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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Lin deutscher Maler in Rom.

nicht glauben, daß wir die Kunst auf eine erhabenere und gottgefälligere Weise
betreiben, wenn wir Lebensfülle und Lebenskraft aus ihr verbannen, wenn wir
es vorziehen, sie zur Dienerin pfäffischer Spekulationen zu machen, anstatt durch
sie eben auf eine gesunde, unverdorbene, unverschrobene Anschauung der Schöpfung
hinzuführen. Gegen keine Art des Irrtums in der Kunst würde ich mich so
heftig erklären, als gerade gegen diesen; denn dieser scheint mir so besonders
wichtig in seinem Zusammenhange mit dem Leben und in seinen Folgen."

Frisch und farbig schimmert auch das äußere Leben der deutschen Künstler
in Italien, die römische Welt in den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts,
die seitdem bis auf geringe Reste verschwunden ist, aus Schmorrs Briefen hervor.
Er schildert mit heiterem Behagen einzelne kleine Erlebnisse und Feste, die in
ihrer Fremdartigkeit und Einfachheit genau so gut wie aus einer andern Welt
kommen, als die Gesinnungen, Lebensvorsätze und Hoffnungen, von denen die
"Briefe aus Italien" meist erfüllt sind. Ganz kurz vor seinem endlichen Weg¬
gange aus Rom und nach Vollendung der Fresken für die Villa Mcissimi ver¬
anstaltete Schmorr selbst ein Fest dieser echt römischen Art; am 12. Mai 1827
berichtete er darüber an seinen Vater: "Nach dem, was ich dir in meinem letzten
Briefe sagte, konntest du wohl keinen Brief mehr von mir aus Rom erwarten;
dennoch erhältst dn nun noch einige Zeilen, die ich hauptsächlich schreibe, um
dir zu sagen, wie sehr ich gestern mit meinen besten römischen Freunden deiner
gedachte, und wie wir deinen Geburtstag feierten. Da ich gerade an deinem
Geburtstage mit meiner großen Arbeit gänzlich fertig werden konnte, so richtete
ich mich so ein, daß dies wirklich geschah, und lud meine besten Freunde ein,
mit mir diesen doppelten Freudentag feierlich zu begehen. Ich habe meinen
Gästen versprechen müssen, sie dir alle zu nennen und dich von ihnen herzlich
zu grüßen. Zuerst nenne ich dir Bunsen, seine Frau und vier seiner Kinder
und Herrn Simon, den Lehrer der letztern, dann kommt Legationsrat Kästner
sSohn der Werther-Lotte, damals hannöverscher Ministerresident in Rom^, dann
Platner, dann Rothe, unser Pfarrer und seine Frau, dann Wilhelm Stier,
Architekt, Doktor Röpell, Frau Eggers mit drei ihrer Kinder (ihr Mann war
unwohl und konnte nicht kommen), endlich Fräulein Auguste Klein. Wir ver¬
sammelten uns in der Villa Massimi, und indem sich meine Gäste meine Malereien
betrachteten, las ich ihnen einen Aufsatz vor, den ich zur Erklärung und Recht¬
fertigung derselben geschrieben habe. Nachdem man sich hier satt gesehen hatte,
zogen wir in einen benachbarten, an einem der schönsten Plätze Roms gelegenen
Garten. Das Gärtnerhaus ist sehr geräumig und an antike Wasserleitungen,
die ein sehr malerisches Aussehen haben, angelehnt; ein Teil des Gebäudes
steigt bedeutend über das alte Gemäuer empor und schließt sich mit einem
flachen Dache oder Loggia, von der aus man nach allen Seiten hin die schönste
Aussicht hat. Doch schon vom hochgelegnen Hofraume aus, der rings umher
mit Weinlciuben eingefaßt ist, übersieht man die ganze Umgegend, und dieser


Lin deutscher Maler in Rom.

nicht glauben, daß wir die Kunst auf eine erhabenere und gottgefälligere Weise
betreiben, wenn wir Lebensfülle und Lebenskraft aus ihr verbannen, wenn wir
es vorziehen, sie zur Dienerin pfäffischer Spekulationen zu machen, anstatt durch
sie eben auf eine gesunde, unverdorbene, unverschrobene Anschauung der Schöpfung
hinzuführen. Gegen keine Art des Irrtums in der Kunst würde ich mich so
heftig erklären, als gerade gegen diesen; denn dieser scheint mir so besonders
wichtig in seinem Zusammenhange mit dem Leben und in seinen Folgen."

Frisch und farbig schimmert auch das äußere Leben der deutschen Künstler
in Italien, die römische Welt in den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts,
die seitdem bis auf geringe Reste verschwunden ist, aus Schmorrs Briefen hervor.
Er schildert mit heiterem Behagen einzelne kleine Erlebnisse und Feste, die in
ihrer Fremdartigkeit und Einfachheit genau so gut wie aus einer andern Welt
kommen, als die Gesinnungen, Lebensvorsätze und Hoffnungen, von denen die
„Briefe aus Italien" meist erfüllt sind. Ganz kurz vor seinem endlichen Weg¬
gange aus Rom und nach Vollendung der Fresken für die Villa Mcissimi ver¬
anstaltete Schmorr selbst ein Fest dieser echt römischen Art; am 12. Mai 1827
berichtete er darüber an seinen Vater: „Nach dem, was ich dir in meinem letzten
Briefe sagte, konntest du wohl keinen Brief mehr von mir aus Rom erwarten;
dennoch erhältst dn nun noch einige Zeilen, die ich hauptsächlich schreibe, um
dir zu sagen, wie sehr ich gestern mit meinen besten römischen Freunden deiner
gedachte, und wie wir deinen Geburtstag feierten. Da ich gerade an deinem
Geburtstage mit meiner großen Arbeit gänzlich fertig werden konnte, so richtete
ich mich so ein, daß dies wirklich geschah, und lud meine besten Freunde ein,
mit mir diesen doppelten Freudentag feierlich zu begehen. Ich habe meinen
Gästen versprechen müssen, sie dir alle zu nennen und dich von ihnen herzlich
zu grüßen. Zuerst nenne ich dir Bunsen, seine Frau und vier seiner Kinder
und Herrn Simon, den Lehrer der letztern, dann kommt Legationsrat Kästner
sSohn der Werther-Lotte, damals hannöverscher Ministerresident in Rom^, dann
Platner, dann Rothe, unser Pfarrer und seine Frau, dann Wilhelm Stier,
Architekt, Doktor Röpell, Frau Eggers mit drei ihrer Kinder (ihr Mann war
unwohl und konnte nicht kommen), endlich Fräulein Auguste Klein. Wir ver¬
sammelten uns in der Villa Massimi, und indem sich meine Gäste meine Malereien
betrachteten, las ich ihnen einen Aufsatz vor, den ich zur Erklärung und Recht¬
fertigung derselben geschrieben habe. Nachdem man sich hier satt gesehen hatte,
zogen wir in einen benachbarten, an einem der schönsten Plätze Roms gelegenen
Garten. Das Gärtnerhaus ist sehr geräumig und an antike Wasserleitungen,
die ein sehr malerisches Aussehen haben, angelehnt; ein Teil des Gebäudes
steigt bedeutend über das alte Gemäuer empor und schließt sich mit einem
flachen Dache oder Loggia, von der aus man nach allen Seiten hin die schönste
Aussicht hat. Doch schon vom hochgelegnen Hofraume aus, der rings umher
mit Weinlciuben eingefaßt ist, übersieht man die ganze Umgegend, und dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/387>, abgerufen am 22.07.2024.