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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Apotheken,

sich ankauft, ist nicht Sache des Staates, hier hat jeder für sich selbst zu sorgen,
und wenn die Apotheke nur sonst in vorgeschriebenen Zustande sich befindet und
den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist das öffentliche Wohl dabei nicht
beteiligt. Daher sind die Versuche mancher Regierungen, ans den Kaufpreis
der Apotheken zu wirken oder denselben bestimmen zu wollen, mir als Über¬
griffe zu bezeichnen, die noch dazu nie ihren Zweck erreichen konnten. Wie
wünschenswert es auch ist, daß jeder Apotheker nach vollendetem Examen sogleich
eine billige und rentable Apotheke erwerben könne, so wenig wird dies auf ge¬
setzlichem Wege zu erreichen sein, weder unter jetzigen Verhältnissen noch im
Falle unbeschränkter Niederlassung.

Die Anforderung, die jetzigen Apothekenbesitzcr zu entschädigen oder ihre
erworbenen Eigentumsrechte ohne Entschädigung zu beseitigen, ist eine geradezu
kommunistische, welche mir im Interesse der zufällig gegenwärtig in Stellung
befindlichen examinirteu Gehilfen gemacht werden kann, da, wie wir oben aus¬
führten, späterhin, wenn erst die Teilung vollzogen sein wird, es doch wieder
mit dem Niederlassen ein Ende haben wird. Es ist eine Anforderung, welche
übrigens mit dem öffentlichen Wohle nichts zu thun hat.

Die Apostel der freien Niederlassung stellen sich zwar, als leide das
öffentliche Wohl unter den jetzigen Verhältnissen, da natürlich später die Arzeneien
bedeutend billiger werden würden. Dieses einzige Argument, welches etwa ein
öffentliches Interesse erwecken könnte, ist indes nicht stichhaltig. Es ist sehr zu
bedauern, daß in ärztlichen und Laienkreisen über die angeblich hohe Arzenei¬
taxe so ungerechtfertigte Vorurteile herrschen. In Ur. 94 des Jahrgangs 1886
bringt die "Deutsche Medizinalzeitung" einen Abdruck aus der "Berliner
Zeitung" über diesen Gegenstand, der an ersterer Stelle doppelt zu bedauern
ist, weil er geradezu aufhetzend wirkt. Es wird da ausgeführt, daß zehn
Calvmelpulvcr, deren Wert etwa sechs Pfennige einschließlich der Schachtel be¬
trage, nach der Taxe fünfundneunzig Pfennige kosten, und dieser Gewinn wird
als ein beispielloser hingestellt. Dazu wird denn erzählt, daß der Apotheker,
welcher mit solchem enormen Gewinne arbeite, seinen Gehilfen mit zwölf- bis
fünfzehnhundert Mark Gehalt abspeise. Das Gehässige dieser Art zu disku-
tiren liegt zu Tage; der Korrespondent der "Berliner Zeitung" mag Wohl ein
unzufriedener Apothekergehilfe gewesen sein. Dem gegenüber wird ein Eingehen
auf die Arzeneitaxe an dieser Stelle nicht überflüssig erscheinen.

Zunächst muß bemerkt werden, daß in dem angeführten Falle dem Be¬
treffenden Wohl die hundert Prozent vorgeschwebt haben, mit denen die Apotheker
arbeiten sollen, und hiernach wären jene zehn Pulver mit zwölf Pfennig ja
reichlich bezahlt. Wer aber in diesen Dingen mitreden will, sollte doch von
Prozenten schweigen. In den zehn Pulvern steckt eine halbstündige Arbeit, die
Verantwortung für richtige Arbeit, die Garantie der Reinheit der angewandten
Substanzen, die Entschädigung für das aufgewendete Studium. Was würde


Unsre Apotheken,

sich ankauft, ist nicht Sache des Staates, hier hat jeder für sich selbst zu sorgen,
und wenn die Apotheke nur sonst in vorgeschriebenen Zustande sich befindet und
den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist das öffentliche Wohl dabei nicht
beteiligt. Daher sind die Versuche mancher Regierungen, ans den Kaufpreis
der Apotheken zu wirken oder denselben bestimmen zu wollen, mir als Über¬
griffe zu bezeichnen, die noch dazu nie ihren Zweck erreichen konnten. Wie
wünschenswert es auch ist, daß jeder Apotheker nach vollendetem Examen sogleich
eine billige und rentable Apotheke erwerben könne, so wenig wird dies auf ge¬
setzlichem Wege zu erreichen sein, weder unter jetzigen Verhältnissen noch im
Falle unbeschränkter Niederlassung.

Die Anforderung, die jetzigen Apothekenbesitzcr zu entschädigen oder ihre
erworbenen Eigentumsrechte ohne Entschädigung zu beseitigen, ist eine geradezu
kommunistische, welche mir im Interesse der zufällig gegenwärtig in Stellung
befindlichen examinirteu Gehilfen gemacht werden kann, da, wie wir oben aus¬
führten, späterhin, wenn erst die Teilung vollzogen sein wird, es doch wieder
mit dem Niederlassen ein Ende haben wird. Es ist eine Anforderung, welche
übrigens mit dem öffentlichen Wohle nichts zu thun hat.

