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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Apotheken.

der Arzt wohl sagen, wenn sein Rezept nach dem Papierwertc oder seine ge¬
machte Operation nach dem Verbrauche von Chloroform tcixirt würde?

Thatsache ist, daß die ärztlichen Verordnungen nnr in Ausnahmefällen,
bei Anwendung teurer Medikamente, den Preis von einer Mark übersteigen;
der Durchschnittspreis ist sechzig bis achtzig Pfennige. Dieser Preis ist nicht
soviel, als der Schuhmacher für einen Absatz rechnet. Nach heutigen Geld-
verhältnissen ist die Arzcneitcixe sogar recht niedrig.

Um beurteilen zu können, wie mäßig die Arzeneitaxe gegenüber den Taxen
andrer Gewerbtreibenden ist, nehme man nur einmal die preußische Arzeneitaxe
zur Hand. Das Minimum eines Preises ist drei Pfennige. (In Hamburg
fünf Pfennige.) Das Auflösen von Ölzucker, Gummi, Pulvern, Seifen ze. kostet
zehn Pfennige. Dabei wird ein Mörser verunreinigt, die Arbeit will auch
gemacht sein. Die Anfertigung eines Salepschleimes kostet zehn Pfennige.
Hierzu muß destillirtes Wasser heiß gemacht werden, dann wird der Salep in
einer Flasche mit dem Wasser eine Viertelstunde lang heiß geschüttelt. Damit
keine Klümpchen entstehen, bedarf es verschiedner Vorsichtsmaßregeln. Dann
wird die warme Flüssigkeit kalt gestellt, und nnn erst können etwaige Zusätze
gemacht werden. Die Auflösung eines Salzes kostet fünfzehn Pfennige. Hierbei
ist ein Trichter zu verwenden, der dann wieder zu reinigen ist, und das nötige
chemisch reine Filtrirpapier. Das Anstoßen einer Pillenmasse, oft eine sehr
zeitraubende und schwierige Arbeit, kostet zehn Pfennige. Es würde zu weit
führen, hier alle Ansätze der Taxe zu notiren. Die angeführten Beispiele ge¬
nügen wohl, um zu zeigen, wie die ganze Taxe sich nur in Pfennigen bewegt.
Der höchste Satz für eine Arbeit in derselben ist fünfundzwanzig Pfennige,
nämlich bei Abkochungen (zu welchen aber das destillirte Wasser umsonst ge¬
geben werden muß) und für Bereitung von Emulsionen. Die Sätze gelten auch
für die nächtliche Arbeit, denn, entgegen aller Billigkeit, giebt es keine Nachttaxc.

Zu obigen Arbeitspreisen kommt nun die Entschädigung für die aufgewen¬
deten Waaren. Die allermeisten sind nicht teuer und werden nur in kleinern
Quantitäten verordnet, daß der Ansatz des Minimums drei Pfennigen gegeben
ist. Mitunter freilich auch vier und fünf Pfennige und noch mehr. Durch die
Addition jener Arbeitspreise, jener Waarenpfenuige und die Gefäßeutschädiguug
entstehen dann die sechzig bis achtzig Pfennige, welche eine ärztliche Ver¬
ordnung kostet.

Da es genug Apotheken giebt, welche mit sechs bis zehn Rezepten täglich
existiren müssen, so ist es kaum billiger zu machen. Die Vvrciussetzuug aber,
als werde eine Vermehrung der Apotheke" auf dem Wege der "Freiheit" dem
Publikum billigere Preise bringen, ist müßig. Kein Dienstmann arbeitet für
das Geld, welches heute ein Apotheker für seine Arbeit bekommt, und nur die
beschränkte Anzahl der Apotheken macht dies möglich. Ja es ist mit Be¬
stimmtheit anzunehmen, daß obige Taxansätze, welche den heutigen Geldverhält-


Unsre Apotheken.

der Arzt wohl sagen, wenn sein Rezept nach dem Papierwertc oder seine ge¬
machte Operation nach dem Verbrauche von Chloroform tcixirt würde?

Thatsache ist, daß die ärztlichen Verordnungen nnr in Ausnahmefällen,
bei Anwendung teurer Medikamente, den Preis von einer Mark übersteigen;
der Durchschnittspreis ist sechzig bis achtzig Pfennige. Dieser Preis ist nicht
soviel, als der Schuhmacher für einen Absatz rechnet. Nach heutigen Geld-
verhältnissen ist die Arzcneitcixe sogar recht niedrig.

Um beurteilen zu können, wie mäßig die Arzeneitaxe gegenüber den Taxen
andrer Gewerbtreibenden ist, nehme man nur einmal die preußische Arzeneitaxe
zur Hand. Das Minimum eines Preises ist drei Pfennige. (In Hamburg
fünf Pfennige.) Das Auflösen von Ölzucker, Gummi, Pulvern, Seifen ze. kostet
zehn Pfennige. Dabei wird ein Mörser verunreinigt, die Arbeit will auch
gemacht sein. Die Anfertigung eines Salepschleimes kostet zehn Pfennige.
Hierzu muß destillirtes Wasser heiß gemacht werden, dann wird der Salep in
einer Flasche mit dem Wasser eine Viertelstunde lang heiß geschüttelt. Damit
keine Klümpchen entstehen, bedarf es verschiedner Vorsichtsmaßregeln. Dann
wird die warme Flüssigkeit kalt gestellt, und nnn erst können etwaige Zusätze
gemacht werden. Die Auflösung eines Salzes kostet fünfzehn Pfennige. Hierbei
ist ein Trichter zu verwenden, der dann wieder zu reinigen ist, und das nötige
chemisch reine Filtrirpapier. Das Anstoßen einer Pillenmasse, oft eine sehr
zeitraubende und schwierige Arbeit, kostet zehn Pfennige. Es würde zu weit
führen, hier alle Ansätze der Taxe zu notiren. Die angeführten Beispiele ge¬
nügen wohl, um zu zeigen, wie die ganze Taxe sich nur in Pfennigen bewegt.
Der höchste Satz für eine Arbeit in derselben ist fünfundzwanzig Pfennige,
nämlich bei Abkochungen (zu welchen aber das destillirte Wasser umsonst ge¬
geben werden muß) und für Bereitung von Emulsionen. Die Sätze gelten auch
für die nächtliche Arbeit, denn, entgegen aller Billigkeit, giebt es keine Nachttaxc.

