Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz.

Besserung sofort wieder eine so gewaltige Nachfrage und Preissteigerung ein¬
treten konnte, wie solche thatsächlich erfolgt ist. Allerdings ist es ja wahr,
daß immer viele Leute aus andern als aus Gründen des Ertrages Güter kaufen,
und daß infolgedessen der Voden immer verhältnismäßig zu teuer, oder mit
andern Worten die Grundrente zu niedrig ist; aber am Ende muß doch irgend
eine Grundrente vorhanden sein, und das jetzige Anziehen der Preise scheint
darauf hinzudeuten, daß die in den etwa zehn letzten Jahren bezahlten Preise
thatsächlich solche waren, unter denen Land nicht erworben werden konnte. Will
man also überhaupt eine Bebauung des Bodens und eine geregelte Nachfrage
nach frei werdenden Besitzungen, so kann man doch den Anspruch der Besitzer,
daß ihnen im Durchschnitt außer einer angemessenen Vergütung für ihre Arbeit
auch eine Verzinsung des von ihnen aufgewendeten Kapitals zu Teil werden
müsse, nicht so ganz ohne weiteres als einen ungereimten bezeichnen. Es
bleibt eben doch richtig, daß die Landwirtschaft einigermaßen anders beurteilt
werden muß als jeder andre, wenn auch an sich noch so gesetzliche und nützliche
Betrieb. Die Landwirtschaft ist die Grundlage vou Gesellschaft, Staat und
Produktion; kann sie von den Kapitalien, welche nach den thatsächlich in Kraft
befindlichen Preisen aufgebracht werdeu müssen, um einen Besitz übernehmen zu
können, nicht notdürftig die Zinsen hemuswirtschaftcn (seien diese Zinsen nun
diejenigen fremder oder eigner Kapitalien), so ist eben für Staat und Gesellschaft
eine Not der schwersten Art vorhanden.

Gewiß haben manche Besitzer sich auf landwirtschaftliche Unternehmungen
eingelassen, denen sie nach dem Stande ihrer verfügbaren eignen Mittel und
namentlich des ihnen verbleibenden baaren Betriebskapitals (einer der schwächsten
Punkte unsrer Landwirtschaft!) nicht gewachsen waren, und gewiß gehören
viele der auf den Gütern lastenden Kapitalien der Klasse an, welche der Ver¬
fasser "schmarotzende" nennt. Ja es sind mir sehr tüchtige Leute bekannt, die
unter der Last derartiger Verschuldungen seufzen und stöhnen, und die mit aller
Anstrengung doch mir bei Wiederkehr günstigerer Zeiten imstande sein werden,
den schließlichen Zusammenbruch abzuwehren. Sind indessen derartige Ver¬
hältnisse sehr zahlreich (und man wird sagen dürfen, daß sie es sind), dann ist
es immerhin nicht ungerechtfertigt, selbst auf sie eine gewisse Rücksicht zu nehmen.
Ich glaube annehmen zu dürfen, daß es auch dem Verfasser nicht gleichgiltig
sei, ob eine Menge an sich tüchtiger Existenzen gerettet werden kann oder nicht;
es ist sehr dankenswert, daß er die Hand des Staates zur Abstoßung solcher
schmarotzenden Kapitalien bieten will, aber hinsichtlich der Übergangsperiode
sollte er doch auch zugestehen, daß der Kapilalwert der Güter nichts rein Zu¬
fälliges, kein Produkt der "Spekulation," sondern bis zu einem gewissen Punkte
eine gegebene Größe ist, für welche die Zinsen sich normalerweise erwirt¬
schaften lassen müssen. Aber man kann und muß uoch weiter gehen. Es sind
mir Landwirte bekannt, deren Verhältnisse von Hans aus als durchaus glänzend


Grenzboten IV. 1886. 40
Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz.

