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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Gyiimasmlnnterricht und Fachbildung.

zeit in zwei bis drei Abschnitte teilen, ohne daß deshalb eine Überwachung des
Kvllegicnbcsnchs nötig wäre. Diese Zwischenprüfungen (teuwrnina.) würden
nicht nur den Studenten selbst einen nützlichen Anhalt sür die eigne Beurteilung
ihrer Fortschritte gewähren -- ein Anhalt, der ihnen jetzt in der langen Reihe
von Semestern fehlt und dessen Mangel ihre Vorbereitung auf die Schluß-
Prüfung erschwert --, sondern sie würden auch den Anreiz geben, bei den vor¬
bereitenden Studien nicht übermäßig lange zu verweilen, und mittelbar ans eine
Ausnutzung des uns der Hochschule erteilten Unterrichts hinwirken. Derartige
Prüfungen bestehe" bereits auf verschiednen Universitäten für die Erwerbung
von Stipendien. Auch das tonwmsn M^Liona, der Mediziner teilt bereits
die medizinische Studienzeit in zwei Abschnitte.

Noch mehr Examina! höre ich ausrufen. Haben wir deren nicht schon
übergenug? Ich keime sehr Wohl die Abneigung, die vielervrten gegen unser
Prüfungsshstem besteht, und teile selbst die geringe Meinung, die von der
Nichtigkeit einer solchen Wertnbschätzung gehegt wird. Gewiß geben die
Prüfungen, welche Schule und Staat veranstalten, Aulnß zu Mißbräuchen und
Täuschungen, gewiß ist es ein Übelstand, wenn die Lehrmethode mehr auf ein
glänzendes Examen als ans ein systematisches Verarbeiten zugeschnitten wird,
sicher wird auf der Schule auch von den Lehrern hierin oft gefehlt. Wie die
Verhältnisse aber liegen, bleiben die Prüfungen ein notwendiges Übel, notwendig,
weil der Staat an ihre Ablegung gewisse Berechtigungen geknüpft hat und
eine Bürgschaft verlangen muß, daß diese Berechtigungen nicht willkürlich, sondern
nach Verdienst erteilt werden. Daß dabei nicht ein Bildungsgrad bemessen, son¬
dern nur eine gewisse Menge von Wissen abgefragt werden kann, ist bedauerlich,
aber bei der Unvollkommenheit menschlicher Einrichtungen nicht zu vermeiden.
Die Teutamina ans der Hochschule würden übrigens keine sonderliche Belastung
der Prüfungskommission mit sich bringen. Sie könnten zwei bis drei Scmester-
kurse umfassen. In dem ersten Teile der Studienzeit würde Von dem Studirenden
der Besuch allgemeiner humanistischer Kollegien gefordert, und im Tentamen ein
Ausweis darüber verlangt werden. Es wären das dieselben Fächer, welche jetzt
auf der Prima, wenngleich nicht nach akademischer Lehrmethode, betrieben werden.
Hier könnten prvpndeutische Philosophie, Logik, Geschichte, Literatur- und Kunst¬
geschichte, Erd- und Völkerkunde. Nationalökonomie und, was für alle Berufs-
zweige gewiß von größtem Vorteil wäre, allgemeines Staats^ und Verwaltungs¬
recht ihren Platz finden. Auch stünde nichts im Wege, daß ein Student in den
ersten Semestern einen Wechsel in der Berufswahl vornähme. Das spezielle
Fachstudium würde erst in später" Semestern eintreten. Die Kürzung des
Schulunterrichts würde selbstverständlich zur Verlängerung des Universitäts-
studiums führen, da eine Verringerung dessen, was jetzt im Staatsexamen ge¬
fordert wird, mit diesem Vorschlage nicht bezweckt wird.

Wenn schon durch die Tenlnmiua einem Mißbrauch der akademischen Freiheit


Gyiimasmlnnterricht und Fachbildung.

zeit in zwei bis drei Abschnitte teilen, ohne daß deshalb eine Überwachung des
Kvllegicnbcsnchs nötig wäre. Diese Zwischenprüfungen (teuwrnina.) würden
nicht nur den Studenten selbst einen nützlichen Anhalt sür die eigne Beurteilung
ihrer Fortschritte gewähren — ein Anhalt, der ihnen jetzt in der langen Reihe
von Semestern fehlt und dessen Mangel ihre Vorbereitung auf die Schluß-
Prüfung erschwert —, sondern sie würden auch den Anreiz geben, bei den vor¬
bereitenden Studien nicht übermäßig lange zu verweilen, und mittelbar ans eine
Ausnutzung des uns der Hochschule erteilten Unterrichts hinwirken. Derartige
Prüfungen bestehe» bereits auf verschiednen Universitäten für die Erwerbung
von Stipendien. Auch das tonwmsn M^Liona, der Mediziner teilt bereits
die medizinische Studienzeit in zwei Abschnitte.

Noch mehr Examina! höre ich ausrufen. Haben wir deren nicht schon
übergenug? Ich keime sehr Wohl die Abneigung, die vielervrten gegen unser
Prüfungsshstem besteht, und teile selbst die geringe Meinung, die von der
Nichtigkeit einer solchen Wertnbschätzung gehegt wird. Gewiß geben die
Prüfungen, welche Schule und Staat veranstalten, Aulnß zu Mißbräuchen und
Täuschungen, gewiß ist es ein Übelstand, wenn die Lehrmethode mehr auf ein
glänzendes Examen als ans ein systematisches Verarbeiten zugeschnitten wird,
sicher wird auf der Schule auch von den Lehrern hierin oft gefehlt. Wie die
Verhältnisse aber liegen, bleiben die Prüfungen ein notwendiges Übel, notwendig,
weil der Staat an ihre Ablegung gewisse Berechtigungen geknüpft hat und
eine Bürgschaft verlangen muß, daß diese Berechtigungen nicht willkürlich, sondern
nach Verdienst erteilt werden. Daß dabei nicht ein Bildungsgrad bemessen, son¬
dern nur eine gewisse Menge von Wissen abgefragt werden kann, ist bedauerlich,
aber bei der Unvollkommenheit menschlicher Einrichtungen nicht zu vermeiden.
Die Teutamina ans der Hochschule würden übrigens keine sonderliche Belastung
der Prüfungskommission mit sich bringen. Sie könnten zwei bis drei Scmester-
kurse umfassen. In dem ersten Teile der Studienzeit würde Von dem Studirenden
der Besuch allgemeiner humanistischer Kollegien gefordert, und im Tentamen ein
Ausweis darüber verlangt werden. Es wären das dieselben Fächer, welche jetzt
auf der Prima, wenngleich nicht nach akademischer Lehrmethode, betrieben werden.
Hier könnten prvpndeutische Philosophie, Logik, Geschichte, Literatur- und Kunst¬
geschichte, Erd- und Völkerkunde. Nationalökonomie und, was für alle Berufs-
zweige gewiß von größtem Vorteil wäre, allgemeines Staats^ und Verwaltungs¬
recht ihren Platz finden. Auch stünde nichts im Wege, daß ein Student in den
ersten Semestern einen Wechsel in der Berufswahl vornähme. Das spezielle
Fachstudium würde erst in später» Semestern eintreten. Die Kürzung des
Schulunterrichts würde selbstverständlich zur Verlängerung des Universitäts-
studiums führen, da eine Verringerung dessen, was jetzt im Staatsexamen ge¬
fordert wird, mit diesem Vorschlage nicht bezweckt wird.

Wenn schon durch die Tenlnmiua einem Mißbrauch der akademischen Freiheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/172>, abgerufen am 03.07.2024.