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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Gin deutscher Maler in Rom.

eben soviel Kindisches als Kindliches liegt, daß eine mächtige Entwicklungsperiode
der deutschen Kunst nicht mit dem wohlfeilen Spott über ihre leicht ersichtlichen
Mängel abgethan sein kann, daß jede historische Betrachtung und jede tiefere
Einsicht in das Werden nud Wesen der Dinge zu einer ganz andern Schätzung
dessen gelangen muß, was diese Künstler für Deutschland und die deutsche Kunst
bedeutet haben. Es wird in dein Augenblicke, wo eine wertvolle literarische
Publikation die Augen ans einen der hervorragendsten Künstler des römischen
und Münchener Künstlerkreiscs zurücklenkt,^) zum Eingang unsern Lesern will¬
kommen sein el>? neueres Gesamturteil über Julius Schmorr von Carolsfeld
aus der Feder Adolf Noseubergs zu vernehmen. Der geistvolle Geschichtschreiber
der modernen Kunst steht durchaus auf dem Boden des neuern Realismus, er
betont die Mängel der Münchener neudeutschen Schule scharf nud für unsre
persönliche Empfindung, gegenüber ihren Vorzügen, cillznscharf, er ist durchaus der
Meinung, daß Schuorr seines Bestes in der Kartonmalerci und der Illustration
gegeben, daß er "mit technischer Virtuosität" nur den Zcicheustift, die Feder
und die Reißkohle zu handhaben gewußt habe, der Fresko- und Ölmalerei nie
ganz Herr geworden sei. Wie gesagt, sein Urteil ist nicht völlig unser Urteil,
aber es ist ein wohlabgewogenes Urteil, es räumt, die Gesamtbedcntung Schmorrs
ins Ange fassend, unumwunden ein: "Schuorr bildete in den verschiednen
Momenten seiner künstlerische" Entwicklung nach mehreren Richtungen eine
Ergänzung zu dem strengen, herben, sich gegen fremde Einflüsse immer mehr
abschließenden Cornelius. Sei" mildes, nachgiebiges Temperament neigte von
vornherein mehr dem Romantischen und Poetischen zu. Die Herbheit der Formen,
in welchen Cornelius später den vollkommensten Ausdruck seines Kunstidecils
sah, blieb ihm fremd. Er besaß einen empfänglichen Sinn für weibliche Schönheit
und bildete anmutige Frauen, wo Cornelius ernste, jedes menschliche Begehren
abweisende Heroinen schuf. Er war der berufene Interpret der ritterlichen
Romantik, der vor allem nach dem Ausdruck idealer Schönheit strebte. Daneben
fehlte ihm keineswegs der Sinn für das Erhabene und die Fähigkeit, es dar¬
zustellen. Seit Dürer hat es kein deutscher Meister verstanden, die Majestät
Gottes in so verehrungswürdiger Glorie und doch so echt menschlich zu ver¬
körpern, wie es Schmorr i" seinen Illustrationen zur Bibel gelungen ist. Wenn
auch das idyllische Element der Poesie seinem Charakter am nächsten lag, so
wußte er sich auch, wo es der Stoff erforderte, wie bei den Nibclnngenbilderu
zu dramatischer Gestaltungskraft zu erheben. Nur der antike Klassizismus blieb
seinem durch und durch romantischen und innerlichen Wesen fremd." (A. Rosen-
berg, Geschichte der modernen Kunst, Bd. 1, S. 264.)



Briefe aus Italien von Julius Schmorr von Carolsfeld, geschrieben in
den, Jahren 1817 Ins 1327. Ein Beitrag zur Geschichte seines Lebens und der Kmisi-
bestrebnngen seiner Zeit. Gvthn, F. A. Perthes, 1336.
Gin deutscher Maler in Rom.

eben soviel Kindisches als Kindliches liegt, daß eine mächtige Entwicklungsperiode
der deutschen Kunst nicht mit dem wohlfeilen Spott über ihre leicht ersichtlichen
Mängel abgethan sein kann, daß jede historische Betrachtung und jede tiefere
Einsicht in das Werden nud Wesen der Dinge zu einer ganz andern Schätzung
dessen gelangen muß, was diese Künstler für Deutschland und die deutsche Kunst
bedeutet haben. Es wird in dein Augenblicke, wo eine wertvolle literarische
Publikation die Augen ans einen der hervorragendsten Künstler des römischen
und Münchener Künstlerkreiscs zurücklenkt,^) zum Eingang unsern Lesern will¬
kommen sein el>? neueres Gesamturteil über Julius Schmorr von Carolsfeld
aus der Feder Adolf Noseubergs zu vernehmen. Der geistvolle Geschichtschreiber
der modernen Kunst steht durchaus auf dem Boden des neuern Realismus, er
betont die Mängel der Münchener neudeutschen Schule scharf nud für unsre
persönliche Empfindung, gegenüber ihren Vorzügen, cillznscharf, er ist durchaus der
Meinung, daß Schuorr seines Bestes in der Kartonmalerci und der Illustration
gegeben, daß er „mit technischer Virtuosität" nur den Zcicheustift, die Feder
und die Reißkohle zu handhaben gewußt habe, der Fresko- und Ölmalerei nie
ganz Herr geworden sei. Wie gesagt, sein Urteil ist nicht völlig unser Urteil,
aber es ist ein wohlabgewogenes Urteil, es räumt, die Gesamtbedcntung Schmorrs
ins Ange fassend, unumwunden ein: „Schuorr bildete in den verschiednen
Momenten seiner künstlerische« Entwicklung nach mehreren Richtungen eine
Ergänzung zu dem strengen, herben, sich gegen fremde Einflüsse immer mehr
abschließenden Cornelius. Sei» mildes, nachgiebiges Temperament neigte von
vornherein mehr dem Romantischen und Poetischen zu. Die Herbheit der Formen,
in welchen Cornelius später den vollkommensten Ausdruck seines Kunstidecils
sah, blieb ihm fremd. Er besaß einen empfänglichen Sinn für weibliche Schönheit
und bildete anmutige Frauen, wo Cornelius ernste, jedes menschliche Begehren
abweisende Heroinen schuf. Er war der berufene Interpret der ritterlichen
Romantik, der vor allem nach dem Ausdruck idealer Schönheit strebte. Daneben
fehlte ihm keineswegs der Sinn für das Erhabene und die Fähigkeit, es dar¬
zustellen. Seit Dürer hat es kein deutscher Meister verstanden, die Majestät
Gottes in so verehrungswürdiger Glorie und doch so echt menschlich zu ver¬
körpern, wie es Schmorr i» seinen Illustrationen zur Bibel gelungen ist. Wenn
auch das idyllische Element der Poesie seinem Charakter am nächsten lag, so
wußte er sich auch, wo es der Stoff erforderte, wie bei den Nibclnngenbilderu
zu dramatischer Gestaltungskraft zu erheben. Nur der antike Klassizismus blieb
seinem durch und durch romantischen und innerlichen Wesen fremd." (A. Rosen-
berg, Geschichte der modernen Kunst, Bd. 1, S. 264.)



