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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Apotheken,

der diese Verhältnisse geschaffen hat, nicht die Eigentümer der Apotheken, daß
der Staat vielmehr bisher die freie Niederlassung verbot und den Apotheker
zwang, wenn er sein Gewerbe betreiben wollte, ein bestehendes Geschäft zu er¬
kaufen, dann müssen wir doch zu dem Schlüsse kommen, daß jede Schädigung
der heutigen Apothekenbesitzcr durch Veränderungen in der Gesetzgebung auch
eine volle Entschädigung zur Folge haben muß.

Die Einwendung, daß man früher auch die Mühlcngerechtigkeiten und
andre Eigentumstitel ohne Entschädigung aufgehoben habe, ist nicht stichhaltig.
Wenn man früher einmal ungerecht gehandelt hat, so braucht man es doch
nicht heute zu thun; man ist heute doch im allgemeinen gerechter geworden, die
Welt schreitet sittlich vorwärts.

Lassen wir indes hier die Frage der Entschädigung auf sich beruhen, sehen
wir vielmehr, welche Schattenseiten die heutigen Besitzverhältnisse gezeitigt haben,
und ob die freie Niederlassung notwendig auch eine Besserung bringen werde.

Wie es überhaupt nichts Vollkommenes giebt, so hat anch das jetzige
System der Beschränkung der freien Niederlassung im Apothckerstande gewiß
große Übelstände. Der junge Apotheker ohne Vermögen ist aussichtslos. Er
muß entweder dauernd als Gehilfe dienen und erhält dann im günstigsten
Falle einmal eine Konzession. Oder er muß vom Fache abgehen und ein
andres ergreifen. Der vermögende Apotheker dagegen ist gezwungen, ein be¬
stehendes Geschäft zu kaufen. Das ist aber oft leichter gesagt als gethan.
Da es stets mehr Kanfliebhaber geben wird als Verkäufer, so sind die Preise
oft recht hoch, anch hier regeln Nachfrage und Angebot den Preis. Oft ist
es überhaupt nur der große Kapitalgewinn, welcher den Besitzer zum Verkaufe
verlockt. Kann also der betreffende Käufer nicht warten, oder steift er sich
darauf, in einem bestimmten Orte zu wohne", dann werden oft recht hohe
Preise bezahlt, und der Geschäftsgewinn ist dann anch darnach. Dies sind die
Nachteile, welche die Apotheken als solche treffen. Das Publikum wird davon
nicht berührt.

Es wird wohl behauptet, das Publikum müsse diese hohen Werte ver¬
zinsen, doch ist die Behauptung einfach thöricht. Der Apotheker berechnet die
ärztlichen Verordnungen nach staatlicher Arzneitaxe, und diese ist niedrig genug,
wie wir noch ausführen werden. Daß das Publikum, nachdem eine Apotheke
irgend eines Ortes mit großem Nutzen verkauft worden ist, nunmehr dieses
Plus am Preise verzinsen müsse, davon kann keine Rede sein.

Der Übelstand der hohen Apvthekenpreise wird nicht abzuändern sein. Es
ist ein Geschäft, wenn jemand eine Apotheke kauft. So wenig sich der Staat
in die Verkäufe der Häuser und Landgüter mischt, so wenig ist es seine Sache,
sich um die Preise der Apotheken zu bekümmern. Hat der Käufer sich über¬
eilt, hat er leichtsinnig gehandelt, so muß er eben sehen, wie er fertig wird.

Mit den Apothekern ohne Vermögen ist es freilich anders. Aber auch


Unsre Apotheken,

der diese Verhältnisse geschaffen hat, nicht die Eigentümer der Apotheken, daß
der Staat vielmehr bisher die freie Niederlassung verbot und den Apotheker
zwang, wenn er sein Gewerbe betreiben wollte, ein bestehendes Geschäft zu er¬
kaufen, dann müssen wir doch zu dem Schlüsse kommen, daß jede Schädigung
der heutigen Apothekenbesitzcr durch Veränderungen in der Gesetzgebung auch
eine volle Entschädigung zur Folge haben muß.

Die Einwendung, daß man früher auch die Mühlcngerechtigkeiten und
andre Eigentumstitel ohne Entschädigung aufgehoben habe, ist nicht stichhaltig.
Wenn man früher einmal ungerecht gehandelt hat, so braucht man es doch
nicht heute zu thun; man ist heute doch im allgemeinen gerechter geworden, die
Welt schreitet sittlich vorwärts.

Lassen wir indes hier die Frage der Entschädigung auf sich beruhen, sehen
wir vielmehr, welche Schattenseiten die heutigen Besitzverhältnisse gezeitigt haben,
und ob die freie Niederlassung notwendig auch eine Besserung bringen werde.

