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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Gin deutscher Maler in Rom.

in elften Gesänge des Purgatorio hat der große Dichter der
Göttlichen Komödie das uralte Lied von der Vergänglichkeit
irdischen Ruhmes und von dem launenvollcn Wechsel namentlich
des Künstlerrnhmes in die Unterredung Dantes mit dem Mi¬
niaturmaler Oderisi zusammengedrängt, und die wenigen ergrei¬
fenden Terzinen:


O VMÜ, gloriii, Äoll' nrniuro xosss,
Oven' pooo voi'tlo in su es, vim!^ clnrg,,
3o non ö giunta <t"11' ot^ii Krosss!
Lrsctv^to Lua-rdus nsllü. ^iniurÄ
^onor 1c> van^o: öd or", Ir-^ Oioito it gricto,
Li <:1ro dar"u^ <ti oolui os"ni'Ä.

enthalten ganze Kapitel der Geschichte der Kunst und der Geschichte des Geschmacks,
der unberechenbaren Wandelbarkeit der Neigungen und Abneigungen anch der
Gebildeten. Wer, der 1862 in dem prächtigen Parke von Siebeueichen bei
Meißen das große Künstlerfest mitfeierte, das zu Ehre" Julius Schmorrs
von Carolsfeld und der Vollendung seiner Bilderbibel veranstaltet wurde,
Hütte voraussehe" können, daß es ein Vierteljahrhundert später eine weitver¬
breitete Anschauung geben würde, nach welcher der Schöpfer der Bilderbibel
und der Münchener Nibelungenfresken überhaupt nicht unter die Künstler im
großen Stil gerechnet und der Begriff des Malers so eng gefaßt werden sollte,
daß selbst Albrecht Dürers Ruhm dabei in Frage gestellt werden kann. Wer
hätte geahnt, daß uns Tage bevorstünden, in denen die unbedeutendste Er¬
rungenschaft einer doch niemals klar definirten "Technik" höher würde an¬
geschlagen werden, als alle Phantasie und Gestaltungskraft der großen Münchener
Schule, Tage, in deuen der geistig dürftigste Atelierschüler, der einen kleinen Licht¬
effekt mit einigem Geschick anzubringen weiß, mit souveräner Verachtung auf Cor¬
nelius und Schmorr herabblicken würde? Gleichwohl fühlen selbst unbedingte Be¬
wunderer der malerischen Bestrebungen der Gegenwart, daß in dieser Verachtung



O eitler Ruhm der menschlichen Begabung,
Wie schnell vergeht dus Grünen seines Gipfels,
Wenn hinter ihm nicht rohe Zeiten folgen!
Das Feld der Malerei zu halten dachte
Einst Cimabue; jetzt rühmt man nur Giotto,
Svdnß verdunkelt wird der Ruf des ErstenI
(Uebertrngung von Karl Witte.)
Gin deutscher Maler in Rom.

in elften Gesänge des Purgatorio hat der große Dichter der
Göttlichen Komödie das uralte Lied von der Vergänglichkeit
irdischen Ruhmes und von dem launenvollcn Wechsel namentlich
des Künstlerrnhmes in die Unterredung Dantes mit dem Mi¬
niaturmaler Oderisi zusammengedrängt, und die wenigen ergrei¬
fenden Terzinen:


O VMÜ, gloriii, Äoll' nrniuro xosss,
Oven' pooo voi'tlo in su es, vim!^ clnrg,,
3o non ö giunta <t»11' ot^ii Krosss!
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Li <:1ro dar»u^ <ti oolui os«ni'Ä.

