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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Lin deutscher Maler in Rom.

beirrte Teilnahme an Schmorrs Entwürfen und Ausführungen das Vertrauen
verdient haben, welches ihm der Maler offenbar widmete.

In Quandts und seiner Gattin Gesellschaft unternahm Schmorr im Früh¬
jahre 1820 eine Reise nach Neapel, die ihn mit beglückenden Eindrücken be¬
reicherte, von der zurückgekehrt er aber doch am 26. Mai seinem Vater schrieb:
"Rom ist nun schon wie unsre Heimat. Je öfter man sich auf längere Zeit
entfernt, desto größere Freude hat man wieder bei der Rückkehr. Man fühlt
immer wieder von neuem, zu einem längern Aufenthalte für einen Künstler oder
Kunstfreund, zu einem ernsten, gesammelten Leben ist doch keine Stadt geeig¬
neter als eben Rom. Rom verhält sich zu Neapel wie etwa alter Rheinwein
zu flüchtigem Champagner. Ich bin überzeugt, dies Gleichnis ließe sich ge¬
brauchen, sowie im ganzen, so auch in einzelnen Merkmalen frappante Ähnlich¬
keiten aufzufinden. Ich will nur eine einzige anführen, nämlich die, daß Frauen
ohngefähr - dieselbe Vorliebe für Neapel haben wie unter den beiden Weinen für
den Champagner; daß hingegen Männer, so wie sie gewöhnlich den Rheinwein
über alles setzen, auch Rom unter den Städten bei weitem den Vorzug geben."

Auch in seinem bleibenden römischen Kreise war Schmorr nicht ans den
Umgang mit seinen Künstlerfreunden eingeschränkt. In nähere Beziehungen
trat er zu Niebuhr und Bunsen, welche nacheinander der preußischen Gesandt¬
schaft beim heiligen Stuhl vorstanden, zu dem Gesandtschaftsprediger Schmieder,
der die kleine deutsche protestantische Gemeinde in Rom trefflich zusammenzu¬
halten und zu beleben wußte, zu Schmieders Nachfolger Rothe, zu dem Frank¬
furter Passavant, zu Platner, der damals an seiner Beschreibung von Rom
arbeitete, dem Musiker Neukomm und manchen andern, durch welche er sich
eine größere Weite des Blickes erhielt, als so viele seiner Genossen, und die
von Jugend auf gehegte Teilnahme an religiösen, geschichtlichen und poetischen
Fragen vertiefte. Dabei ward seine Überzeugung, daß die Zeit und die Zukunft
einer gefunden Kunst bedürfe, immer kräftiger und Heller. Wird in einzelnen
historisch-kritischen Darstellungen fortgesetzt behauptet, die neuere deutsche Kunst sei
mit einer krankhaften Romantik unlösbar verquickt gewesen, so gehören Schmorrs
Briefe aus Rom zu den besten Widerlegungen dieser allgemeinen Behauptung.
Wie energisch sich der Maler der spätern Ariostfresken und der Nibelungcn-
bilder, der Zeichner der Bilderbibel (deren Anfänge schon in Rom entstanden)
von dieser Romantik abwendet, bezeugt sein Brief vom 26. März 1823: "Die
Kunst ist eine Hofdame worden mit den Negenbogenfarben im Gesicht und aus¬
gezehrter Brust. Sie, die uns die Menschheit in ihrer Fülle und Kraft, im
vollen Treiben und Leben zeigen soll, sie zieht es vor, einer verrückten Gräfin
an den blauen Lippen zu sangen. Unser Herr und seine heiligen Apostel waren
nicht so engbrüstig, wie ihr sie sehet, sie hatten keine Negenbogenvisionen, sondern
sie sahen den Himmel offen, sie heilten und belehrten, trieben aber keine Spielereien
mit blutigen Kreuzen und andern Fastnachtsstreichen. So dürfen wir auch


Lin deutscher Maler in Rom.

beirrte Teilnahme an Schmorrs Entwürfen und Ausführungen das Vertrauen
verdient haben, welches ihm der Maler offenbar widmete.

In Quandts und seiner Gattin Gesellschaft unternahm Schmorr im Früh¬
jahre 1820 eine Reise nach Neapel, die ihn mit beglückenden Eindrücken be¬
reicherte, von der zurückgekehrt er aber doch am 26. Mai seinem Vater schrieb:
„Rom ist nun schon wie unsre Heimat. Je öfter man sich auf längere Zeit
entfernt, desto größere Freude hat man wieder bei der Rückkehr. Man fühlt
immer wieder von neuem, zu einem längern Aufenthalte für einen Künstler oder
Kunstfreund, zu einem ernsten, gesammelten Leben ist doch keine Stadt geeig¬
neter als eben Rom. Rom verhält sich zu Neapel wie etwa alter Rheinwein
zu flüchtigem Champagner. Ich bin überzeugt, dies Gleichnis ließe sich ge¬
brauchen, sowie im ganzen, so auch in einzelnen Merkmalen frappante Ähnlich¬
keiten aufzufinden. Ich will nur eine einzige anführen, nämlich die, daß Frauen
ohngefähr - dieselbe Vorliebe für Neapel haben wie unter den beiden Weinen für
den Champagner; daß hingegen Männer, so wie sie gewöhnlich den Rheinwein
über alles setzen, auch Rom unter den Städten bei weitem den Vorzug geben."