Besserung sofort wieder eine so gewaltige Nachfrage und Preissteigerung ein¬
treten konnte, wie solche thatsächlich erfolgt ist. Allerdings ist es ja wahr,
daß immer viele Leute aus andern als aus Gründen des Ertrages Güter kaufen,
und daß infolgedessen der Voden immer verhältnismäßig zu teuer, oder mit
andern Worten die Grundrente zu niedrig ist; aber am Ende muß doch irgend
eine Grundrente vorhanden sein, und das jetzige Anziehen der Preise scheint
darauf hinzudeuten, daß die in den etwa zehn letzten Jahren bezahlten Preise
thatsächlich solche waren, unter denen Land nicht erworben werden konnte. Will
man also überhaupt eine Bebauung des Bodens und eine geregelte Nachfrage
nach frei werdenden Besitzungen, so kann man doch den Anspruch der Besitzer,
daß ihnen im Durchschnitt außer einer angemessenen Vergütung für ihre Arbeit
auch eine Verzinsung des von ihnen aufgewendeten Kapitals zu Teil werden
müsse, nicht so ganz ohne weiteres als einen ungereimten bezeichnen. Es
bleibt eben doch richtig, daß die Landwirtschaft einigermaßen anders beurteilt
werden muß als jeder andre, wenn auch an sich noch so gesetzliche und nützliche
Betrieb. Die Landwirtschaft ist die Grundlage vou Gesellschaft, Staat und
Produktion; kann sie von den Kapitalien, welche nach den thatsächlich in Kraft
befindlichen Preisen aufgebracht werdeu müssen, um einen Besitz übernehmen zu
können, nicht notdürftig die Zinsen hemuswirtschaftcn (seien diese Zinsen nun
diejenigen fremder oder eigner Kapitalien), so ist eben für Staat und Gesellschaft
eine Not der schwersten Art vorhanden.

Gewiß haben manche Besitzer sich auf landwirtschaftliche Unternehmungen
eingelassen, denen sie nach dem Stande ihrer verfügbaren eignen Mittel und
namentlich des ihnen verbleibenden baaren Betriebskapitals (einer der schwächsten
Punkte unsrer Landwirtschaft!) nicht gewachsen waren, und gewiß gehören
viele der auf den Gütern lastenden Kapitalien der Klasse an, welche der Ver¬
fasser „schmarotzende" nennt. Ja es sind mir sehr tüchtige Leute bekannt, die
unter der Last derartiger Verschuldungen seufzen und stöhnen, und die mit aller
Anstrengung doch mir bei Wiederkehr günstigerer Zeiten imstande sein werden,
den schließlichen Zusammenbruch abzuwehren. Sind indessen derartige Ver¬
hältnisse sehr zahlreich (und man wird sagen dürfen, daß sie es sind), dann ist
es immerhin nicht ungerechtfertigt, selbst auf sie eine gewisse Rücksicht zu nehmen.
Ich glaube annehmen zu dürfen, daß es auch dem Verfasser nicht gleichgiltig
sei, ob eine Menge an sich tüchtiger Existenzen gerettet werden kann oder nicht;
es ist sehr dankenswert, daß er die Hand des Staates zur Abstoßung solcher
schmarotzenden Kapitalien bieten will, aber hinsichtlich der Übergangsperiode
sollte er doch auch zugestehen, daß der Kapilalwert der Güter nichts rein Zu¬
fälliges, kein Produkt der „Spekulation," sondern bis zu einem gewissen Punkte
eine gegebene Größe ist, für welche die Zinsen sich normalerweise erwirt¬
schaften lassen müssen. Aber man kann und muß uoch weiter gehen. Es sind
mir Landwirte bekannt, deren Verhältnisse von Hans aus als durchaus glänzend


