei vorzüglich an den der Tschechen, erhielt er zur Antwort: „König, gebt den Tschechen soviel Geld, als sie brauchen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/411>, abgerufen am 22.07.2024.