enthalten ganze Kapitel der Geschichte der Kunst und der Geschichte des Geschmacks,
der unberechenbaren Wandelbarkeit der Neigungen und Abneigungen anch der
Gebildeten. Wer, der 1862 in dem prächtigen Parke von Siebeueichen bei
Meißen das große Künstlerfest mitfeierte, das zu Ehre» Julius Schmorrs
von Carolsfeld und der Vollendung seiner Bilderbibel veranstaltet wurde,
Hütte voraussehe» können, daß es ein Vierteljahrhundert später eine weitver¬
breitete Anschauung geben würde, nach welcher der Schöpfer der Bilderbibel
und der Münchener Nibelungenfresken überhaupt nicht unter die Künstler im
großen Stil gerechnet und der Begriff des Malers so eng gefaßt werden sollte,
daß selbst Albrecht Dürers Ruhm dabei in Frage gestellt werden kann. Wer
hätte geahnt, daß uns Tage bevorstünden, in denen die unbedeutendste Er¬
rungenschaft einer doch niemals klar definirten „Technik" höher würde an¬
geschlagen werden, als alle Phantasie und Gestaltungskraft der großen Münchener
Schule, Tage, in deuen der geistig dürftigste Atelierschüler, der einen kleinen Licht¬
effekt mit einigem Geschick anzubringen weiß, mit souveräner Verachtung auf Cor¬
nelius und Schmorr herabblicken würde? Gleichwohl fühlen selbst unbedingte Be¬
wunderer der malerischen Bestrebungen der Gegenwart, daß in dieser Verachtung



O eitler Ruhm der menschlichen Begabung,
Wie schnell vergeht dus Grünen seines Gipfels,
Wenn hinter ihm nicht rohe Zeiten folgen!
Das Feld der Malerei zu halten dachte
Einst Cimabue; jetzt rühmt man nur Giotto,
Svdnß verdunkelt wird der Ruf des ErstenI
(Uebertrngung von Karl Witte.)
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[0323] Gin deutscher Maler in Rom. in elften Gesänge des Purgatorio hat der große Dichter der Göttlichen Komödie das uralte Lied von der Vergänglichkeit irdischen Ruhmes und von dem launenvollcn Wechsel namentlich des Künstlerrnhmes in die Unterredung Dantes mit dem Mi¬ niaturmaler Oderisi zusammengedrängt, und die wenigen ergrei¬ fenden Terzinen: O VMÜ, gloriii, Äoll' nrniuro xosss, Oven' pooo voi'tlo in su es, vim!^ clnrg,, 3o non ö giunta <t»11' ot^ii Krosss! Lrsctv^to Lua-rdus nsllü. ^iniurÄ ^onor 1c> van^o: öd or», Ir-^ Oioito it gricto, Li <:1ro dar»u^ <ti oolui os«ni'Ä. enthalten ganze Kapitel der Geschichte der Kunst und der Geschichte des Geschmacks, der unberechenbaren Wandelbarkeit der Neigungen und Abneigungen anch der Gebildeten. Wer, der 1862 in dem prächtigen Parke von Siebeueichen bei Meißen das große Künstlerfest mitfeierte, das zu Ehre» Julius Schmorrs von Carolsfeld und der Vollendung seiner Bilderbibel veranstaltet wurde, Hütte voraussehe» können, daß es ein Vierteljahrhundert später eine weitver¬ breitete Anschauung geben würde, nach welcher der Schöpfer der Bilderbibel und der Münchener Nibelungenfresken überhaupt nicht unter die Künstler im großen Stil gerechnet und der Begriff des Malers so eng gefaßt werden sollte, daß selbst Albrecht Dürers Ruhm dabei in Frage gestellt werden kann. Wer hätte geahnt, daß uns Tage bevorstünden, in denen die unbedeutendste Er¬ rungenschaft einer doch niemals klar definirten „Technik" höher würde an¬ geschlagen werden, als alle Phantasie und Gestaltungskraft der großen Münchener Schule, Tage, in deuen der geistig dürftigste Atelierschüler, der einen kleinen Licht¬ effekt mit einigem Geschick anzubringen weiß, mit souveräner Verachtung auf Cor¬ nelius und Schmorr herabblicken würde? Gleichwohl fühlen selbst unbedingte Be¬ wunderer der malerischen Bestrebungen der Gegenwart, daß in dieser Verachtung O eitler Ruhm der menschlichen Begabung, Wie schnell vergeht dus Grünen seines Gipfels, Wenn hinter ihm nicht rohe Zeiten folgen! Das Feld der Malerei zu halten dachte Einst Cimabue; jetzt rühmt man nur Giotto, Svdnß verdunkelt wird der Ruf des ErstenI (Uebertrngung von Karl Witte.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/323>, abgerufen am 22.12.2024.