Grenzboten IV. 1886. 40
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0321" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199675"/>
          <fw type="header" place="top"> Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1303" prev="#ID_1302"> Besserung sofort wieder eine so gewaltige Nachfrage und Preissteigerung ein¬<lb/>
treten konnte, wie solche thatsächlich erfolgt ist. Allerdings ist es ja wahr,<lb/>
daß immer viele Leute aus andern als aus Gründen des Ertrages Güter kaufen,<lb/>
und daß infolgedessen der Voden immer verhältnismäßig zu teuer, oder mit<lb/>
andern Worten die Grundrente zu niedrig ist; aber am Ende muß doch irgend<lb/>
eine Grundrente vorhanden sein, und das jetzige Anziehen der Preise scheint<lb/>
darauf hinzudeuten, daß die in den etwa zehn letzten Jahren bezahlten Preise<lb/>
thatsächlich solche waren, unter denen Land nicht erworben werden konnte. Will<lb/>
man also überhaupt eine Bebauung des Bodens und eine geregelte Nachfrage<lb/>
nach frei werdenden Besitzungen, so kann man doch den Anspruch der Besitzer,<lb/>
daß ihnen im Durchschnitt außer einer angemessenen Vergütung für ihre Arbeit<lb/>
auch eine Verzinsung des von ihnen aufgewendeten Kapitals zu Teil werden<lb/>
müsse, nicht so ganz ohne weiteres als einen ungereimten bezeichnen. Es<lb/>
bleibt eben doch richtig, daß die Landwirtschaft einigermaßen anders beurteilt<lb/>
werden muß als jeder andre, wenn auch an sich noch so gesetzliche und nützliche<lb/>
Betrieb. Die Landwirtschaft ist die Grundlage vou Gesellschaft, Staat und<lb/>
Produktion; kann sie von den Kapitalien, welche nach den thatsächlich in Kraft<lb/>
befindlichen Preisen aufgebracht werdeu müssen, um einen Besitz übernehmen zu<lb/>
können, nicht notdürftig die Zinsen hemuswirtschaftcn (seien diese Zinsen nun<lb/>
diejenigen fremder oder eigner Kapitalien), so ist eben für Staat und Gesellschaft<lb/>
eine Not der schwersten Art vorhanden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1304" next="#ID_1305"> Gewiß haben manche Besitzer sich auf landwirtschaftliche Unternehmungen<lb/>
eingelassen, denen sie nach dem Stande ihrer verfügbaren eignen Mittel und<lb/>
namentlich des ihnen verbleibenden baaren Betriebskapitals (einer der schwächsten<lb/>
Punkte unsrer Landwirtschaft!) nicht gewachsen waren, und gewiß gehören<lb/>
viele der auf den Gütern lastenden Kapitalien der Klasse an, welche der Ver¬<lb/>
fasser &#x201E;schmarotzende" nennt. Ja es sind mir sehr tüchtige Leute bekannt, die<lb/>
unter der Last derartiger Verschuldungen seufzen und stöhnen, und die mit aller<lb/>
Anstrengung doch mir bei Wiederkehr günstigerer Zeiten imstande sein werden,<lb/>
den schließlichen Zusammenbruch abzuwehren. Sind indessen derartige Ver¬<lb/>
hältnisse sehr zahlreich (und man wird sagen dürfen, daß sie es sind), dann ist<lb/>
es immerhin nicht ungerechtfertigt, selbst auf sie eine gewisse Rücksicht zu nehmen.<lb/>
Ich glaube annehmen zu dürfen, daß es auch dem Verfasser nicht gleichgiltig<lb/>
sei, ob eine Menge an sich tüchtiger Existenzen gerettet werden kann oder nicht;<lb/>
es ist sehr dankenswert, daß er die Hand des Staates zur Abstoßung solcher<lb/>
schmarotzenden Kapitalien bieten will, aber hinsichtlich der Übergangsperiode<lb/>
sollte er doch auch zugestehen, daß der Kapilalwert der Güter nichts rein Zu¬<lb/>
fälliges, kein Produkt der &#x201E;Spekulation," sondern bis zu einem gewissen Punkte<lb/>
eine gegebene Größe ist, für welche die Zinsen sich normalerweise erwirt¬<lb/>
schaften lassen müssen. Aber man kann und muß uoch weiter gehen. Es sind<lb/>
