Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Unsre Apotheken, Über das beste Vermögen des Menschen unzulänglich ist. Der Glaube an die Alles dies sind doch nicht bloß Verlegenheiten, sondern schwere Hindernisse, Unsre Apotheken. eit 1848, also ein Menschenalter hindurch, werden die Volks¬ Unsre Apotheken, Über das beste Vermögen des Menschen unzulänglich ist. Der Glaube an die Alles dies sind doch nicht bloß Verlegenheiten, sondern schwere Hindernisse, Unsre Apotheken. eit 1848, also ein Menschenalter hindurch, werden die Volks¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200125"/> <fw type="header" place="top"> Unsre Apotheken,</fw><lb/> <p xml:id="ID_49" prev="#ID_48"> Über das beste Vermögen des Menschen unzulänglich ist. Der Glaube an die<lb/> Ausgleichung dieser Unzulänglichkeit durch Christus ist die Voraussetzung allen<lb/> sittlichen Wertes und sittlichen Strebens. Daher die Lehre: Aus dem Glauben<lb/> die Werke, Aber die Höhe eines solchen ethischen Standpunktes ist nicht der<lb/> Anfang, sondern das Ende der Entwicklung, Die christliche Ethik in der Form<lb/> des evangelischen Bekenntnisses ist einer höhern Klasse zu vergleichen, welche<lb/> Vorklassen voraussetzt. Die römische Kirche, welche ihre Vvrklasscn in die Or¬<lb/> ganisation aufgenommen hat, ist gewissermaßen im Vorteile, wenn sie auch der<lb/> Gefahr nicht entgeht, auf einer tiefern Stufe ethischer Erkenntnis sitzen zu<lb/> bleiben, Luther setzt bei seiner Kirchenlehre die „christliche Obrigkeit," den christ¬<lb/> lichen Staat nach mittelalterlichen Staatsbegriffe voraus. Die Territvrial-<lb/> herrschaft über eine gemischte Bevölkerung kennt er nicht, und so weist er dem<lb/> Staate kirchliche Funktionen, gleichsam das alte Testament zu. Der moderne<lb/> Staat muß diese Aufgabe ablehnen. Somit hat die evangelische Kirche einen<lb/> Teil dessen verloren, was ihr zur Unterlage diente. Sie muß die Arbeit selbst<lb/> übernehmen, ist aber darauf nicht eingerichtet und in der Methode nicht geübt.<lb/> Wenigstens gleicht mancher brave Pastor dem Lehrer einer höhern Klasse, der<lb/> das Abc lehren soll und es zu lehren verlernt hat. Was aber das schlimmere ist:<lb/> die evangelische Kirche kann die so wenig gewürdigte und verstandene Höhe der<lb/> sittlichen Anforderung nicht herabmindern, ohne sich selbst preiszugeben. Sie<lb/> würde als Lehrerin des Volles mehr wirken, wenn sie sich der Lehre vom<lb/> opu« opgratuw der katholischen Kirche nähern wollte, aber das kann sie nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_50"> Alles dies sind doch nicht bloß Verlegenheiten, sondern schwere Hindernisse,<lb/> an deren Bewältigung noch manches Geschlecht wird arbeiten müssen. Der<lb/> Verfasser betont zum Schlüsse, daß es bei Professoren und Pfarrern darauf<lb/> ankomme, daß alle ihre hohe Aufgabe immer bewußter und tiefer erfassen und<lb/> durchführen. Vor allem bedürfe die Kirche tüchtiger Pfarrer, Nicht Gelehrte,<lb/> uicht Advokaten des Christentums solle» sie sein, sondern lebendige, frohe Zeugen<lb/> des Evangeliums, geschult durch die Wissenschaft, ausgestattet mit Weltkenntnis<lb/> und Menschenkenntnis, gesalbt mit dein Geiste, treu, stark, frei. Indem wir da<lb/><note type="byline"> in. A</note> Wort „frei" im christlichen Sinne fassen, stimme» wir dem zu, s</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Unsre Apotheken.