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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz.

erkannt wird. Es ist dies die Erwähnung der Bodenverteilung in Mecklenburg
(S. 540). Es ist wahr, daß es dort einen eigentlichen Bauernstand nicht giebt,
ebensowenig (außerhalb des Gebietes der Städte) einen Stand kleiner und
kleinster Besitzer. Dafür bestehen aber dort die alten Erbpacht-Verhältnisse
noch fort, was doch alsbald ein andres Bild giebt. Auch ist immerhin zu er¬
wähnen, daß eine gewisse, wenn auch freilich nur kleine Anzahl von Rittergütern
sich durch Kauf in den Händen von Bauerschaften befindet, die ihrerseits alle
ritterschaftlichen Rechte ausüben.

Nach diesen Berichtigungen möchte ich nun aber weiterhin auch die ge¬
samte Darstellung und die aus derselben gewonnenen Schlußfolgerungen in
einigen Punkten bekämpfen. Mit Recht scheidet der Herr Verfasser unter den
Ursachen, aus denen die "Not vieler Landwirte" (diese erkennt er an, während
die "Not der Landwirtschaft" ihm zweifelhaft bleibt) hervorgehe, die auf schlechten
Preisen und auf zu starkem Verbrauch der Landwirte beruhenden von denen,
welche ans ungenügender Grundrente, d. h. also aus zu hohem Preise, fließen.
Es soll nun ohne weiteres anerkannt werden, daß der in den fünfziger und
sechziger Jahren für ländliche Besitzungen bezahlte Preis durchgehends ein viel
zu hoher war, und daß dieser Punkt in sehr vielen Fällen den Haupt- oder
selbst den einzigen Grund der allerwürts ertönender bittern Klagen bildet. Aber
der Herr Verfasser gelangt mit seinem Satze: "Du hast dich eben verspekulirt
und mußt nun in einer entsprechenden Verringerung deines Vermögens den
Schaden tragen," doch zu einer schiefen Auffassung. Vor allem kaun man den
Umstand, daß jemand an einer Verkehrung aller Verhältnisse leidet, doch wohl
kaum ein "Sichvcrspcknliren" nennen; ganz gewiß trifft dieser Ausdruck bei den¬
jenigen nicht zu, die ihr Besitztum überhaupt nicht gekauft, sondern ererbt
haben -- und deren find doch unter unsern Groß- so gut wie unter unsern Mittel-
uud Kleinbesitzern gottlob noch sehr viele --, und auch sonst ist derselbe an¬
gesichts so tiefgreifender und so allgemeiner Veränderungen, wie sie in den
Preisen der wichtigsten Lebensbedürfnisse vor sich gegangen find, wohl mit
gutem Grunde ein mindestens einseitiger zu nennen. Denn schließlich muß der
Grund und Boden mit den zugehörigen Gebäuden, Viehständen, Geräten und
Einrichtungen doch irgend einen Kaufwcrt haben, und die Größe dieses Kauf¬
wertes ist im großen und ganzen von demi Willen des Einzelnen ziemlich
unabhängig, sie bemißt sich vielmehr uach allgemein geltenden Annahmen.
Dem besonders gewandten Geschäftsmanne gelingt es wohl einmal, zu sehr
billigem Preise zu kaufen, und der sehr ungeschickte fällt wohl einmal arg
hinein; aber vorausgesetzt, daß der Käufer über Verhältnisse und Ertragsfähigkeit
des Besitztums unterrichtet ist, im Durchschnitt sind die Preise als ziemlich fest¬
stehende zu betrachten. Wäre es um wirklich wahr, daß die jetzige Not
ganz oder doch zum entscheidenden Teile in den zu hohen Bodenpreisen wurzele,
so würde es doch kaum verständlich sein, daß auf die kleine, soeben eingetretene


Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz.

erkannt wird. Es ist dies die Erwähnung der Bodenverteilung in Mecklenburg
(S. 540). Es ist wahr, daß es dort einen eigentlichen Bauernstand nicht giebt,
ebensowenig (außerhalb des Gebietes der Städte) einen Stand kleiner und
kleinster Besitzer. Dafür bestehen aber dort die alten Erbpacht-Verhältnisse
noch fort, was doch alsbald ein andres Bild giebt. Auch ist immerhin zu er¬
wähnen, daß eine gewisse, wenn auch freilich nur kleine Anzahl von Rittergütern
sich durch Kauf in den Händen von Bauerschaften befindet, die ihrerseits alle
ritterschaftlichen Rechte ausüben.