mir Landwirte bekannt, deren Verhältnisse von Hans aus als durchaus glänzend</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1886. 40</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0321] Die deutsche Landliga und der deutsche Großgrundbesitz. Besserung sofort wieder eine so gewaltige Nachfrage und Preissteigerung ein¬ treten konnte, wie solche thatsächlich erfolgt ist. Allerdings ist es ja wahr, daß immer viele Leute aus andern als aus Gründen des Ertrages Güter kaufen, und daß infolgedessen der Voden immer verhältnismäßig zu teuer, oder mit andern Worten die Grundrente zu niedrig ist; aber am Ende muß doch irgend eine Grundrente vorhanden sein, und das jetzige Anziehen der Preise scheint darauf hinzudeuten, daß die in den etwa zehn letzten Jahren bezahlten Preise thatsächlich solche waren, unter denen Land nicht erworben werden konnte. Will man also überhaupt eine Bebauung des Bodens und eine geregelte Nachfrage nach frei werdenden Besitzungen, so kann man doch den Anspruch der Besitzer, daß ihnen im Durchschnitt außer einer angemessenen Vergütung für ihre Arbeit auch eine Verzinsung des von ihnen aufgewendeten Kapitals zu Teil werden müsse, nicht so ganz ohne weiteres als einen ungereimten bezeichnen. Es bleibt eben doch richtig, daß die Landwirtschaft einigermaßen anders beurteilt werden muß als jeder andre, wenn auch an sich noch so gesetzliche und nützliche Betrieb. Die Landwirtschaft ist die Grundlage vou Gesellschaft, Staat und Produktion; kann sie von den Kapitalien, welche nach den thatsächlich in Kraft befindlichen Preisen aufgebracht werdeu müssen, um einen Besitz übernehmen zu können, nicht notdürftig die Zinsen hemuswirtschaftcn (seien diese Zinsen nun diejenigen fremder oder eigner Kapitalien), so ist eben für Staat und Gesellschaft eine Not der schwersten Art vorhanden. Gewiß haben manche Besitzer sich auf landwirtschaftliche Unternehmungen eingelassen, denen sie nach dem Stande ihrer verfügbaren eignen Mittel und namentlich des ihnen verbleibenden baaren Betriebskapitals (einer der schwächsten Punkte unsrer Landwirtschaft!) nicht gewachsen waren, und gewiß gehören viele der auf den Gütern lastenden Kapitalien der Klasse an, welche der Ver¬ fasser „schmarotzende" nennt. Ja es sind mir sehr tüchtige Leute bekannt, die unter der Last derartiger Verschuldungen seufzen und stöhnen, und die mit aller Anstrengung doch mir bei Wiederkehr günstigerer Zeiten imstande sein werden, den schließlichen Zusammenbruch abzuwehren. Sind indessen derartige Ver¬ hältnisse sehr zahlreich (und man wird sagen dürfen, daß sie es sind), dann ist es immerhin nicht ungerechtfertigt, selbst auf sie eine gewisse Rücksicht zu nehmen. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß es auch dem Verfasser nicht gleichgiltig sei, ob eine Menge an sich tüchtiger Existenzen gerettet werden kann oder nicht; es ist sehr dankenswert, daß er die Hand des Staates zur Abstoßung solcher schmarotzenden Kapitalien bieten will, aber hinsichtlich der Übergangsperiode sollte er doch auch zugestehen, daß der Kapilalwert der Güter nichts rein Zu¬ fälliges, kein Produkt der „Spekulation," sondern bis zu einem gewissen Punkte eine gegebene Größe ist, für welche die Zinsen sich normalerweise erwirt¬ schaften lassen müssen. Aber man kann und muß uoch weiter gehen. Es sind mir Landwirte bekannt, deren Verhältnisse von Hans aus als durchaus glänzend Grenzboten IV. 1886. 40

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/321
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/321>, abgerufen am 27.09.2024.