Die Apostel der freien Niederlassung stellen sich zwar, als leide das
öffentliche Wohl unter den jetzigen Verhältnissen, da natürlich später die Arzeneien
bedeutend billiger werden würden. Dieses einzige Argument, welches etwa ein
öffentliches Interesse erwecken könnte, ist indes nicht stichhaltig. Es ist sehr zu
bedauern, daß in ärztlichen und Laienkreisen über die angeblich hohe Arzenei¬
taxe so ungerechtfertigte Vorurteile herrschen. In Ur. 94 des Jahrgangs 1886
bringt die „Deutsche Medizinalzeitung" einen Abdruck aus der „Berliner
Zeitung" über diesen Gegenstand, der an ersterer Stelle doppelt zu bedauern
ist, weil er geradezu aufhetzend wirkt. Es wird da ausgeführt, daß zehn
Calvmelpulvcr, deren Wert etwa sechs Pfennige einschließlich der Schachtel be¬
trage, nach der Taxe fünfundneunzig Pfennige kosten, und dieser Gewinn wird
als ein beispielloser hingestellt. Dazu wird denn erzählt, daß der Apotheker,
welcher mit solchem enormen Gewinne arbeite, seinen Gehilfen mit zwölf- bis
fünfzehnhundert Mark Gehalt abspeise. Das Gehässige dieser Art zu disku-
tiren liegt zu Tage; der Korrespondent der „Berliner Zeitung" mag Wohl ein
unzufriedener Apothekergehilfe gewesen sein. Dem gegenüber wird ein Eingehen
auf die Arzeneitaxe an dieser Stelle nicht überflüssig erscheinen.

Zunächst muß bemerkt werden, daß in dem angeführten Falle dem Be¬
treffenden Wohl die hundert Prozent vorgeschwebt haben, mit denen die Apotheker
arbeiten sollen, und hiernach wären jene zehn Pulver mit zwölf Pfennig ja
reichlich bezahlt. Wer aber in diesen Dingen mitreden will, sollte doch von
Prozenten schweigen. In den zehn Pulvern steckt eine halbstündige Arbeit, die
Verantwortung für richtige Arbeit, die Garantie der Reinheit der angewandten
Substanzen, die Entschädigung für das aufgewendete Studium. Was würde


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[0028] Unsre Apotheken, sich ankauft, ist nicht Sache des Staates, hier hat jeder für sich selbst zu sorgen, und wenn die Apotheke nur sonst in vorgeschriebenen Zustande sich befindet und den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist das öffentliche Wohl dabei nicht beteiligt. Daher sind die Versuche mancher Regierungen, ans den Kaufpreis der Apotheken zu wirken oder denselben bestimmen zu wollen, mir als Über¬ griffe zu bezeichnen, die noch dazu nie ihren Zweck erreichen konnten. Wie wünschenswert es auch ist, daß jeder Apotheker nach vollendetem Examen sogleich eine billige und rentable Apotheke erwerben könne, so wenig wird dies auf ge¬ setzlichem Wege zu erreichen sein, weder unter jetzigen Verhältnissen noch im Falle unbeschränkter Niederlassung. Die Anforderung, die jetzigen Apothekenbesitzcr zu entschädigen oder ihre erworbenen Eigentumsrechte ohne Entschädigung zu beseitigen, ist eine geradezu kommunistische, welche mir im Interesse der zufällig gegenwärtig in Stellung befindlichen examinirteu Gehilfen gemacht werden kann, da, wie wir oben aus¬ führten, späterhin, wenn erst die Teilung vollzogen sein wird, es doch wieder mit dem Niederlassen ein Ende haben wird. Es ist eine Anforderung, welche übrigens mit dem öffentlichen Wohle nichts zu thun hat. Die Apostel der freien Niederlassung stellen sich zwar, als leide das öffentliche Wohl unter den jetzigen Verhältnissen, da natürlich später die Arzeneien bedeutend billiger werden würden. Dieses einzige Argument, welches etwa ein öffentliches Interesse erwecken könnte, ist indes nicht stichhaltig. Es ist sehr zu bedauern, daß in ärztlichen und Laienkreisen über die angeblich hohe Arzenei¬ taxe so ungerechtfertigte Vorurteile herrschen. In Ur. 94 des Jahrgangs 1886 bringt die „Deutsche Medizinalzeitung" einen Abdruck aus der „Berliner Zeitung" über diesen Gegenstand, der an ersterer Stelle doppelt zu bedauern ist, weil er geradezu aufhetzend wirkt. Es wird da ausgeführt, daß zehn Calvmelpulvcr, deren Wert etwa sechs Pfennige einschließlich der Schachtel be¬ trage, nach der Taxe fünfundneunzig Pfennige kosten, und dieser Gewinn wird als ein beispielloser hingestellt. Dazu wird denn erzählt, daß der Apotheker, welcher mit solchem enormen Gewinne arbeite, seinen Gehilfen mit zwölf- bis fünfzehnhundert Mark Gehalt abspeise. Das Gehässige dieser Art zu disku- tiren liegt zu Tage; der Korrespondent der „Berliner Zeitung" mag Wohl ein unzufriedener Apothekergehilfe gewesen sein. Dem gegenüber wird ein Eingehen auf die Arzeneitaxe an dieser Stelle nicht überflüssig erscheinen. Zunächst muß bemerkt werden, daß in dem angeführten Falle dem Be¬ treffenden Wohl die hundert Prozent vorgeschwebt haben, mit denen die Apotheker arbeiten sollen, und hiernach wären jene zehn Pulver mit zwölf Pfennig ja reichlich bezahlt. Wer aber in diesen Dingen mitreden will, sollte doch von Prozenten schweigen. In den zehn Pulvern steckt eine halbstündige Arbeit, die Verantwortung für richtige Arbeit, die Garantie der Reinheit der angewandten Substanzen, die Entschädigung für das aufgewendete Studium. Was würde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/28>, abgerufen am 01.07.2024.