Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Kleinere Mitteilungen. jugendlichen Christentum!.' eine Arbeit, "die erfahrungsmäßig erst in Menschen- Doch es verbietet sich von selbst, dem Verfasser hier in seine Untersuchungen Kleinere Mitteilungen. jugendlichen Christentum!.' eine Arbeit, „die erfahrungsmäßig erst in Menschen- Doch es verbietet sich von selbst, dem Verfasser hier in seine Untersuchungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200300"/> <fw type="header" place="top"> Kleinere Mitteilungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_558" prev="#ID_557"> jugendlichen Christentum!.' eine Arbeit, „die erfahrungsmäßig erst in Menschen-<lb/> altern ausgeführt werden kaun-" Denn hier reichten die Sprüche der Bergpredigt<lb/> nicht ans- Während man sich die feste Einprägung und Befolgung der Sitten-<lb/> gebote Christi, sowie die Erweckung des sichern Glaubens an Christum angelegen<lb/> sein ließ und in dieser Hinsicht Schwanken und Verschiedenheiten ausschloß, gab<lb/> es im Sinne einer geschlossenen Theorie überhaupt keine in den Gemeinden giltige<lb/> Glaubenslehre; die Spekulationen auch nahe verbundener christlicher Schriftsteller<lb/> in dieser Periode weisen die größten Verschiedenheiten auf; die schrecklichen oder<lb/> trostreichen Phantasien über die Zukunft galten ebensowohl für heilige Erkenntnisse<lb/> wie die verständige» und nüchternen Reflexionen und die erbaulichen Deutungen<lb/> alttestamentlicher Sprüche- Die Sorglosigkeit, mit der Gott und Jesus für ein¬<lb/> ander gesetzt werden, zeigt, wie wenig Bedürfnis nach logischer Schärfe in diesem<lb/> Gebiete bestand; doch zeigt sich wenigstens im ersten Jahrhundert nirgends ein<lb/> sicheres Beispiel, daß direkt zu Jesu gebetet worden wäre- Entweder nahm man<lb/> an, Jesus sei ein Mensch, den Gott erwählt und wegen seiner Bewährung adoptirt<lb/> und in eine Herrscherstellung gesetzt habe, oder Jesus sei ein himmlisches Geist¬<lb/> wesen, das höchste nach Gott, das Fleisch angenommen habe und wieder in den<lb/> Himmel zurückgekehrt sei. Daß diese beiden Auffassungen sich streng genommen<lb/> ausschließen, war nicht bekannt; von zwei Naturen in Jesu war noch nicht die<lb/> Rede- Jesus als einen puren Menschen zu bezeichnen, war stets anstößig gewesen,<lb/> viel eher konnte man ihn Gott gleichsetzen. Von der Himmelfahrt Jesu stellt<lb/> Hnruack fest, daß sie weder bei Paulus, noch bei Clemens, Jgmitius, Heraus<lb/> vorkommt und keinesfalls zu der ältesten Verkündigung gehört hat. Das ist wieder<lb/> ein ernüchternder Umstand für viele. Vor Jahren, als ein Kousistvrialpräsident<lb/> den alten Dr. Sydvw zu Berlin auf Ketzerei iuquirirte und mit schmerzlichem Be¬<lb/> dauern die Frage an ihn richtete: Also Herr Doktor, Sie glauben nicht nu eine<lb/> leibliche Himmelfahrt Jesu? da war es ihm wohl nicht gegenwärtig, daß jene ohne<lb/> Zweifel kundigen Christen, Paulus und die andern genannten, die Himmelfahrt<lb/> Jesu nicht zu keimen scheinen. Auch wohl nicht der Umstand, daß Lukas die<lb/> Himmelfahrt auf den Anferstchnngstag verlegt, andre zwischen beiden Ereignissen<lb/> vierzig Tage, andre achtzehn Monate, andre fünfhundertfünfnndvierzig Tage, andre<lb/> elf Jahre verstreichen lassen. Das ist nun alles zwar nicht maßgebend für die<lb/> endliche Fassung der Dogmatik, aber es lehrt uns eine gewisse Bescheidenheit in<lb/> Bezug auf das Maß unsers Wissens von den Heiisthatsachen. Ebenso lehrreich<lb/> ist für die gegenwärtige Ueberladung der Abendmahlsbegrisfe die einfache Art der<lb/> «rchristlicheu Kultushandlungen und ihre Auffassung, wie sie namentlich aus der jüngst<lb/> aufgefundenen „Lehre der zwölf Apostel" sich klar ergiebt (Harnack, S. 1ü2).</p><lb/> <p xml:id="ID_559"> Doch es verbietet sich von selbst, dem Verfasser hier in seine Untersuchungen<lb/> zu folgen. Das muß an andern Orten geschehen. Wir haben überall den Ein¬<lb/> druck, daß hier wieder ein Beispiel echt deutscher Gründlichkeit vorliegt, dem much<lb/> die Gabe klarer und würdiger Rede nicht fehlt. Der Verfasser ist in seinem ganzen<lb/> großen Gebiete selbständig. Am meisten hat uns seine Behandlung von Clemens<lb/> Alexandrinus und Origenes angezogen. Bei seinem Kapitel über Methodius<lb/> müssen wir ihm zustimmen, daß hier ein Haltepunkt gemacht werden muß und<lb/> nicht erst uach früheren Brauche bei Johanne/ Damascenus. Schon bei Methodins<lb/> sind alle Voraussetzungen der mittelalterlichen Theologie vorhanden. Möchte es<lb/> dem Verfasser, der unlängst von Gießen nach Marburg berufe» worden ist, be-<lb/> schieden sein, in der neuen Heimat sein Werk rüstig zu fördern und bald zu vollenden-</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0195]
Kleinere Mitteilungen.
