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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Gin deutscher Maler in Rom.

seinen Lehrer Friedrich Rochlitz früher mit den damaligen höchsten Bildungs-
interessen erfüllt worden. Seine Teilnahme an diesen bethätigte er zunächst
als Dilettant, er ließ Gedichte im Göttinger Musenalmanach erscheinen, be¬
teiligte sich lebhaft an allem theatralischen Wesen, zeichnete und bosselte, begann
mannichfache literarische Arbeiten. Erst das Zusammentreffen und die Bekannt¬
schaft mit Goethe (1808 in Karlsbad), erst die allmählich erwachende Er¬
kenntnis, daß sei" ungewöhnlich scharfes Auge ihn hauptsächlich zum ernsten
Anteil an der auf das Auge wirkenden bildenden Kunst befähige, brachten ihn
zu einer gewissen Sammlung. Spezialist im heutigen Sinne war in jenen
Tagen kaum irgend jemand, Quandt blieb bis an sein Lebensende ein Mann
von vielseitigen Interessen, aber seine Hauptaufgabe erblickte er doch, seit der
Reise uach Italien, welche er 1819 unternahm, in der Förderung der neuern
deutschen Kunst, und namentlich jener Richtung, deren Vorkämpfer Cornelius
und Schmorr waren. Nach seiner Niederlassung in Dresden (in dessen Nähe
er das Schloß und Gut Dittersbach erwarb) hat er als Mitglied des neu¬
begründeten akademischen Rates, als erster Vorstand des sächsischen Kunst¬
vereins, als Sammler einer ganzen Galerie neuerer Werke, als Ratgeber und
Mäcen in hundert Angelegenheiten der Künstler, als Kunstschriftsteller eine lang¬
jährige Wirksamkeit entfaltet. Als er in Rom mit Schmorr zusammentraf,
hatte er sich kurz zuvor mit Blanka von Low geborne Meißner vermählt, und
Schmorr konnte an seinen Vater berichten: "Quandt und seine treffliche Fran
haben sich hier in Rom bald manchen lieben Freund unter der Künstlerwelt
erworben, und sie sehen deren fast jeden Abend mehrere um sich. Mehreren
gedenkt er Auftrüge zu geben, einigen hat er Bilder abgekauft." Und in seinem
Briefe vom 22. Februar 1820 muß er hinzufügen: "Wie not thut es mir, im
großen zu malen. Und auch in diesem Stücke hat mir Quandt (der wohl oft
eher als ich selber weiß, woran es mir fehlt) die beste Gelegenheit gegeben,
mich vorwärts zu bringen. Überhaupt muß ich hier bemerken, daß Qucmdts
hohe Begeisterung und im ganzen durchaus geläuterte Kunstansicht einen Wende¬
punkt in meiner Kunst hat herbeiführen helfen, dessen Eintritt schon längst
durch den Süden vorbereitet war. Ich glaube nun zu wissen, wo und was
es gilt, der Himmel stehe mir bei, daß ich zeigen kann, ob ich Recht habe."
Und wenn er hinzufügt, der Brunnen, nach dem ihn dürste, heiße ewige, voll¬
endete Schönheit, und Gott wisse, ob er sie suche, so dürfen wir schließen, daß
Quandt die Überwindung jener Sinnesweise Schmorrs beschleunigen half, welche
die Vorgänger Rafaels über Rafael selbst setzte. Begreiflich genug, daß der
junge Maler mit einem Freunde dieser Art in dauernder brieflicher Verbindung
blieb. Auch wenn derselbe nicht "Prinz Quandt" gewesen wäre, welcher den
materiellen Bedrängnissen und Bedürfnissen des aufstrebenden Malers in gro߬
herziger und freundschaftlicher Weise zu Hilfe kam, würde Quandt durch seine
einsichtige und durch alle Gegnerschaft der deutsch-römischen Malerschule nie


Grenzboten I. 1887. 48
Gin deutscher Maler in Rom.