Nach diesen Berichtigungen möchte ich nun aber weiterhin auch die ge¬
samte Darstellung und die aus derselben gewonnenen Schlußfolgerungen in
einigen Punkten bekämpfen. Mit Recht scheidet der Herr Verfasser unter den
Ursachen, aus denen die „Not vieler Landwirte" (diese erkennt er an, während
die „Not der Landwirtschaft" ihm zweifelhaft bleibt) hervorgehe, die auf schlechten
Preisen und auf zu starkem Verbrauch der Landwirte beruhenden von denen,
welche ans ungenügender Grundrente, d. h. also aus zu hohem Preise, fließen.
Es soll nun ohne weiteres anerkannt werden, daß der in den fünfziger und
sechziger Jahren für ländliche Besitzungen bezahlte Preis durchgehends ein viel
zu hoher war, und daß dieser Punkt in sehr vielen Fällen den Haupt- oder
selbst den einzigen Grund der allerwürts ertönender bittern Klagen bildet. Aber
der Herr Verfasser gelangt mit seinem Satze: „Du hast dich eben verspekulirt
und mußt nun in einer entsprechenden Verringerung deines Vermögens den
Schaden tragen," doch zu einer schiefen Auffassung. Vor allem kaun man den
Umstand, daß jemand an einer Verkehrung aller Verhältnisse leidet, doch wohl
kaum ein „Sichvcrspcknliren" nennen; ganz gewiß trifft dieser Ausdruck bei den¬
jenigen nicht zu, die ihr Besitztum überhaupt nicht gekauft, sondern ererbt
haben — und deren find doch unter unsern Groß- so gut wie unter unsern Mittel-
uud Kleinbesitzern gottlob noch sehr viele —, und auch sonst ist derselbe an¬
gesichts so tiefgreifender und so allgemeiner Veränderungen, wie sie in den
Preisen der wichtigsten Lebensbedürfnisse vor sich gegangen find, wohl mit
gutem Grunde ein mindestens einseitiger zu nennen. Denn schließlich muß der
Grund und Boden mit den zugehörigen Gebäuden, Viehständen, Geräten und
Einrichtungen doch irgend einen Kaufwcrt haben, und die Größe dieses Kauf¬
wertes ist im großen und ganzen von demi Willen des Einzelnen ziemlich
unabhängig, sie bemißt sich vielmehr uach allgemein geltenden Annahmen.
Dem besonders gewandten Geschäftsmanne gelingt es wohl einmal, zu sehr
billigem Preise zu kaufen, und der sehr ungeschickte fällt wohl einmal arg
hinein; aber vorausgesetzt, daß der Käufer über Verhältnisse und Ertragsfähigkeit
des Besitztums unterrichtet ist, im Durchschnitt sind die Preise als ziemlich fest¬
stehende zu betrachten. Wäre es um wirklich wahr, daß die jetzige Not
ganz oder doch zum entscheidenden Teile in den zu hohen Bodenpreisen wurzele,
so würde es doch kaum verständlich sein, daß auf die kleine, soeben eingetretene


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[0320] Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz. erkannt wird. Es ist dies die Erwähnung der Bodenverteilung in Mecklenburg (S. 540). Es ist wahr, daß es dort einen eigentlichen Bauernstand nicht giebt, ebensowenig (außerhalb des Gebietes der Städte) einen Stand kleiner und kleinster Besitzer. Dafür bestehen aber dort die alten Erbpacht-Verhältnisse noch fort, was doch alsbald ein andres Bild giebt. Auch ist immerhin zu er¬ wähnen, daß eine gewisse, wenn auch freilich nur kleine Anzahl von Rittergütern sich durch Kauf in den Händen von Bauerschaften befindet, die ihrerseits alle ritterschaftlichen Rechte ausüben. Nach diesen Berichtigungen möchte ich nun aber weiterhin auch die ge¬ samte Darstellung und die aus derselben gewonnenen Schlußfolgerungen in einigen Punkten bekämpfen. Mit Recht scheidet der Herr Verfasser unter den Ursachen, aus denen die „Not vieler Landwirte" (diese erkennt er an, während die „Not der Landwirtschaft" ihm zweifelhaft bleibt) hervorgehe, die auf schlechten Preisen und auf zu starkem Verbrauch der Landwirte beruhenden von denen, welche ans ungenügender Grundrente, d. h. also aus zu hohem Preise, fließen. Es soll nun ohne weiteres anerkannt werden, daß der in den fünfziger und sechziger Jahren für ländliche Besitzungen bezahlte Preis durchgehends ein viel zu hoher war, und daß dieser Punkt in sehr vielen Fällen den Haupt- oder selbst den einzigen Grund der allerwürts ertönender bittern Klagen bildet. Aber der Herr Verfasser gelangt mit seinem Satze: „Du hast dich eben verspekulirt und mußt nun in einer entsprechenden Verringerung deines Vermögens den Schaden tragen," doch zu einer schiefen Auffassung. Vor allem kaun man den Umstand, daß jemand an einer Verkehrung aller Verhältnisse leidet, doch wohl kaum ein „Sichvcrspcknliren" nennen; ganz gewiß trifft dieser Ausdruck bei den¬ jenigen nicht zu, die ihr Besitztum überhaupt nicht gekauft, sondern ererbt haben — und deren find doch unter unsern Groß- so gut wie unter unsern Mittel- uud Kleinbesitzern gottlob noch sehr viele —, und auch sonst ist derselbe an¬ gesichts so tiefgreifender und so allgemeiner Veränderungen, wie sie in den Preisen der wichtigsten Lebensbedürfnisse vor sich gegangen find, wohl mit gutem Grunde ein mindestens einseitiger zu nennen. Denn schließlich muß der Grund und Boden mit den zugehörigen Gebäuden, Viehständen, Geräten und Einrichtungen doch irgend einen Kaufwcrt haben, und die Größe dieses Kauf¬ wertes ist im großen und ganzen von demi Willen des Einzelnen ziemlich unabhängig, sie bemißt sich vielmehr uach allgemein geltenden Annahmen. Dem besonders gewandten Geschäftsmanne gelingt es wohl einmal, zu sehr billigem Preise zu kaufen, und der sehr ungeschickte fällt wohl einmal arg hinein; aber vorausgesetzt, daß der Käufer über Verhältnisse und Ertragsfähigkeit des Besitztums unterrichtet ist, im Durchschnitt sind die Preise als ziemlich fest¬ stehende zu betrachten. Wäre es um wirklich wahr, daß die jetzige Not ganz oder doch zum entscheidenden Teile in den zu hohen Bodenpreisen wurzele, so würde es doch kaum verständlich sein, daß auf die kleine, soeben eingetretene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/320>, abgerufen am 27.09.2024.