Auch in seinem bleibenden römischen Kreise war Schmorr nicht ans den
Umgang mit seinen Künstlerfreunden eingeschränkt. In nähere Beziehungen
trat er zu Niebuhr und Bunsen, welche nacheinander der preußischen Gesandt¬
schaft beim heiligen Stuhl vorstanden, zu dem Gesandtschaftsprediger Schmieder,
der die kleine deutsche protestantische Gemeinde in Rom trefflich zusammenzu¬
halten und zu beleben wußte, zu Schmieders Nachfolger Rothe, zu dem Frank¬
furter Passavant, zu Platner, der damals an seiner Beschreibung von Rom
arbeitete, dem Musiker Neukomm und manchen andern, durch welche er sich
eine größere Weite des Blickes erhielt, als so viele seiner Genossen, und die
von Jugend auf gehegte Teilnahme an religiösen, geschichtlichen und poetischen
Fragen vertiefte. Dabei ward seine Überzeugung, daß die Zeit und die Zukunft
einer gefunden Kunst bedürfe, immer kräftiger und Heller. Wird in einzelnen
historisch-kritischen Darstellungen fortgesetzt behauptet, die neuere deutsche Kunst sei
mit einer krankhaften Romantik unlösbar verquickt gewesen, so gehören Schmorrs
Briefe aus Rom zu den besten Widerlegungen dieser allgemeinen Behauptung.
Wie energisch sich der Maler der spätern Ariostfresken und der Nibelungcn-
bilder, der Zeichner der Bilderbibel (deren Anfänge schon in Rom entstanden)
von dieser Romantik abwendet, bezeugt sein Brief vom 26. März 1823: „Die
Kunst ist eine Hofdame worden mit den Negenbogenfarben im Gesicht und aus¬
gezehrter Brust. Sie, die uns die Menschheit in ihrer Fülle und Kraft, im
vollen Treiben und Leben zeigen soll, sie zieht es vor, einer verrückten Gräfin
an den blauen Lippen zu sangen. Unser Herr und seine heiligen Apostel waren
nicht so engbrüstig, wie ihr sie sehet, sie hatten keine Negenbogenvisionen, sondern
sie sahen den Himmel offen, sie heilten und belehrten, trieben aber keine Spielereien
mit blutigen Kreuzen und andern Fastnachtsstreichen. So dürfen wir auch


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[0386] Lin deutscher Maler in Rom. beirrte Teilnahme an Schmorrs Entwürfen und Ausführungen das Vertrauen verdient haben, welches ihm der Maler offenbar widmete. In Quandts und seiner Gattin Gesellschaft unternahm Schmorr im Früh¬ jahre 1820 eine Reise nach Neapel, die ihn mit beglückenden Eindrücken be¬ reicherte, von der zurückgekehrt er aber doch am 26. Mai seinem Vater schrieb: „Rom ist nun schon wie unsre Heimat. Je öfter man sich auf längere Zeit entfernt, desto größere Freude hat man wieder bei der Rückkehr. Man fühlt immer wieder von neuem, zu einem längern Aufenthalte für einen Künstler oder Kunstfreund, zu einem ernsten, gesammelten Leben ist doch keine Stadt geeig¬ neter als eben Rom. Rom verhält sich zu Neapel wie etwa alter Rheinwein zu flüchtigem Champagner. Ich bin überzeugt, dies Gleichnis ließe sich ge¬ brauchen, sowie im ganzen, so auch in einzelnen Merkmalen frappante Ähnlich¬ keiten aufzufinden. Ich will nur eine einzige anführen, nämlich die, daß Frauen ohngefähr - dieselbe Vorliebe für Neapel haben wie unter den beiden Weinen für den Champagner; daß hingegen Männer, so wie sie gewöhnlich den Rheinwein über alles setzen, auch Rom unter den Städten bei weitem den Vorzug geben." Auch in seinem bleibenden römischen Kreise war Schmorr nicht ans den Umgang mit seinen Künstlerfreunden eingeschränkt. In nähere Beziehungen trat er zu Niebuhr und Bunsen, welche nacheinander der preußischen Gesandt¬ schaft beim heiligen Stuhl vorstanden, zu dem Gesandtschaftsprediger Schmieder, der die kleine deutsche protestantische Gemeinde in Rom trefflich zusammenzu¬ halten und zu beleben wußte, zu Schmieders Nachfolger Rothe, zu dem Frank¬ furter Passavant, zu Platner, der damals an seiner Beschreibung von Rom arbeitete, dem Musiker Neukomm und manchen andern, durch welche er sich eine größere Weite des Blickes erhielt, als so viele seiner Genossen, und die von Jugend auf gehegte Teilnahme an religiösen, geschichtlichen und poetischen Fragen vertiefte. Dabei ward seine Überzeugung, daß die Zeit und die Zukunft einer gefunden Kunst bedürfe, immer kräftiger und Heller. Wird in einzelnen historisch-kritischen Darstellungen fortgesetzt behauptet, die neuere deutsche Kunst sei mit einer krankhaften Romantik unlösbar verquickt gewesen, so gehören Schmorrs Briefe aus Rom zu den besten Widerlegungen dieser allgemeinen Behauptung. Wie energisch sich der Maler der spätern Ariostfresken und der Nibelungcn- bilder, der Zeichner der Bilderbibel (deren Anfänge schon in Rom entstanden) von dieser Romantik abwendet, bezeugt sein Brief vom 26. März 1823: „Die Kunst ist eine Hofdame worden mit den Negenbogenfarben im Gesicht und aus¬ gezehrter Brust. Sie, die uns die Menschheit in ihrer Fülle und Kraft, im vollen Treiben und Leben zeigen soll, sie zieht es vor, einer verrückten Gräfin an den blauen Lippen zu sangen. Unser Herr und seine heiligen Apostel waren nicht so engbrüstig, wie ihr sie sehet, sie hatten keine Negenbogenvisionen, sondern sie sahen den Himmel offen, sie heilten und belehrten, trieben aber keine Spielereien mit blutigen Kreuzen und andern Fastnachtsstreichen. So dürfen wir auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/386>, abgerufen am 23.12.2024.