seinen Lehrer Friedrich Rochlitz früher mit den damaligen höchsten Bildungs-
interessen erfüllt worden. Seine Teilnahme an diesen bethätigte er zunächst
als Dilettant, er ließ Gedichte im Göttinger Musenalmanach erscheinen, be¬
teiligte sich lebhaft an allem theatralischen Wesen, zeichnete und bosselte, begann
mannichfache literarische Arbeiten. Erst das Zusammentreffen und die Bekannt¬
schaft mit Goethe (1808 in Karlsbad), erst die allmählich erwachende Er¬
kenntnis, daß sei» ungewöhnlich scharfes Auge ihn hauptsächlich zum ernsten
Anteil an der auf das Auge wirkenden bildenden Kunst befähige, brachten ihn
zu einer gewissen Sammlung. Spezialist im heutigen Sinne war in jenen
Tagen kaum irgend jemand, Quandt blieb bis an sein Lebensende ein Mann
von vielseitigen Interessen, aber seine Hauptaufgabe erblickte er doch, seit der
Reise uach Italien, welche er 1819 unternahm, in der Förderung der neuern
deutschen Kunst, und namentlich jener Richtung, deren Vorkämpfer Cornelius
und Schmorr waren. Nach seiner Niederlassung in Dresden (in dessen Nähe
er das Schloß und Gut Dittersbach erwarb) hat er als Mitglied des neu¬
begründeten akademischen Rates, als erster Vorstand des sächsischen Kunst¬
vereins, als Sammler einer ganzen Galerie neuerer Werke, als Ratgeber und
Mäcen in hundert Angelegenheiten der Künstler, als Kunstschriftsteller eine lang¬
jährige Wirksamkeit entfaltet. Als er in Rom mit Schmorr zusammentraf,
hatte er sich kurz zuvor mit Blanka von Low geborne Meißner vermählt, und
Schmorr konnte an seinen Vater berichten: „Quandt und seine treffliche Fran
haben sich hier in Rom bald manchen lieben Freund unter der Künstlerwelt
erworben, und sie sehen deren fast jeden Abend mehrere um sich. Mehreren
gedenkt er Auftrüge zu geben, einigen hat er Bilder abgekauft." Und in seinem
Briefe vom 22. Februar 1820 muß er hinzufügen: „Wie not thut es mir, im
großen zu malen. Und auch in diesem Stücke hat mir Quandt (der wohl oft
eher als ich selber weiß, woran es mir fehlt) die beste Gelegenheit gegeben,
mich vorwärts zu bringen. Überhaupt muß ich hier bemerken, daß Qucmdts
hohe Begeisterung und im ganzen durchaus geläuterte Kunstansicht einen Wende¬
punkt in meiner Kunst hat herbeiführen helfen, dessen Eintritt schon längst
durch den Süden vorbereitet war. Ich glaube nun zu wissen, wo und was
es gilt, der Himmel stehe mir bei, daß ich zeigen kann, ob ich Recht habe."