</head><lb/> <p xml:id="ID_51" next="#ID_52"> eit 1848, also ein Menschenalter hindurch, werden die Volks¬<lb/> vertretungen von Zeit zu Zeit mit Petitionen in Sachen der<lb/> Apothckengcsetzgebung bestürmt, welche auf Freigebung der bisher<lb/> beschränkten Niederlassung in diesem Gewerbe gerichtet sind, E<s<lb/> dürfte daher eine objektive Darlegung der bestehenden Verhältnisse<lb/> in diesen Blättern nicht überflüssig erscheinen. Auch hier spielt sich ein Stück</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Unsre Apotheken,
Über das beste Vermögen des Menschen unzulänglich ist. Der Glaube an die
Ausgleichung dieser Unzulänglichkeit durch Christus ist die Voraussetzung allen
sittlichen Wertes und sittlichen Strebens. Daher die Lehre: Aus dem Glauben
die Werke, Aber die Höhe eines solchen ethischen Standpunktes ist nicht der
Anfang, sondern das Ende der Entwicklung, Die christliche Ethik in der Form
des evangelischen Bekenntnisses ist einer höhern Klasse zu vergleichen, welche
Vorklassen voraussetzt. Die römische Kirche, welche ihre Vvrklasscn in die Or¬
ganisation aufgenommen hat, ist gewissermaßen im Vorteile, wenn sie auch der
Gefahr nicht entgeht, auf einer tiefern Stufe ethischer Erkenntnis sitzen zu
bleiben, Luther setzt bei seiner Kirchenlehre die „christliche Obrigkeit," den christ¬
lichen Staat nach mittelalterlichen Staatsbegriffe voraus. Die Territvrial-
herrschaft über eine gemischte Bevölkerung kennt er nicht, und so weist er dem
Staate kirchliche Funktionen, gleichsam das alte Testament zu. Der moderne
Staat muß diese Aufgabe ablehnen. Somit hat die evangelische Kirche einen
Teil dessen verloren, was ihr zur Unterlage diente. Sie muß die Arbeit selbst
übernehmen, ist aber darauf nicht eingerichtet und in der Methode nicht geübt.
Wenigstens gleicht mancher brave Pastor dem Lehrer einer höhern Klasse, der
das Abc lehren soll und es zu lehren verlernt hat. Was aber das schlimmere ist:
die evangelische Kirche kann die so wenig gewürdigte und verstandene Höhe der
sittlichen Anforderung nicht herabmindern, ohne sich selbst preiszugeben. Sie
würde als Lehrerin des Volles mehr wirken, wenn sie sich der Lehre vom
opu« opgratuw der katholischen Kirche nähern wollte, aber das kann sie nicht.
Alles dies sind doch nicht bloß Verlegenheiten, sondern schwere Hindernisse,
an deren Bewältigung noch manches Geschlecht wird arbeiten müssen. Der
Verfasser betont zum Schlüsse, daß es bei Professoren und Pfarrern darauf
ankomme, daß alle ihre hohe Aufgabe immer bewußter und tiefer erfassen und
durchführen. Vor allem bedürfe die Kirche tüchtiger Pfarrer, Nicht Gelehrte,
uicht Advokaten des Christentums solle» sie sein, sondern lebendige, frohe Zeugen
des Evangeliums, geschult durch die Wissenschaft, ausgestattet mit Weltkenntnis
und Menschenkenntnis, gesalbt mit dein Geiste, treu, stark, frei. Indem wir da
in. A Wort „frei" im christlichen Sinne fassen, stimme» wir dem zu, s
Unsre Apotheken.
eit 1848, also ein Menschenalter hindurch, werden die Volks¬
vertretungen von Zeit zu Zeit mit Petitionen in Sachen der
Apothckengcsetzgebung bestürmt, welche auf Freigebung der bisher
beschränkten Niederlassung in diesem Gewerbe gerichtet sind, E<s
dürfte daher eine objektive Darlegung der bestehenden Verhältnisse
in diesen Blättern nicht überflüssig erscheinen. Auch hier spielt sich ein Stück
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