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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Gin deutscher Maler in Rom.

Wir können es dahingestellt sein lassen, ob früher oder später eine Zeit
kommen wird, in der man das Gewicht aller dieser Eigenschaften und Leistungen
hoher anschlagen wird, als es unser Historiker thut. Käme diese Zeit nicht,
so müßte den gegenwärtigen Kunstbestrebungeu in der Zukunft eine Erweiterung,
Vertiefung und Verklärung gegönnt sein, zu denen wir vor der Hand nicht die
leisesten Anfänge sehen, die wir jedoch im Interesse des deutschen Volkes und
der deutschen Kunst von Herzen wünschen wollen. Jedenfalls wird keine wahrhafte
Erkenntnis und keine überschauende Beurteilung hinter die Linie zurückgehen,
welche Rosenberg .hier gezogen hat. Und wer auch mir halb zu empfinden
vermag, was diese Anerkennung in sich schließt, wessen Augen auch nur für die
unvergängliche Gewalt und Schönheit der Schnorrschcn Bilderbibel geöffnet sind,
der wird wissen, daß die Entwicklung eines schöpferischen Künstlers dieser Art
zu keiner Zeit etwas Gleichgültiges und Untergeordnetes sein kann, und wird
die Freude teilen, welche das Erscheinen der Schnorrschcn "Briefe aus Italie""
in uns erweckt hat. Mit der Einsicht, welche wir in Anlage, Geistesbildung,
Knnststrcbcn und Lebensschicksale eines vorzüglichen und (was man auch dagegen
sagen möge) großen Künstlers gewinnen, eröffnet sich uns zugleich der Blick in
ein entschwundenes Gesamtleben, in die Eigenart jeuer deutschen Kolonie in Rom,
welche in den drei ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts von so weit nach¬
wirkender Bedeutung geworden ist. Anspruchslos, aus der schlichtesten Wahrheit
des Augenblickes heraus, ohne den leisesten Gedanken an eine künftige Ver¬
öffentlichung geschrieben, bilden diese an verschiedne Personen gerichteten Briefe,
kraft der Natur, die hinter ihnen steht, kraft des unbeweglichen und lebensfrischen
Idealismus, der sie durchhaucht, ein Wohl zusammenhängendes, einheitliches und
h v chiu tcressa n des B u es.

Herausgeber des Buches ist der Sohn Julius Schmorrs, der Bibliothekar
an der königlichen öffentlichen Bibliothek in Dresden, Prof. Dr. Franz Schmorr
von Carolsfeld. Mit vollem Rechte sagt er in seiner Einleitung: "Die nach¬
folgenden Briefe kommen als Ganzes einer zusammenhängenden, in sich selbst
ihre Erklärung tragenden autobiographischen Aufzeichnung so nahe, daß sich die
Einleitung darauf beschränken durste, ihnen nußer kurzen Nachrichten über die
vor ihrer Niederschrift liegende Lebenszeit ihres Verfassers lediglich eine zu¬
sammenfassende Übersicht der wichtigsten darin erzählten Thatsachen vorauszu-
schicken. Denn auch die Persönlichkeit und der Charakter Schmorrs wird dem
Leser seiner Briefe aus diesen selbst vollständig und in allen wesentlichen Zügen
entgegentreten: der jugendfrische, für das Schöne begeisterte, mit rastlosem Fleiße
und unermüdlicher Kraft strebende und arbeitende Künstler nicht minder, als
der religiös gestimmte und von sittlichen Idealen erfüllte, seinen Glauben in¬
mitten der ihn umgebenden katholische" Welt standhaft verteidigende Protestant,
der dem Vaterlande mit Hingebung und während einer langjährigen Trennung
mit unverminderter Treue anhängende Patriot, ebenso wie der kindlich liebende


Gin deutscher Maler in Rom.

Wir können es dahingestellt sein lassen, ob früher oder später eine Zeit
kommen wird, in der man das Gewicht aller dieser Eigenschaften und Leistungen
hoher anschlagen wird, als es unser Historiker thut. Käme diese Zeit nicht,
so müßte den gegenwärtigen Kunstbestrebungeu in der Zukunft eine Erweiterung,
Vertiefung und Verklärung gegönnt sein, zu denen wir vor der Hand nicht die
leisesten Anfänge sehen, die wir jedoch im Interesse des deutschen Volkes und
der deutschen Kunst von Herzen wünschen wollen. Jedenfalls wird keine wahrhafte
Erkenntnis und keine überschauende Beurteilung hinter die Linie zurückgehen,
welche Rosenberg .hier gezogen hat. Und wer auch mir halb zu empfinden
vermag, was diese Anerkennung in sich schließt, wessen Augen auch nur für die
unvergängliche Gewalt und Schönheit der Schnorrschcn Bilderbibel geöffnet sind,
der wird wissen, daß die Entwicklung eines schöpferischen Künstlers dieser Art
zu keiner Zeit etwas Gleichgültiges und Untergeordnetes sein kann, und wird
die Freude teilen, welche das Erscheinen der Schnorrschcn „Briefe aus Italie»"
in uns erweckt hat. Mit der Einsicht, welche wir in Anlage, Geistesbildung,
Knnststrcbcn und Lebensschicksale eines vorzüglichen und (was man auch dagegen
sagen möge) großen Künstlers gewinnen, eröffnet sich uns zugleich der Blick in
ein entschwundenes Gesamtleben, in die Eigenart jeuer deutschen Kolonie in Rom,
welche in den drei ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts von so weit nach¬
wirkender Bedeutung geworden ist. Anspruchslos, aus der schlichtesten Wahrheit
des Augenblickes heraus, ohne den leisesten Gedanken an eine künftige Ver¬
öffentlichung geschrieben, bilden diese an verschiedne Personen gerichteten Briefe,
kraft der Natur, die hinter ihnen steht, kraft des unbeweglichen und lebensfrischen
Idealismus, der sie durchhaucht, ein Wohl zusammenhängendes, einheitliches und
h v chiu tcressa n des B u es.

Herausgeber des Buches ist der Sohn Julius Schmorrs, der Bibliothekar
an der königlichen öffentlichen Bibliothek in Dresden, Prof. Dr. Franz Schmorr
von Carolsfeld. Mit vollem Rechte sagt er in seiner Einleitung: „Die nach¬
folgenden Briefe kommen als Ganzes einer zusammenhängenden, in sich selbst
ihre Erklärung tragenden autobiographischen Aufzeichnung so nahe, daß sich die
Einleitung darauf beschränken durste, ihnen nußer kurzen Nachrichten über die
vor ihrer Niederschrift liegende Lebenszeit ihres Verfassers lediglich eine zu¬
sammenfassende Übersicht der wichtigsten darin erzählten Thatsachen vorauszu-
schicken. Denn auch die Persönlichkeit und der Charakter Schmorrs wird dem
Leser seiner Briefe aus diesen selbst vollständig und in allen wesentlichen Zügen
entgegentreten: der jugendfrische, für das Schöne begeisterte, mit rastlosem Fleiße
und unermüdlicher Kraft strebende und arbeitende Künstler nicht minder, als
der religiös gestimmte und von sittlichen Idealen erfüllte, seinen Glauben in¬
mitten der ihn umgebenden katholische» Welt standhaft verteidigende Protestant,
der dem Vaterlande mit Hingebung und während einer langjährigen Trennung
mit unverminderter Treue anhängende Patriot, ebenso wie der kindlich liebende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/325>, abgerufen am 23.12.2024.