Briefe aus Italien von Julius Schmorr von Carolsfeld, geschrieben in
den, Jahren 1817 Ins 1327. Ein Beitrag zur Geschichte seines Lebens und der Kmisi-
bestrebnngen seiner Zeit. Gvthn, F. A. Perthes, 1336.
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[0324] Gin deutscher Maler in Rom. eben soviel Kindisches als Kindliches liegt, daß eine mächtige Entwicklungsperiode der deutschen Kunst nicht mit dem wohlfeilen Spott über ihre leicht ersichtlichen Mängel abgethan sein kann, daß jede historische Betrachtung und jede tiefere Einsicht in das Werden nud Wesen der Dinge zu einer ganz andern Schätzung dessen gelangen muß, was diese Künstler für Deutschland und die deutsche Kunst bedeutet haben. Es wird in dein Augenblicke, wo eine wertvolle literarische Publikation die Augen ans einen der hervorragendsten Künstler des römischen und Münchener Künstlerkreiscs zurücklenkt,^) zum Eingang unsern Lesern will¬ kommen sein el>? neueres Gesamturteil über Julius Schmorr von Carolsfeld aus der Feder Adolf Noseubergs zu vernehmen. Der geistvolle Geschichtschreiber der modernen Kunst steht durchaus auf dem Boden des neuern Realismus, er betont die Mängel der Münchener neudeutschen Schule scharf nud für unsre persönliche Empfindung, gegenüber ihren Vorzügen, cillznscharf, er ist durchaus der Meinung, daß Schuorr seines Bestes in der Kartonmalerci und der Illustration gegeben, daß er „mit technischer Virtuosität" nur den Zcicheustift, die Feder und die Reißkohle zu handhaben gewußt habe, der Fresko- und Ölmalerei nie ganz Herr geworden sei. Wie gesagt, sein Urteil ist nicht völlig unser Urteil, aber es ist ein wohlabgewogenes Urteil, es räumt, die Gesamtbedcntung Schmorrs ins Ange fassend, unumwunden ein: „Schuorr bildete in den verschiednen Momenten seiner künstlerische« Entwicklung nach mehreren Richtungen eine Ergänzung zu dem strengen, herben, sich gegen fremde Einflüsse immer mehr abschließenden Cornelius. Sei» mildes, nachgiebiges Temperament neigte von vornherein mehr dem Romantischen und Poetischen zu. Die Herbheit der Formen, in welchen Cornelius später den vollkommensten Ausdruck seines Kunstidecils sah, blieb ihm fremd. Er besaß einen empfänglichen Sinn für weibliche Schönheit und bildete anmutige Frauen, wo Cornelius ernste, jedes menschliche Begehren abweisende Heroinen schuf. Er war der berufene Interpret der ritterlichen Romantik, der vor allem nach dem Ausdruck idealer Schönheit strebte. Daneben fehlte ihm keineswegs der Sinn für das Erhabene und die Fähigkeit, es dar¬ zustellen. Seit Dürer hat es kein deutscher Meister verstanden, die Majestät Gottes in so verehrungswürdiger Glorie und doch so echt menschlich zu ver¬ körpern, wie es Schmorr i» seinen Illustrationen zur Bibel gelungen ist. Wenn auch das idyllische Element der Poesie seinem Charakter am nächsten lag, so wußte er sich auch, wo es der Stoff erforderte, wie bei den Nibclnngenbilderu zu dramatischer Gestaltungskraft zu erheben. Nur der antike Klassizismus blieb seinem durch und durch romantischen und innerlichen Wesen fremd." (A. Rosen- berg, Geschichte der modernen Kunst, Bd. 1, S. 264.) Briefe aus Italien von Julius Schmorr von Carolsfeld, geschrieben in den, Jahren 1817 Ins 1327. Ein Beitrag zur Geschichte seines Lebens und der Kmisi- bestrebnngen seiner Zeit. Gvthn, F. A. Perthes, 1336.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/324>, abgerufen am 22.07.2024.