jugendlichen Christentum!.' eine Arbeit, „die erfahrungsmäßig erst in Menschen-
altern ausgeführt werden kaun-" Denn hier reichten die Sprüche der Bergpredigt
nicht ans- Während man sich die feste Einprägung und Befolgung der Sitten-
gebote Christi, sowie die Erweckung des sichern Glaubens an Christum angelegen
sein ließ und in dieser Hinsicht Schwanken und Verschiedenheiten ausschloß, gab
es im Sinne einer geschlossenen Theorie überhaupt keine in den Gemeinden giltige
Glaubenslehre; die Spekulationen auch nahe verbundener christlicher Schriftsteller
in dieser Periode weisen die größten Verschiedenheiten auf; die schrecklichen oder
trostreichen Phantasien über die Zukunft galten ebensowohl für heilige Erkenntnisse
wie die verständige» und nüchternen Reflexionen und die erbaulichen Deutungen
alttestamentlicher Sprüche- Die Sorglosigkeit, mit der Gott und Jesus für ein¬
ander gesetzt werden, zeigt, wie wenig Bedürfnis nach logischer Schärfe in diesem
Gebiete bestand; doch zeigt sich wenigstens im ersten Jahrhundert nirgends ein
sicheres Beispiel, daß direkt zu Jesu gebetet worden wäre- Entweder nahm man
an, Jesus sei ein Mensch, den Gott erwählt und wegen seiner Bewährung adoptirt
und in eine Herrscherstellung gesetzt habe, oder Jesus sei ein himmlisches Geist¬
wesen, das höchste nach Gott, das Fleisch angenommen habe und wieder in den
Himmel zurückgekehrt sei. Daß diese beiden Auffassungen sich streng genommen
ausschließen, war nicht bekannt; von zwei Naturen in Jesu war noch nicht die
Rede- Jesus als einen puren Menschen zu bezeichnen, war stets anstößig gewesen,
viel eher konnte man ihn Gott gleichsetzen. Von der Himmelfahrt Jesu stellt
Hnruack fest, daß sie weder bei Paulus, noch bei Clemens, Jgmitius, Heraus
vorkommt und keinesfalls zu der ältesten Verkündigung gehört hat. Das ist wieder
ein ernüchternder Umstand für viele. Vor Jahren, als ein Kousistvrialpräsident
den alten Dr. Sydvw zu Berlin auf Ketzerei iuquirirte und mit schmerzlichem Be¬
dauern die Frage an ihn richtete: Also Herr Doktor, Sie glauben nicht nu eine
leibliche Himmelfahrt Jesu? da war es ihm wohl nicht gegenwärtig, daß jene ohne
Zweifel kundigen Christen, Paulus und die andern genannten, die Himmelfahrt
Jesu nicht zu keimen scheinen. Auch wohl nicht der Umstand, daß Lukas die
Himmelfahrt auf den Anferstchnngstag verlegt, andre zwischen beiden Ereignissen
vierzig Tage, andre achtzehn Monate, andre fünfhundertfünfnndvierzig Tage, andre
elf Jahre verstreichen lassen. Das ist nun alles zwar nicht maßgebend für die
endliche Fassung der Dogmatik, aber es lehrt uns eine gewisse Bescheidenheit in
Bezug auf das Maß unsers Wissens von den Heiisthatsachen. Ebenso lehrreich
ist für die gegenwärtige Ueberladung der Abendmahlsbegrisfe die einfache Art der
«rchristlicheu Kultushandlungen und ihre Auffassung, wie sie namentlich aus der jüngst
aufgefundenen „Lehre der zwölf Apostel" sich klar ergiebt (Harnack, S. 1ü2).
Doch es verbietet sich von selbst, dem Verfasser hier in seine Untersuchungen
zu folgen. Das muß an andern Orten geschehen. Wir haben überall den Ein¬
druck, daß hier wieder ein Beispiel echt deutscher Gründlichkeit vorliegt, dem much
die Gabe klarer und würdiger Rede nicht fehlt. Der Verfasser ist in seinem ganzen
großen Gebiete selbständig. Am meisten hat uns seine Behandlung von Clemens
Alexandrinus und Origenes angezogen. Bei seinem Kapitel über Methodius
müssen wir ihm zustimmen, daß hier ein Haltepunkt gemacht werden muß und
nicht erst uach früheren Brauche bei Johanne/ Damascenus. Schon bei Methodins
sind alle Voraussetzungen der mittelalterlichen Theologie vorhanden. Möchte es
dem Verfasser, der unlängst von Gießen nach Marburg berufe» worden ist, be-
schieden sein, in der neuen Heimat sein Werk rüstig zu fördern und bald zu vollenden-
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