Zu obigen Arbeitspreisen kommt nun die Entschädigung für die aufgewen¬
deten Waaren. Die allermeisten sind nicht teuer und werden nur in kleinern
Quantitäten verordnet, daß der Ansatz des Minimums drei Pfennigen gegeben
ist. Mitunter freilich auch vier und fünf Pfennige und noch mehr. Durch die
Addition jener Arbeitspreise, jener Waarenpfenuige und die Gefäßeutschädiguug
entstehen dann die sechzig bis achtzig Pfennige, welche eine ärztliche Ver¬
ordnung kostet.

Da es genug Apotheken giebt, welche mit sechs bis zehn Rezepten täglich
existiren müssen, so ist es kaum billiger zu machen. Die Vvrciussetzuug aber,
als werde eine Vermehrung der Apotheke» auf dem Wege der „Freiheit" dem
Publikum billigere Preise bringen, ist müßig. Kein Dienstmann arbeitet für
das Geld, welches heute ein Apotheker für seine Arbeit bekommt, und nur die
beschränkte Anzahl der Apotheken macht dies möglich. Ja es ist mit Be¬
stimmtheit anzunehmen, daß obige Taxansätze, welche den heutigen Geldverhält-


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[0029] Unsre Apotheken. der Arzt wohl sagen, wenn sein Rezept nach dem Papierwertc oder seine ge¬ machte Operation nach dem Verbrauche von Chloroform tcixirt würde? Thatsache ist, daß die ärztlichen Verordnungen nnr in Ausnahmefällen, bei Anwendung teurer Medikamente, den Preis von einer Mark übersteigen; der Durchschnittspreis ist sechzig bis achtzig Pfennige. Dieser Preis ist nicht soviel, als der Schuhmacher für einen Absatz rechnet. Nach heutigen Geld- verhältnissen ist die Arzcneitcixe sogar recht niedrig. Um beurteilen zu können, wie mäßig die Arzeneitaxe gegenüber den Taxen andrer Gewerbtreibenden ist, nehme man nur einmal die preußische Arzeneitaxe zur Hand. Das Minimum eines Preises ist drei Pfennige. (In Hamburg fünf Pfennige.) Das Auflösen von Ölzucker, Gummi, Pulvern, Seifen ze. kostet zehn Pfennige. Dabei wird ein Mörser verunreinigt, die Arbeit will auch gemacht sein. Die Anfertigung eines Salepschleimes kostet zehn Pfennige. Hierzu muß destillirtes Wasser heiß gemacht werden, dann wird der Salep in einer Flasche mit dem Wasser eine Viertelstunde lang heiß geschüttelt. Damit keine Klümpchen entstehen, bedarf es verschiedner Vorsichtsmaßregeln. Dann wird die warme Flüssigkeit kalt gestellt, und nnn erst können etwaige Zusätze gemacht werden. Die Auflösung eines Salzes kostet fünfzehn Pfennige. Hierbei ist ein Trichter zu verwenden, der dann wieder zu reinigen ist, und das nötige chemisch reine Filtrirpapier. Das Anstoßen einer Pillenmasse, oft eine sehr zeitraubende und schwierige Arbeit, kostet zehn Pfennige. Es würde zu weit führen, hier alle Ansätze der Taxe zu notiren. Die angeführten Beispiele ge¬ nügen wohl, um zu zeigen, wie die ganze Taxe sich nur in Pfennigen bewegt. Der höchste Satz für eine Arbeit in derselben ist fünfundzwanzig Pfennige, nämlich bei Abkochungen (zu welchen aber das destillirte Wasser umsonst ge¬ geben werden muß) und für Bereitung von Emulsionen. Die Sätze gelten auch für die nächtliche Arbeit, denn, entgegen aller Billigkeit, giebt es keine Nachttaxc. Zu obigen Arbeitspreisen kommt nun die Entschädigung für die aufgewen¬ deten Waaren. Die allermeisten sind nicht teuer und werden nur in kleinern Quantitäten verordnet, daß der Ansatz des Minimums drei Pfennigen gegeben ist. Mitunter freilich auch vier und fünf Pfennige und noch mehr. Durch die Addition jener Arbeitspreise, jener Waarenpfenuige und die Gefäßeutschädiguug entstehen dann die sechzig bis achtzig Pfennige, welche eine ärztliche Ver¬ ordnung kostet. Da es genug Apotheken giebt, welche mit sechs bis zehn Rezepten täglich existiren müssen, so ist es kaum billiger zu machen. Die Vvrciussetzuug aber, als werde eine Vermehrung der Apotheke» auf dem Wege der „Freiheit" dem Publikum billigere Preise bringen, ist müßig. Kein Dienstmann arbeitet für das Geld, welches heute ein Apotheker für seine Arbeit bekommt, und nur die beschränkte Anzahl der Apotheken macht dies möglich. Ja es ist mit Be¬ stimmtheit anzunehmen, daß obige Taxansätze, welche den heutigen Geldverhält-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/29>, abgerufen am 22.12.2024.