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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Neue Theaterstücke.

Was man aber auch an dem Schauspiel auszusetzen haben mag, so wird
man dem Verfasser doch das Verdienst nicht absprechen dürfen, ein wirkungsvolles,
tüchtiges Stück hergestellt zu haben; selbst seine Fehler sind nicht geradezu
unverzeihlich, wenn mau bedenkt, wie Schriftsteller vom Schlage der Blumen¬
thal und Lubliner geradezu auf die Kopflosigkeit ihres Publikums spekuliren.
Hier ist wenigstens wieder einmal ein rechtschaffener Arbeiter, der auch zugleich
ein talentvoller Mann ist, und das thut wohl, wie viel man auch sonst ver¬
missen mag.

Die Sprache Philippis ist gebildet, wenn ihr mich ein eigentlich geistiger
Duft (ich denke nicht an o8prit, vor dem uns die Schutzgöttin des Dramas
bewahren möge!) mangelt. Unangenehm sind die vielen Fremdwörter. Warum
muß "Apropos," "Trvuble", OruLvs oölvdrss, "Malheur", "luxuriös," "hete¬
rogen," "Arrangement," "grassircnd," "t'onferireu" n. dergl. in. gesagt werde"?
Gerade auf der Bühne sollte ein reines Deutsch angestrebt werden Die "Daniela"
weist auch in dieser Beziehung einen Fortschritt gegen den "Advokaten" auf,
und so wollen wir hoffen, daß der Verfasser die Unsitte mit der Zeit ganz
überwinden wird.

Die Darstellung, welche das Schauspiel auf der Bühne des Schauspiel¬
hauses fand, war sehr lobenswert. Herr Ludwig (dessen .Haltung zuweilen etwas
Gezwungenes hat) war seiner Rolle ebenso gewachsen wie Fräulein Meder der
ihren; namentlich Fräulein Meder verfügt über einen unwiderstehlichen Ausdruck
des gedämpften Empfindens, der hier sehr zur Geltung kam. Eine außer¬
ordentliche Leistung war der Ehiugeu des Herrn Müller-Hanno -- das
gehaltene Lumpentnm konnte nicht besser zur Erscheinung komme". Auch
Herr Keßler gab die schwierige Rolle des Dr. Arndt mit großem Anstand und
überraschte im vierten Akt durch gemütvolle Wärme. Der liebenswürdige Kobold
des Schauspielhauses, Fräulein Conrad, war leider nnr mit einer unscheinbaren
Rolle bedacht; aber sie mag spielen was sie will, sie erfreut immer, bald durch
ihr schalkhaftes Lächeln und Lachen, bald dnrch den einfachen Ausdruck eiues
reinen, unbefangenen Gemüts. Die urwüchsige Anmut ihrer Bewegungen ist
immer erquickend. Das ganze Wesen der trotz aller Vorzüglichkeit wohl immer
noch entwicklungsfähigen jungen Künstlerin läßt sich mit dem Worte "traulich"
bezeichnen; auch ihre Drolligkeiten tragen die Züge der Traulichkeit an sich.
Das Zusammenspiel war, wie es auf der Bühne des Schauspielhauses bei Lust- und
Schauspielen dieser Art immer der Fall ist, vorzüglich; kein Rädchen versagte,
das vom Verfasser gebotene kam in allen Teilen zur glücklichsten Entfaltung.
Da das Stück sozusagen ein Vermächtnis des geschiedenen Intendanten ist, so
schienen alle Kräfte noch besonders ihr Bestes leisten zu wollen. Die Auf¬
nahme des Schauspiels beim Publikum war eine unbestritten herzliche (verein¬
zelte Zischlaute hämischer Gesellen wurden vollständig überwältigt), der Autor
und die Darsteller wurden nach jedem Akte zu wiederholte": malen gerufen.


Neue Theaterstücke.

Was man aber auch an dem Schauspiel auszusetzen haben mag, so wird
man dem Verfasser doch das Verdienst nicht absprechen dürfen, ein wirkungsvolles,
tüchtiges Stück hergestellt zu haben; selbst seine Fehler sind nicht geradezu
unverzeihlich, wenn mau bedenkt, wie Schriftsteller vom Schlage der Blumen¬
thal und Lubliner geradezu auf die Kopflosigkeit ihres Publikums spekuliren.
Hier ist wenigstens wieder einmal ein rechtschaffener Arbeiter, der auch zugleich
ein talentvoller Mann ist, und das thut wohl, wie viel man auch sonst ver¬
missen mag.

Die Sprache Philippis ist gebildet, wenn ihr mich ein eigentlich geistiger
Duft (ich denke nicht an o8prit, vor dem uns die Schutzgöttin des Dramas
bewahren möge!) mangelt. Unangenehm sind die vielen Fremdwörter. Warum
muß „Apropos," „Trvuble", OruLvs oölvdrss, „Malheur", „luxuriös," „hete¬
rogen," „Arrangement," „grassircnd," „t'onferireu" n. dergl. in. gesagt werde»?
Gerade auf der Bühne sollte ein reines Deutsch angestrebt werden Die „Daniela"
weist auch in dieser Beziehung einen Fortschritt gegen den „Advokaten" auf,
und so wollen wir hoffen, daß der Verfasser die Unsitte mit der Zeit ganz
überwinden wird.

Die Darstellung, welche das Schauspiel auf der Bühne des Schauspiel¬
hauses fand, war sehr lobenswert. Herr Ludwig (dessen .Haltung zuweilen etwas
Gezwungenes hat) war seiner Rolle ebenso gewachsen wie Fräulein Meder der
ihren; namentlich Fräulein Meder verfügt über einen unwiderstehlichen Ausdruck
des gedämpften Empfindens, der hier sehr zur Geltung kam. Eine außer¬
ordentliche Leistung war der Ehiugeu des Herrn Müller-Hanno — das
gehaltene Lumpentnm konnte nicht besser zur Erscheinung komme». Auch
Herr Keßler gab die schwierige Rolle des Dr. Arndt mit großem Anstand und
überraschte im vierten Akt durch gemütvolle Wärme. Der liebenswürdige Kobold
des Schauspielhauses, Fräulein Conrad, war leider nnr mit einer unscheinbaren
Rolle bedacht; aber sie mag spielen was sie will, sie erfreut immer, bald durch
ihr schalkhaftes Lächeln und Lachen, bald dnrch den einfachen Ausdruck eiues
reinen, unbefangenen Gemüts. Die urwüchsige Anmut ihrer Bewegungen ist
immer erquickend. Das ganze Wesen der trotz aller Vorzüglichkeit wohl immer
noch entwicklungsfähigen jungen Künstlerin läßt sich mit dem Worte „traulich"
bezeichnen; auch ihre Drolligkeiten tragen die Züge der Traulichkeit an sich.
Das Zusammenspiel war, wie es auf der Bühne des Schauspielhauses bei Lust- und
Schauspielen dieser Art immer der Fall ist, vorzüglich; kein Rädchen versagte,
das vom Verfasser gebotene kam in allen Teilen zur glücklichsten Entfaltung.
Da das Stück sozusagen ein Vermächtnis des geschiedenen Intendanten ist, so
schienen alle Kräfte noch besonders ihr Bestes leisten zu wollen. Die Auf¬
nahme des Schauspiels beim Publikum war eine unbestritten herzliche (verein¬
zelte Zischlaute hämischer Gesellen wurden vollständig überwältigt), der Autor
und die Darsteller wurden nach jedem Akte zu wiederholte«: malen gerufen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/342>, abgerufen am 28.09.2024.