Und wenn er hinzufügt, der Brunnen, nach dem ihn dürste, heiße ewige, voll¬
endete Schönheit, und Gott wisse, ob er sie suche, so dürfen wir schließen, daß
Quandt die Überwindung jener Sinnesweise Schmorrs beschleunigen half, welche
die Vorgänger Rafaels über Rafael selbst setzte. Begreiflich genug, daß der
junge Maler mit einem Freunde dieser Art in dauernder brieflicher Verbindung
blieb. Auch wenn derselbe nicht „Prinz Quandt" gewesen wäre, welcher den
materiellen Bedrängnissen und Bedürfnissen des aufstrebenden Malers in gro߬
herziger und freundschaftlicher Weise zu Hilfe kam, würde Quandt durch seine
einsichtige und durch alle Gegnerschaft der deutsch-römischen Malerschule nie


Grenzboten I. 1887. 48
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[0385] Gin deutscher Maler in Rom. seinen Lehrer Friedrich Rochlitz früher mit den damaligen höchsten Bildungs- interessen erfüllt worden. Seine Teilnahme an diesen bethätigte er zunächst als Dilettant, er ließ Gedichte im Göttinger Musenalmanach erscheinen, be¬ teiligte sich lebhaft an allem theatralischen Wesen, zeichnete und bosselte, begann mannichfache literarische Arbeiten. Erst das Zusammentreffen und die Bekannt¬ schaft mit Goethe (1808 in Karlsbad), erst die allmählich erwachende Er¬ kenntnis, daß sei» ungewöhnlich scharfes Auge ihn hauptsächlich zum ernsten Anteil an der auf das Auge wirkenden bildenden Kunst befähige, brachten ihn zu einer gewissen Sammlung. Spezialist im heutigen Sinne war in jenen Tagen kaum irgend jemand, Quandt blieb bis an sein Lebensende ein Mann von vielseitigen Interessen, aber seine Hauptaufgabe erblickte er doch, seit der Reise uach Italien, welche er 1819 unternahm, in der Förderung der neuern deutschen Kunst, und namentlich jener Richtung, deren Vorkämpfer Cornelius und Schmorr waren. Nach seiner Niederlassung in Dresden (in dessen Nähe er das Schloß und Gut Dittersbach erwarb) hat er als Mitglied des neu¬ begründeten akademischen Rates, als erster Vorstand des sächsischen Kunst¬ vereins, als Sammler einer ganzen Galerie neuerer Werke, als Ratgeber und Mäcen in hundert Angelegenheiten der Künstler, als Kunstschriftsteller eine lang¬ jährige Wirksamkeit entfaltet. Als er in Rom mit Schmorr zusammentraf, hatte er sich kurz zuvor mit Blanka von Low geborne Meißner vermählt, und Schmorr konnte an seinen Vater berichten: „Quandt und seine treffliche Fran haben sich hier in Rom bald manchen lieben Freund unter der Künstlerwelt erworben, und sie sehen deren fast jeden Abend mehrere um sich. Mehreren gedenkt er Auftrüge zu geben, einigen hat er Bilder abgekauft." Und in seinem Briefe vom 22. Februar 1820 muß er hinzufügen: „Wie not thut es mir, im großen zu malen. Und auch in diesem Stücke hat mir Quandt (der wohl oft eher als ich selber weiß, woran es mir fehlt) die beste Gelegenheit gegeben, mich vorwärts zu bringen. Überhaupt muß ich hier bemerken, daß Qucmdts hohe Begeisterung und im ganzen durchaus geläuterte Kunstansicht einen Wende¬ punkt in meiner Kunst hat herbeiführen helfen, dessen Eintritt schon längst durch den Süden vorbereitet war. Ich glaube nun zu wissen, wo und was es gilt, der Himmel stehe mir bei, daß ich zeigen kann, ob ich Recht habe." Und wenn er hinzufügt, der Brunnen, nach dem ihn dürste, heiße ewige, voll¬ endete Schönheit, und Gott wisse, ob er sie suche, so dürfen wir schließen, daß Quandt die Überwindung jener Sinnesweise Schmorrs beschleunigen half, welche die Vorgänger Rafaels über Rafael selbst setzte. Begreiflich genug, daß der junge Maler mit einem Freunde dieser Art in dauernder brieflicher Verbindung blieb. Auch wenn derselbe nicht „Prinz Quandt" gewesen wäre, welcher den materiellen Bedrängnissen und Bedürfnissen des aufstrebenden Malers in gro߬ herziger und freundschaftlicher Weise zu Hilfe kam, würde Quandt durch seine einsichtige und durch alle Gegnerschaft der deutsch-römischen Malerschule nie Grenzboten I. 1887. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/385>, abgerufen am 22.07.2024.