Wie es überhaupt nichts Vollkommenes giebt, so hat anch das jetzige
System der Beschränkung der freien Niederlassung im Apothckerstande gewiß
große Übelstände. Der junge Apotheker ohne Vermögen ist aussichtslos. Er
muß entweder dauernd als Gehilfe dienen und erhält dann im günstigsten
Falle einmal eine Konzession. Oder er muß vom Fache abgehen und ein
andres ergreifen. Der vermögende Apotheker dagegen ist gezwungen, ein be¬
stehendes Geschäft zu kaufen. Das ist aber oft leichter gesagt als gethan.
Da es stets mehr Kanfliebhaber geben wird als Verkäufer, so sind die Preise
oft recht hoch, anch hier regeln Nachfrage und Angebot den Preis. Oft ist
es überhaupt nur der große Kapitalgewinn, welcher den Besitzer zum Verkaufe
verlockt. Kann also der betreffende Käufer nicht warten, oder steift er sich
darauf, in einem bestimmten Orte zu wohne», dann werden oft recht hohe
Preise bezahlt, und der Geschäftsgewinn ist dann anch darnach. Dies sind die
Nachteile, welche die Apotheken als solche treffen. Das Publikum wird davon
nicht berührt.

Es wird wohl behauptet, das Publikum müsse diese hohen Werte ver¬
zinsen, doch ist die Behauptung einfach thöricht. Der Apotheker berechnet die
ärztlichen Verordnungen nach staatlicher Arzneitaxe, und diese ist niedrig genug,
wie wir noch ausführen werden. Daß das Publikum, nachdem eine Apotheke
irgend eines Ortes mit großem Nutzen verkauft worden ist, nunmehr dieses
Plus am Preise verzinsen müsse, davon kann keine Rede sein.

Der Übelstand der hohen Apvthekenpreise wird nicht abzuändern sein. Es
ist ein Geschäft, wenn jemand eine Apotheke kauft. So wenig sich der Staat
in die Verkäufe der Häuser und Landgüter mischt, so wenig ist es seine Sache,
sich um die Preise der Apotheken zu bekümmern. Hat der Käufer sich über¬
eilt, hat er leichtsinnig gehandelt, so muß er eben sehen, wie er fertig wird.

Mit den Apothekern ohne Vermögen ist es freilich anders. Aber auch


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[0023] Unsre Apotheken, der diese Verhältnisse geschaffen hat, nicht die Eigentümer der Apotheken, daß der Staat vielmehr bisher die freie Niederlassung verbot und den Apotheker zwang, wenn er sein Gewerbe betreiben wollte, ein bestehendes Geschäft zu er¬ kaufen, dann müssen wir doch zu dem Schlüsse kommen, daß jede Schädigung der heutigen Apothekenbesitzcr durch Veränderungen in der Gesetzgebung auch eine volle Entschädigung zur Folge haben muß. Die Einwendung, daß man früher auch die Mühlcngerechtigkeiten und andre Eigentumstitel ohne Entschädigung aufgehoben habe, ist nicht stichhaltig. Wenn man früher einmal ungerecht gehandelt hat, so braucht man es doch nicht heute zu thun; man ist heute doch im allgemeinen gerechter geworden, die Welt schreitet sittlich vorwärts. Lassen wir indes hier die Frage der Entschädigung auf sich beruhen, sehen wir vielmehr, welche Schattenseiten die heutigen Besitzverhältnisse gezeitigt haben, und ob die freie Niederlassung notwendig auch eine Besserung bringen werde. Wie es überhaupt nichts Vollkommenes giebt, so hat anch das jetzige System der Beschränkung der freien Niederlassung im Apothckerstande gewiß große Übelstände. Der junge Apotheker ohne Vermögen ist aussichtslos. Er muß entweder dauernd als Gehilfe dienen und erhält dann im günstigsten Falle einmal eine Konzession. Oder er muß vom Fache abgehen und ein andres ergreifen. Der vermögende Apotheker dagegen ist gezwungen, ein be¬ stehendes Geschäft zu kaufen. Das ist aber oft leichter gesagt als gethan. Da es stets mehr Kanfliebhaber geben wird als Verkäufer, so sind die Preise oft recht hoch, anch hier regeln Nachfrage und Angebot den Preis. Oft ist es überhaupt nur der große Kapitalgewinn, welcher den Besitzer zum Verkaufe verlockt. Kann also der betreffende Käufer nicht warten, oder steift er sich darauf, in einem bestimmten Orte zu wohne», dann werden oft recht hohe Preise bezahlt, und der Geschäftsgewinn ist dann anch darnach. Dies sind die Nachteile, welche die Apotheken als solche treffen. Das Publikum wird davon nicht berührt. Es wird wohl behauptet, das Publikum müsse diese hohen Werte ver¬ zinsen, doch ist die Behauptung einfach thöricht. Der Apotheker berechnet die ärztlichen Verordnungen nach staatlicher Arzneitaxe, und diese ist niedrig genug, wie wir noch ausführen werden. Daß das Publikum, nachdem eine Apotheke irgend eines Ortes mit großem Nutzen verkauft worden ist, nunmehr dieses Plus am Preise verzinsen müsse, davon kann keine Rede sein. Der Übelstand der hohen Apvthekenpreise wird nicht abzuändern sein. Es ist ein Geschäft, wenn jemand eine Apotheke kauft. So wenig sich der Staat in die Verkäufe der Häuser und Landgüter mischt, so wenig ist es seine Sache, sich um die Preise der Apotheken zu bekümmern. Hat der Käufer sich über¬ eilt, hat er leichtsinnig gehandelt, so muß er eben sehen, wie er fertig wird. Mit den Apothekern ohne Vermögen ist es freilich anders. Aber auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/23>, abgerufen am 01.07.2024.